Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz vom 23. Januar 2020 Drucksache 18/2444
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Annahme einer Entschließung Drucksache 18/2236-1
Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. Die Entschließungsanträge der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der FDP liegen Ihnen als Tischvorlage vor.
Die Anhörung der Vertrauenspersonen der Volksinitiative ist gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung von Berlin im Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz
erfolgt. Wir kommen nun zu der nach § 9 Abs. 2 Satz 2 Abstimmungsgesetz vorgesehenen Aussprache im Plenum. Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD und hier der Kollege Buchholz. – Bitte schön!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Liebe Berlinerinnen, liebe Berliner! Viele Menschen haben die Volksinitiative zum Klimanotstand unterschrieben und dies als öffentliche Petition an das Berliner Abgeordnetenhaus gegeben. Ich kann für die Koalition – für SPD, Linke und Grüne – sagen: Wir danken allen, die dort unterzeichnet haben, und wir sagen ganz klar: Wir nehmen diese Herausforderung an, mit Ihnen zusammen auf den Klimawandel zu reagieren und hier die Klimanotlage anzuerkennen als Abgeordnetenhaus von Berlin.
Für uns ist klar: Die fortschreitende Erderhitzung erfordert, dass wir tatsächlich reagieren. Wir können nicht immer nur auf andere Menschen, auf andere Regionen, auf andere Länder verweisen, auch wir tragen unseren Teil Verantwortung als Abgeordnetenhaus, als Land Berlin und jede und jeder einzelne, und das stellen wir auch in diesem Aktionsplan, den wir heute hier vorstellen als Beschlussvorlage für das Parlament, noch mal sehr deutlich heraus. Ich bedaure sehr, dass schon die erste Fraktion, die AfD, bei dem ersten Punkt, nämlich der Anerkennung der Klimanotlage, sagt: Nein, es gibt keinen menschengemachten Klimawandel, wir haben damit alle nichts zu tun. – Wahrscheinlich haben Sie nicht mitbekommen, was auf der Welt passiert, auch nicht, dass die amtliche Statistik für das Land Berlin sagt: Wir hatten jetzt mehrere Rekordsommer. Wir hatten Rekordhitzen. Die Bäume dürsten. Wir hatten im Jahr 2017 Rekordwasser, nämlich fast Überschwemmungen hier im Land. Und das sollte man einfach mal anerkennen. Es ist schade, dass eine ganze Fraktion von dem, was die Wissenschaftler auf der ganzen Welt sagen, keine Notiz nimmt. Es ist ein Armutszeugnis für die AfD-Fraktion und alle, die ihr folgen.
Für uns ist klar: Die Klimafolgenabschätzung muss stattfinden. Das heißt auch, ab sofort, bei Senatsvorlagen an das Abgeordnetenhaus, wenn neue Gesetze vorgelegt werden, wollen wir wissen: Welche Klimafolgen hat diese Vorlage? Und diese Aufgabe wollen wir ernst nehmen, das heißt, nicht nur wie bisher finanzielle Abschätzungen zu machen und weitere, sondern auch zu schauen, welche klimapolitischen Anforderungen die entsprechende Vorlage erfüllen muss. Und das wollen wir hier wirklich ernst nehmen, denn wir wollen nicht nur über Klima
schutz reden, sondern wir müssen handeln, alle gemeinsam. Das heißt eben auch, Klimaschutz kostet Geld. Ja, aber kein Klimaschutz kostet uns alle noch viel mehr Geld. Und deshalb müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir handeln müssen. Es heißt natürlich auch, ökologisch und sozial zu handeln. Ich werde darauf gleich noch eingehen. Was uns sehr wichtig ist: Klimaschutz kann und darf nicht nur für Besserverdienende sein. Jede und jeder soll sich das leisten können. Und das werden wir hier als Koalition unterstützen.
Wird sie ja automatisch! – Herr Kollege! Ich will im Gegensatz zur Fraktion der AfD den menschengemachten Klimawandel ja gar nicht von vornherein in Abrede stellen.
Aber wie erklären Sie sich denn eigentlich, dass seit vielen Millionen Jahren ständig Klimaschwankungen stattgefunden haben, dass z. B. die Polkappen zweimal vollständig geschmolzen waren,
dass wir z. B. zur Zeit der Römischen Republik hier eine wärmere Temperatur hatten? Wollen Sie mir jetzt erzählen, dass die Römer heimlich Auto gefahren sind? Also, ich hätte das schon mal gerne ein bisschen genauer erklärt.
Herr Kollege! Auf diese sehr traurige Frage gehe ich sehr gerne ein. Noch mal zum Verständnis: Es streitet niemand ab, dass es in der Erdgeschichte, die über 5 Milliarden Jahre umfasst, immer wieder extreme Klimaveränderungen gegeben hat; erste Feststellung.
Zweite Feststellung: Es ist völlig unbestritten, dass man das auch alles wissenschaftlich nachweisen kann. Aber die dritte Feststellung ist: Wenn Sie die ganz überwiegende Zahl der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dieser Welt fragen: Was hat sich allein in den letzten
100, 200 Jahren seit Beginn der Industrialisierung, wo die Menschen angefangen haben, in einem massiven Ausmaß fossile Energieträger zu verfeuern, Kohlendioxid, und viele andere Abgase abzugeben und wir in den letzten Jahren wirklich erleben, Herr Krestel: Es saufen Menschen ab auf dem anderen Ende der Welt, und für Sie ist das völlig uninteressant! Ich kann das nicht verstehen.
Es tut mir leid. Haben Sie schon mal von Buschfeuern in Australien gehört? Haben Sie schon mal von den unglaublichen Umweltzerstörungen durch Fracking in Amerika gehört? Viele andere Dinge passieren. Das ist menschengemacht.
Und in der Häufung kann es so eigentlich auch niemand nachweisen, dass es anders sein könnte. Sie und einige Spezialistinnen und Spezialisten der AfD sehen das offensichtlich anders. Das ist sehr traurig. Mehr kann ich dazu wirklich nicht sagen.
Wir wollen und wir werden die Berliner Klimaschutzziele bewusst schärfen und höhere Anforderungen stellen. Wir wollen nicht nur spätestens im Jahr 2050 diese Stadt klimaneutral haben, wir sagen auch, das Klimaziel 2030, in zehn Jahren, heißt: mindestens 65 Prozent weniger CO2 auszustoßen.
Für uns heißt das auch, dass wir das, was wir mit dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm – über 100 Millionen Euro – für Klimaschutzmaßnahmen in diesem Land ausgeben, verstärken wollen, ausbauen wollen – wir werden es wirklich tun.
Wir wollen und wir werden hier Klimabilanzen für jede Verwaltung für das Abgeordnetenhaus vorzulegen haben, für jeden landeseigenen Betrieb, damit jede und jeder das auch nachlesen kann, wo wir eigentlich stehen. Es ist für uns unstrittig, auch das steht hier drin: Wir brauchen endlich eine Verpflichtung zum Bau von Solaranlagen, wenn hier neue Häuser in Berlin errichtet werden.
Es kann doch nicht sein, dass die heute so preiswert sind, dass wir davon Abstand nehmen. Das sind erhebliche Potenziale, übrigens eine wirklich vorhandene, letztlich kostenlose Energie. Warum wollen Sie da nicht zugreifen? Sie holen lieber dreckiges Erdöl aus dem Boden. Das ist doch Irrsinn, was Sie hier sagen. Das ist übrigens eine Energiequelle, die erstens unendlich und zweitens
hier vor Ort produziert wird. Da müssen wir nichts hinterfragen: Wo kommt Erdöl her, wo kommt Erdgas her, aus welchen Quellen? Die sind hier bei einigen besondere Freunde, wo dann unser Erdgas herkommt. Da kann ich Ihnen nur sagen: Davon werden wir komplett unabhängig.
[Frank-Christian Hansel (AfD): Fragen Sie doch mal die polnischen Klimaschützer, die wollen Atomstrom!]
Das ist doch ein großer Wert, auch in der FDP eigentlich. Herr Förster, das müsste Ihnen auch zu denken geben.
Für uns ist auch klar: Wir wollen und wir werden jetzt gesetzlich vorschreiben, denn es kann nicht sein, dass das ein Ergebnis von Ausschreibungen ist, wo wir Glück haben, wenn nachher rauskommt, dass alle Liegenschaften, alle Gebäude, alle Rathäuser, alle Schulen des Landes Berlin nur noch und gesetzlich verpflichtend mit Ökostrom beliefert werden, und zwar der höchsten Güte. Das werden wir festschreiben.
Wir wollen den Gebäudebestand angehen, das heißt für uns in einem neuen Berliner Wärmegesetz auch Ziele definieren, wo und wie wir dort Energie einsparen können. Das soll natürlich, und das wird eine Herausforderung, mietendeckelkonform sein. Ich darf mal dafür werben. Wir als SPD-Fraktion haben gerade auf unserer großen Resolutionsklausurtagung am Wochenende festgestellt:
Für uns gibt es ein großes, einfaches Grundmodell, das so einleuchtend wie effizient ist: Jede und jeder bekommt seinen Grundbedarf an Strom und an Wärme zum halben Preis von seinem Energielieferanten, und das muss der Energielieferant aus seiner eigenen Mischkalkulation heraus darstellen. – Das ist mal ein Vorschlag, damit Leute, die wenig Einkommen haben, ganz bewusst als Erste sparen und jemand, der sehr viel verbraucht, auch besonders viel zahlen muss. Das wäre doch mal was, dafür könnten wir zusammen streiten.