Protokoll der Sitzung vom 30.01.2020

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Aber nun, wo die Probleme Ihre Lieblingszielgruppe, die Flüchtlinge, erreichen, da ist auf einmal ganz dringender Handlungsbedarf bei der Linkspartei. Da können Sie gar nicht abwarten, was der Psychiatriebeirat empfiehlt und eine Gesamtlösung für die gesamte Stadt entwickeln. Nein, da suchen Sie sich diese Zielgruppe heraus und wollen auch nur für diese Personen die Situation verbessern. Das ist einfach unfair. Das ist eine Politik auf Kosten der ganz normalen Berliner Bevölkerung, eine Politik, die wir ablehnen. Deswegen können wir diesen Antrag nur in Gänze ablehnen und uns nicht enthalten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist AfD-Politik, die Sie da machen!]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag auf Drucksache 18/1819 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die AfD-Fraktion und die FDP-Fraktion sowie bei Enthaltung der CDU-Fraktion die Annahme mit geändertem Berichtsdatum „30. Juni 2020“. Wer dem Antrag mit geändertem Berichtsdatum zustimmen möchte, den bitte ich nunmehr um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und der AfD-Fraktion; Enthaltungen? – und Enthaltung der CDU-Fraktion ist der Antrag so angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 20:

Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuches zum Verbot des Verbrennens von Flaggen ausländischer Staaten

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 15. Januar 2020 Drucksache 18/2415

zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0747

In der Beratung beginnt die CDU-Fraktion, und hier der Kollege Rissmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir müssen Sie zu später Stunde noch mit einem Thema beschäftigen, das ernst ist. Anlass für den Antrag, den wie hier zu debattieren haben, waren unerträgliche Bilder, die leider aus unserer Stadt Berlin in die Welt gegangen sind, dass

nämlich vor unserem Brandenburger Tor die Fahne des Staates Israel verbrannt wurde.

Gut ist, dass sich fünf von sechs Fraktionen hier im Hause einig sind, dass wir ein solches Verhalten nicht tolerieren wollen, dass wir das tun, was ein Staat, eine Gemeinschaft macht, wenn sie ein Verhalten als nicht normkonform erachtet: es unter Strafe stellen wollen.

Schlecht ist, dass dieser Antrag hier und heute trotzdem keine Mehrheit finden wird. Das liegt an folgendem Umstand: Die SPD hat – das kann man nicht hoch genug anerkennen – im Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung offen dargelegt, dass sie so, wie im Deutschen Bundestag im Übrigen auch, unserem Anliegen gerne folgen wollte.

[Beifall bei der CDU]

Auch die Grünen haben das zu verstehen gegeben. Von daher geht es eigentlich nicht um die Sache.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Es ist ja auch sachlich nicht zu erklären, warum man es als Staat tolerieren und nicht als strafwürdig erachten sollte, ausländische Fahnen in unserer Öffentlichkeit zu verbrennen. Wir haben derzeit schon eine Regelung, wonach das Verbrennen der Bundesflagge unter Strafe gestellt ist – vollkommen zu Recht.

[Beifall bei der CDU und der AfD]

Wir haben derzeit schon eine Regelung, nach der es strafrechtlich sanktioniert ist, ausländische Flaggen zu verbrennen, wenn sie aufgrund einer Rechtsvorschrift öffentlich angebracht sind oder bei brauchtumsbezogenen Veranstaltungen getragen werden. Wenn sich aber eine Gruppe zusammenrottet und der Meinung ist, ihre – aus meiner Sicht bei Weitem nicht mehr bestehende – Meinungsfreiheit so zu missbrauchen, eine Flagge eines ausländischen Staates, im konkreten Fall diejenige Israels, an einem prominenten Platz in unserer Hauptstadt zu verbrennen, dann ist das nicht strafbar. Das ist nicht zu rechtfertigen; das haben auch Sozialdemokraten und Grüne erkannt, die Opposition hier sowieso.

Trotzdem wird das Haus heute diesem Antrag keine Zustimmung geben. Die Koalitionsmitglieder von SPD und Grünen haben es im Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung deutlich gesagt: Das liegt am Verhalten der Linkspartei. – Darüber müssen wir heute reden.

[Zurufe von der AfD und der FDP]

Ich habe Verständnis für Koalitionszwänge, für Fraktionszwänge und auch für Parteizwänge und für alle möglichen Zwänge darüber hinaus.

[Allgemeine Heiterkeit – Torsten Schneider (SPD): Jetzt wird es spannend!]

(Florian Kluckert)

Aber ich kann nicht verstehen, warum die Linkspartei hier ihren Koalitionsjoker zieht und Grünen und SPD und damit dem Haus hier insgesamt versagt, dass aus der Stadt und in dem dafür berufenen Parlament ein klares Zeichen gegen diese Unart gesetzt wird, Fahnen ausländischer Staaten, insbesondere Israels, zu verbrennen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP und der AfD]

Da es dafür ganz offensichtlich keinen Sachgrund gibt, müssen wir uns die Frage stellen: Warum benehmen die sich hier so? Warum tun sie das? – Ich habe keinen sachlichen Grund im Rechtsausschuss gehört; ich vermute, ich werde auch heute keinen hören. Insofern muss ich spekulieren: Ich habe die große Sorge, dass dies allein daran liegt, dass das ein Kniefall der Linkspartei vor antizionistischen Linksextremisten ist. Und das muss man so benennen, wie es ist: Das ist ekelerregend.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Kohlmeier jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben hier nun die zweite Lesung dieses Antrags, und ich will so beginnen, wie ich auch bei der ersten Lesung begonnen habe, und zwar, dass wir uns hier in diesem Haus wohl alle einig sind, dass es keine Rechtfertigung gibt, dass insbesondere israelische Flaggen verbrannt werden. Ich wiederhole auch, was ich in der ersten Rederunde gesagt habe: dass wir selbstverständlich insbesondere in Berlin eine historische Verantwortung haben und wir keine Bilder sehen möchten – wie es halt passiert ist –, wo israelische Fahnen vor dem Brandenburger Tor verbrannt wurden und diese Bilder um die Welt gehen. Deshalb ein ganz klares Zeichen von uns, dass wir solche Bilder von solchen Demonstrationen nicht sehen wollen.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Der Antrag, den die CDU hier eingereicht hat, hat tatsächlich einige Schwächen; das habe ich in der ersten Runde hier und auch im Rechtsausschuss gesagt: Es bleibt letztendlich offen, wenn hier steht, dass auch religiöse Symbole mit umfasst sind, was denn alles religiöse Symbole sind. Darüber kann man bestimmt kleinteilige Diskussionen führen.

Ich wiederhole, was ich im Rechtsausschuss gesagt habe: Wenn es nach mir ginge, würde ich dem Antrag zustimmen, weil er letztendlich genau das umfasst, wofür wir auch als SPD stehen. Nun gibt es im Koalitionsvertrag – und das wissen alle, die schon einmal mit uns koaliert

haben – auf der letzten Seite einen wesentlichen Satz, wo drinsteht: Die Koalitionspartner stimmen einheitlich ab. – Ich finde – das gehört auch zur Ehrlichkeit –, dass man sich, wenn man so eine Koalition eingeht, vertragstreu verhält und selbstverständlich hier gemeinsam abstimmt, und wenn einer der Partner eine andere Auffassung hat, dann hat man das zu akzeptieren.

Ich bin dankbar, dass die große Koalition im Bund und vor allem die Justizministerin Lambrecht genau die Auffassung vertritt, die wir auch in Berlin vertreten: dass man das Verbrennen israelischer Flaggen unter Strafe stellen möchte. Da gibt es eine entsprechende Initiative der Bundesjustizministerin, und ich hoffe, dass eine strafrechtliche Regelung im StGB demnächst erfolgen wird und wir diese Thema auf diese Art und Weise erledigt haben. – Herzlichen Dank und einen schönen Abend!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Vallendar das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir treten in die zweite Beratung zum Antrag der CDU zum Verbot des Verbrennens von Flaggen ausländischer Staaten ein. Um es vorwegzunehmen: Aus dem Abgeordnetenhaus wird heute wohl kein Signal der Völkerverständigung und gegen Antisemitismus gesendet werden.

Scheitern wird das an der Linksfraktion, die die Koalition zwingt, sich dieser vom gesamten Haus getragenen Initiative nicht anzuschließen. Das Verbrennen ausländischer Flaggen und das Verbrennen der Flagge Israels werden – sofern der Bundestag jetzt nicht initiativ zuvorkommt – weiter mit Straffreiheit in Deutschland bedacht werden. Die im Rechtsausschuss vorgebrachten Gründe für die Ablehnung können getrost als vorgeschoben bezeichnet werden. Der Justizsenator verwies auf die Meinungsfreiheit in den USA: Dort dürfe man schließlich auch Flaggen verbrennen, sogar die US-Flagge, und es würde sich keiner daran stören.

Mal abgesehen davon, dass ich denjenigen sehen möchte, der sich im Land des freien Waffenbesitzes traut, eine US-Flagge auf öffentlichen Plätzen zu verbrennen,

[Heiterkeit bei Karsten Woldeit (AfD)]

vergaß der Justizsenator, ein paar Details zu erwähnen: Die USA kennen eine komplett andere Verfassungstradition als Deutschland. Dort gilt die Verfassungsmaxime der absoluten Meinungsfreiheit. Straftatbestände wie das Zeigen verfassungsfeindlicher Symbole, Volksverhetzung

(Sven Rissmann)

oder die Leugnung des Holocausts erfüllen in den USA keine Strafnormen. Ob sich die Koalition dies nun zum Vorbild für Deutschland nehmen möchte, diese Wertung überlasse ich Ihnen.

Der Kollege Schlüsselburg von der Linksfraktion trug ferner im Ausschuss vor, dass er eventuell bereit gewesen wäre, eine Regelung, die nur das Verbrennen der Flagge Israels unter Strafe stellt, zu unterstützen, und gegen eine abstrakt-generelle Regelung wäre. – Auch diese Argumentation ist vorgeschoben.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Mal abgesehen davon, dass es inkonsequent und ein fatales außenpolitisches Zeichen wäre, wenn man es zulassen würde, dass die Flaggen unserer Nachbarstaaten wie z. B. die Flagge Polens oder die Flagge Frankreichs damit weiterhin ungeschützt wären.

Der wahre Grund, warum die Linksfraktion nicht zustimmen kann oder will, liegt aber woanders: Insgeheim gibt es innerhalb der Linkspartei und ihrer Vorfeldorganisationen genügend Anhänger, die die Verbrennung der Flagge Israels als eine legitime politische Meinungsäußerung einer aus ihrer Sicht politisch und aus rassistischen Gründen unterdrückten Minderheit, nämlich der Palästinenser, rechtfertigen. Israel wird von Ihnen nämlich als faschistischer Unterdrückungsstaat wahrgenommen – ein Staat, der Grenzmauern errichtet, Grenzen kontrolliert und bereit ist, alles zu tun, um sein Volk, nämlich das jüdische Volk zu schützen.

Dies kann aus Ihrer Sicht in einer multikulturellen, bunten, globalistischen Gesellschaft keinen Platz haben, und deshalb sind Sie bereit, die aus dem Nahen und Mittleren Osten importierte verwerfliche Tradition des Verbrennens ausländischer Flaggen in Deutschland zu tolerieren. – Das ist der Kern des Ganzen, und dafür sollten Sie sich schämen!

[Beifall bei der AfD]