Protokoll der Sitzung vom 16.01.2020

[Henner Schmidt (FDP): Früher war die SPD immer dafür!]

(Bernd Schlömer)

Auch deshalb wurde im November 2017 in München beschlossen, wieder auf Microsoft umzusteigen. Bei aller Kritik, die man an diesem Konzern, an der Software und an der Datenweitergabe haben kann – Microsoft bietet derzeit für die Berliner Verwaltung überhaupt die Möglichkeit, arbeitsfähig zu sein.

Ihr Antrag ist deutlich interessant, aber ich glaube nicht, dass er eine Mehrheit in diesem Haus finden wird. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Paul Fresdorf (FDP): Sie sind aber auch ein Spielverderber!]

Für die Fraktion der CDU hat das Wort Herr Abgeordneter Lenz. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion der FDP fordert mehr digitale Souveränität für Berlin. Das klingt erst einmal gut, aber ich habe Zweifel, ob wir das wirklich mit der Festlegung auf den Weg der Verwendung einer Open-Source-Software erreichen werden. Jedenfalls darf man Open Source nicht zu einer Art Mantra erheben, und ich nehme an, Herr Schlömer, dass Ihre Affinität dazu mit Ihrer Piratenvergangenheit zusammenhängt, denn mangels geklärter Verantwortlichkeiten und Haftungsrisiken bleiben erhebliche Risiken, für die man im Bedarfsfall keinen Ansprechpartner hat. Das ist sicherlich eine Restunsicherheit und auch eine Schwäche von OpenSource-Lösungen.

Die Stadt München – Herr Kollege Kohlmeier hat es eben erwähnt – und auch der Deutsche Bundestag waren immer Beispiele, die für einen guten Einsatz von OpenSource-Lösungen angeführt wurden. Beide haben sich nicht ohne Grund entschieden, das wieder abzuschaffen. Beide setzen jetzt wieder auf Windows-Lösungen. Ich glaube, bis zum Ende des Jahres 2020 wird es dort überhaupt keinen Einsatz von Open Source mehr geben. Das sollte uns schon sensibel machen, wenn wir so etwas fordern. Dennoch muss man auch immer wieder offen darüber nachdenken, und Open-Source-Lösungen sind natürlich eine Alternative. Solche Alternativen darf man auch nicht von vornherein abwürgen. Es gibt auch Einzelfälle, in denen das mit Erfolg genutzt wird. Zweifel sind aber, aus meiner Sicht jedenfalls, angebracht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ziller, Herr Lenz?

Ja, gern!

Bitte, Herr Ziller! Sie haben das Wort.

Ist Ihnen bekannt, dass in der Berliner Verwaltung auf Serverseite schon heute sehr viele Open-Source-Produkte zum Einsatz kommen? Haben Sie da auch Zweifel? Ist Ihre Sicht, dass wir diese ablösen sollten, oder finden Sie an der Stelle Open Source okay?

Nein, das habe ich ja gerade gesagt: An der Stelle, wo es funktioniert, finde ich es okay. Man sollte nur davon abkommen, zu sagen, das ist die Lösung. In Einzelfällen muss das gehen. Es geht ja auch, na klar! Da haben wir gute Erfahrungen gemacht. Insofern muss man sich eine gewisse Offenheit bewahren. Open Source ist aber nicht zwingend billiger und schon gar nicht zwingend sicherer. Das muss dann im Einzelfall gut begründet werden.

Letzten Endes – wenn wir das offen debattieren – sollten die Experten im ITDZ eine entscheidende Rolle spielen, denn, was wir nicht brauchen, ist, dass wir etwas gegen den Expertenrat durchsetzen. Deswegen brauchen wir die Debatte. Wir sollten die Argumente der Befürworter und der Skeptiker hören. Am Ende ist für die CDU-Fraktion immer entscheidend, dass es funktioniert, dass Verwaltung funktioniert auf der Höhe der Zeit und mit vertretbarem Aufwand. Hier bin ich aufgrund der Erfahrungen, die wir in den letzten Monaten leider machen mussten, immer skeptischer. Es passt auch ein bisschen ins Bild, dass Frau Smentek gar nicht die Zeit gefunden hat, der Debatte des Parlaments zu folgen. Das finde ich nicht gut. Herr Geisel ist da, insofern ist der Senat vertreten, auch zuständig vertreten, aber ich hätte mir schon gewünscht, dass sich Frau Smentek das einmal anhört. Denn dass es Optimierungsbedarf gibt, wissen wir alle.

Es gelingt ja nicht einmal – das ist schon angeklungen –, das Betriebssystem auf die Höhe der Zeit zu bringen. Auf einem Viertel der Rechner in Berlin ist immer noch Windows 7 installiert, im Jahr 2020 – und wieder einmal schaut die ganze Republik auf Berlin und schüttelt den Kopf.

[Zuruf von Adrian Grasse (CDU)]

Das kann nicht wahr sein, und das macht uns nachdenklich.

Das fügt sich wunderbar an: Ich möchte jetzt nicht – ich habe keine Zeit – schon wieder die Dokumentenprüfgeräte bemühen, aber diese sind immer noch nicht im Einsatz. Das macht mich fast kirre.

(Sven Kohlmeier)

[Senator Andreas Geisel: Doch, doch!]

Nein, sie sind nicht im Einsatz. Sie wurden geliefert und stehen herum. Ich habe mir darüber wirklich ein Bild gemacht. Sie sind in Neukölln im Einsatz, nur in Neukölln. Dort waren sie schon immer im Einsatz. Ansonsten hat sich nichts getan.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Stefan Förster (FDP)]

Bei der E-Akte schwant mir Böses. Da baut sich ein großes Scheitern auf. Ich hoffe, dass das nicht kommt. Wenn das aber kommt, wird uns das mittlerweile nicht mehr überraschen, und es wäre ein großes Drama für die Berliner Verwaltung.

Was brauchen wir? – Wir brauchen eine Führung der Verwaltung, die endlich ihre Hausaufgaben macht, Herr Geisel. Richten Sie das Frau Smentek aus. Wir brauchen eine IKT-Staatssekretärin, die nicht nur Standards setzt, sondern diese auch durchsetzt. Wir brauchen eine IKTStaatsekretärin, die endlich führt. Und wir brauchen einen Regierenden Bürgermeister, der sie dabei unterstützt. All das sehe ich aktuell nicht. Richten Sie das also Frau Smentek aus. Sorgen Sie dafür, dass die Führung übernommen wird, sonst sehe ich schwarz. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Herr Abgeordneter Schulze. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir müssen weg von der einseitigen Abhängigkeit von Microsoftprodukten in der öffentlichen Verwaltung. Darin sind wir im Übrigen völlig einig mit der FDP. Es ist zunehmend ein Problem, dass Betriebssysteme und Bürosoftware fast flächendeckend aus derselben Hand kommen. Dies ist noch dazu ein Hersteller, der unter den USamerikanischen Patriot Act und auch den Cloud Act, der im letzten Herbst verabschiedet wurde, fällt. Das heißt, dass Microsoft zur Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten und Regierungsstellen und im Zweifel auch zur Herausgabe von Daten über deutsche Bürgerinnen und Bürger verpflichtet ist. Es ist schon jetzt nur unter größerem Aufwand möglich, Windows 10 datenschutzkompatibel zu konfigurieren. Wenn in Zukunft Windows und Office komplett in die Cloud wandern, wie es Microsoft angekündigt hat, wird das Problem noch viel drängender. Software mit offenem Quellcode könnte hier sowohl für mehr Datensicherheit sorgen als auch Transparenz in den Umgang mit sensiblen Daten von Bürgerinnen und Bürgern bringen.

Ein Ausstieg aus dem Microsoftgefängnis ist jedoch nicht trivial. Darauf haben die Kollegen schon hingewiesen.

Wir standen 2016 in den Koalitionsverhandlungen vor der Frage, ob wir die Entscheidung für Windows und Office als Standardsysteme noch einmal aufrollen oder ob wir vorerst dabei bleiben. Wir haben uns vorerst für Windows und Office entschieden. Die Gründe liegen angesichts der Probleme bei der Umsetzung des E-Government-Gesetzes auf der Hand. Wer diese zersplitterte IT-Landschaft, die wir hier im Land und den Bezirken haben, standardisieren und zentralisieren will, der sollte das nicht auch noch mit der Entscheidung für Open Source überlasten. Ein Systemwechsel bei Betriebssystemen und Bürosoftware hätte das Ganze nämlich noch viel komplizierter gemacht und vermutlich verzögert. Deswegen haben wir uns damals dafür entschieden, bei Microsoft zu bleiben.

Trotzdem müssen wir jetzt – und da haben die Kollegen von der FDP recht – damit beginnen, die Bausteine für eine zukunftsfähige Open-Source-Strategie zu entwickeln. Fangen wir doch mit den Servern an. Etwa ein Drittel der Server in der Berliner Verwaltung werden bereits unter Linux betrieben. Hier geht noch mehr. Auch bei den Fachverfahren sind Opern-Source-Programme mit einem Viertel bereits gut vertreten. Das kann und sollte schnell ausgebaut werden. Wir können uns nicht leisten, dass wir in Zukunft die Daten von Bürgerinnen und Bürgern im E-Government auf Server geben, die eventuell von der NSA oder weiteren Geheimdiensten angezapft werden. Wir müssen eigene Lösungen finden, und sollten da digital souveräner werden. Wir werden uns dann auch den Betriebssystemen und Officeprogrammen widmen. „Public Money, Public Code“ muss unsere Losung für die E-Government-Umsetzung in Berlin sein, und wir werden im Ausschuss für Kommunikationstechnologie und Datenschutz mit einer Anhörung anfangen und mit einer Strategie weitermachen. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Daniela Billig (GRÜNE)]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Gläser das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie schön, dass auch die FDP dieses Thema jetzt für sich entdeckt hat.

[Henner Schmidt (FDP): Das Thema hatten wir schon vor zehn Jahren!]

Es birgt Risiken, staatliche Infrastruktur maßgeblich auf der Software von einzelnen Unternehmen in marktbeherrschender Stellung aufzubauen. Produkte von Microsoft als Anbieter von Betriebssystemen und Universalsoftware sind aus Datenschutzgründen problematisch, weil der Datenabgleich durch Hacker und Geheimdienste möglich

(Stephan Lenz)

ist. Wir haben es eben schon gehört. Im Fall der Vereinigten Staaten ist das sogar völlig legal, wie wir aus den Enthüllungen von Edward Snowden wissen. Ein weiteres Problem sind die ausufernden Lizenzkosten. Das hat der Kollege Schlömer eben alles gesagt. Die Lösung dafür könnte Open Source sein. Freie Open-Source-Produkte und das Betriebssystem Linux sind kostengünstige Alternativen. Aber wir müssen auch sehen, dass sich nicht alle Daten überall verarbeiten lassen. Nicht jede Software läuft überall, und so, wie die Berliner IT jetzt aufgestellt ist, wird es auch nicht möglich sein, von jetzt auf gleich umzustellen. Jedoch – und das spricht gegen das Argument München, das ich hier von den Kollegen Kohlmeier und Lenz gehört habe – habe ich es so verstanden, dass viele IKT-Fachverfahren in Zukunft in die Cloud verlagert werden sollen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ziller?

Selbstverständlich, gerne!

Bitte, Herr Ziller!

Sie haben so auf das Kostenargument abgezielt. Ist Ihnen bewusst, dass bei Open Source die Kosten anders entstehen, nämlich eben nicht als Lizenzkosten, sondern für den Support und die Weiterentwicklung der Software? Ist Ihnen bekannt, dass das die Idee hinter Open Source ist?

Umsonst ist der Tod. Die Kosten, die für Computertechnik ausgegeben werden, bestehen nicht nur aus irgendwelchen Lizenzkosten. Aber ja, natürlich laufen da viele Kosten für andere Dinge auf, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Zum Beispiel müssen die Beschäftigten im öffentlichen Dienst in der Lage sein, die neuen Produkte zu verstehen. Es werden Kosten für Schulungen auflaufen. Das stimmt alles, aber wir haben ja auch einen Nutzen, der dagegensteht. Möglicherweise sind die Kosten nicht mehr so hoch. Wir haben eben gehört, dass 1 Million Euro oder 10 Millionen Euro nur für den Support der alten Windowsversion anfallen. Das ist eine Menge Holz.

Was ich sagen wollte: Viele IKT-Fachverfahren werden in die Cloud übertragen. Dann ist der Rechner am Arbeitsplatz des Beamten möglicherweise nur noch ein reiner Terminal. Die Bedeutung des Betriebssystems ist nicht mehr so wichtig, und damit könnte es möglich sein,

noch eine größere Zahl von Rechnern zu migrieren und auf Linux zu betreiben. Auf die Sicht von vielleicht fünf Jahren sollte es möglich sein, weitere Teile der Berliner Behörden-IT umzustellen. Sicherlich wird es niemals möglich sein, alles umzustellen, aber wir sollten den Weg in diese Richtung gehen. Deswegen sind wir sehr gespannt auf die Debatte im Ausschuss dazu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos), Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Abgeordnete Ziller. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Digitale Souveränität ist ein zentrales Ziel oder besser eine zentrale Voraussetzung für eine digitale Verwaltung. Doch das Ganze ist kein Berliner Thema, aber auch für Berlin eine große Herausforderung. Wünschenswert ist hier eine Initiative der Europäischen Union oder hilfsweise auch der Bundesregierung oder gar des Bundesrates. Die Folgen des wirren Handelns von US-Präsident Trump und die Huawei-Debatte können nicht sein, weiter so blind in die digitale Zukunft zu laufen. Europa und Berlin müssen in der Lage sein, Alternativen zu den großen amerikanischen Anbietern zur Verfügung zu haben. Diese stehen aktuell insbesondere beim Thema Desktopbetriebssystem, aber auch bei Office und auch beim Thema IT-Sicherheit nicht zur Verfügung.

Die Folgen können wir uns in der Windows-10-Debatte schon einmal durchdenken. Was tun wir eigentlich, wenn unsere Datenschutzbeauftragten zu einem Zeitpunkt X verfügen, dass Windows 10 nach einem Update nicht mehr zum Einsatz kommen darf? – Genau, dann holen wir unsere Papierakten wieder heraus. Damit es nicht soweit kommt, müssen wir endlich handeln.

Der FDP-Antrag fordert daher richtigerweise auf, die Abhängigkeiten zu benennen, weil das der erste Schritt – in welcher geeigneten Form auch immer – ist, diesen Abhängigkeitsbericht zum Anlass zu nehmen, um Strategien zur Reduzierung dieser Abhängigkeit zu entwickeln. Ich denke, es liegt auf der Hand – das wurden von den Vorrednerrinnen und Vorrednern schon gesagt –, dass es eine Initiative für ein möglicherweise europäisches Office-Paket, eine Office Lösung – ob in der Cloud oder nicht – geben muss, um eine zentrale Abhängigkeit zu beseitigen.

Wir brauchen aber auch eine Cloudlösung. Wenn uns die BVG im Ausschuss sagt, dass sie Jelbi nur zum Laufen

(Ronald Gläser)