Protokoll der Sitzung vom 05.03.2020

[Beifall bei der CDU und der AfD – Beifall von Paul Fresdorf (FDP) und Holger Krestel (FDP)]

Sie ist das Gegenteil von Offenheit, von Integration und gelebter Kommunikation. Das sollten wir gesetzlich eindeutig regeln, bevor die Fälle an unseren Schulen auftreten

[Beifall bei der CDU und der AfD – Beifall von Paul Fresdorf (FDP) und Holger Krestel (FDP)]

und bevor wir unsere Schulleitungen wieder einmal mit einer Aufgabe alleinlassen, die sie nicht alleine regeln können, weil es gesetzlich nicht eindeutig geregelt ist.

Der Ansatz der AfD besteht darin, der Entscheidung, die CDU-geführte Bundesländer längst ungesetzt haben, zu folgen. Das ist nicht deshalb inhaltlich falsch, nur weil „AfD“ oben drübersteht, zumal die CDU das schon lange in anderen Bundesländern umgesetzt hat. Dann müssen wir es aber auch bitte richtig machen. Wir müssen uns die Mühe machen, konkret die Frage zu beantworten: Welches Gesetz muss wie und wo geändert werden? – Das können wir in den Diskussionen im Fachausschuss tun. Wir würden den angesprochenen § 46 Schulgesetz ändern und dort einen Passus einfügen, der das eindeutig regelt. So machen das andere Bundesländer auch. Das Gleiche gilt für § 44 Berliner Hochschulgesetz; auch dort wäre ein Passus zu ändern.

Der ziemlich schnell zusammengeschriebene Kurzantrag der AfD bringt das alles nicht. Deswegen sollten wir im Ausschuss in Ruhe beraten und einen konkreten, vernünftigen Antrag schreiben, in welchem Gesetz wir was ändern wollen, damit wir gut vorbereitet sind, falls solche Fälle einmal auf unsere Schulen zukommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Abgeordnete Taş jetzt das Wort.

(Dirk Stettner)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahrlich, zu der Frage der religiösen Neutralität des Staates gibt es viel zu diskutieren. Der große Unterschied zwischen unseren Diskussionen und dem Antrag der AfD-Fraktion ist allerdings, dass wir an der Sache orientiert, diskriminierungsfrei diskutieren, während die AfD-Fraktion mal wieder versucht, ein Thema zu instrumentalisieren, um gegen Muslima und den Islam zu hetzen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wo denn, mein Gott?]

Gerade wenige Tage nach Hanau ist es aus meiner Sicht pietätlos.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Oh Mann!]

Jedoch ist es wohl eher mein Verschulden, wenn ich von Mitgliedern der Höcke-Partei Anstand erwarte.

Ihr Antrag strotzt nur von Vorurteilen und Hetze. Plötzlich geht es hier um salafistische Gruppierungen, Frauenunterdrückung und den politischen Islam. Dabei werden Urteile zur Zulässigkeit von Kopftuchverboten zum Anlass genommen, um die Verbotsforderungen hinsichtlich der Vollverschleierung zu bekräftigen. Haben Sie Ihren Antrag überhaupt gegengelesen, oder hatten Sie Frau Beatrix von Storch zu Gast in der Fraktion, die mit der Maus ausgerutscht ist? – Wie auch immer dieser Antrag zustande gekommen ist: Er verwirrt, pauschalisiert und hat nur einen Zweck: das Leben von Muslima in Deutschland zu erschweren.

[Zuruf von der AfD: Quatsch!]

Wenn wir sagen, die AfD mit Leuten wie Höcke ist eine faschistische Partei, dann sind Sie diejenigen, die immer eine Differenzierung einfordern. Dabei können Sie selbst nicht einmal zwischen einem Kopftuch und einem Nikab differenzieren. Das ist peinlich und zeigt mal wieder, dass wir Demokraten und Demokratinnen alles dafür tun müssen, damit diese AfD-Fraktion nicht noch weitere fünf Jahre ihren hochbezahlten Nonsens in diesem Parlament veranstaltet.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Nun zur Sache: Unser höchstes Gericht hat zum Tragen des Kopftuches durch öffentliche Bedienstete bekanntermaßen zwei unterschiedliche Entscheidungen gefällt. Das Kopftuchverbot für eine Lehrerin in Nordrhein-Westfalen wurde für verfassungswidrig erklärt, während das Kopftuchverbot für eine Rechtsreferendarin in Hessen für verfassungskonform erklärt wurde. Der Knackpunkt ist dabei, dass im Bereich des Schulwesens die religiöspluralistische Gesellschaft abgebildet werden soll, während im Bereich der Justiz Vertreter staatlicher Organe klassisch-hoheitlich aufzutreten haben. Allerdings noch ein kleiner Hinweis: Das Bundesverfassungsgericht hat klar entschieden, dass das Kopftuchverbot für Lehrer an Schulen in Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig ist,

während in Hessen entschieden wurde, dass Rechtsreferendarinnen das Kopftuch in den Gerichtssälen bei der Ausübung hoheitlicher Aufgaben verboten werden darf, jedoch nicht muss. Ich finde es durchaus angebracht, zwischen dem Tragen eines Kopftuches und einer Vollverschleierung zu unterscheiden. Zwar sind sowohl das Kopftuch als auch die Vollverschleierung religiös begründet, aber ihre Auswirkungen können unterschiedlich sein. Insofern ist es legitim, darüber zu diskutieren, ob das an der einen oder anderen Stelle handhabbar ist. Diese Diskussionen sind auch in Ordnung, wenn sie diskriminierungsfrei und sachlich ablaufen. Dass die sogenannte AfD sich aber zum Schutzpatron von Frauen stilisiert, ist angesichts der Fakten mehr als lächerlich und zeigt wieder einmal die Doppelzüngigkeit dieser Partei.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Steffen Zillich (LINKE)]

Die Diskussion, wie weit das Tragen eines Kopftuches oder die Vollverschleierung freiwillig oder unter Zwang geschieht, ist müßig. Sicherlich gibt es Einzelfälle, in denen Frauen unter Druck gesetzt werden, Kopftücher zu tragen. Das wird von allen demokratischen Parteien im Parlament gleichermaßen abgelehnt und selbstverständlich auch verurteilt. In der Regel ist das Tragen des Kopftuches jedoch eine Frage der Erziehung und der religiösen Selbstverwirklichung junger Frauen. Hier muss das Recht der Eltern auf eine religiöse Erziehung und das Recht der Frauen auf die Ausübung ihrer religiösen Freiheiten aus meiner Sicht selbstverständlich akzeptiert werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien! Wir überweisen diesen Antrag an die Ausschüsse und diskutieren dort in aller Ruhe und ohne Diskriminierungen, welche Lösung einerseits verfassungskonform ist und andererseits unterschiedlichen Rechtsgrundsätzen und Interessen einer pluralistischen Gesellschaft Rechnung trägt. Wir werden uns von der AfD-Fraktion nicht treiben lassen. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam Lösungen diskutieren werden, die verfassungskonform und gesellschaftlich auch akzeptiert sein werden. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Gott sei Dank!]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Fresdorf das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, das ist ein Thema, über welches wir ohne Schaum vor dem Mund reden sollten und ohne das Tschingderassabum und Täterätätä der AfD-Fraktion, das hier immer so mitschwingt, sondern einfach mal sachlich

ein Sachthema diskutieren, denn das ist bei diesem Thema angemessen und notwendig,

[Beifall bei der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Das hat Bachmann gemacht! – Der hat es nicht gemacht!]

haben wir doch zum Eingang in die heutige Sitzung über Frauenrechte gesprochen, die sich sicher in diesem Thema auch widerspiegeln. Klar müssen wir darüber diskutieren: Ab welchem Alter ist denn das Tragen eines Kopftuches und dann auch folgend eines Nikab überhaupt zulässig? Ab wann sollte so etwas in der Schule überhaupt passieren? Sollte es in der Schule passieren? Ist es die Schule, die wir in Berlin haben möchten, wo Mädchen ab einem bestimmten Alter vollverschleiert sitzen, vielleicht ab der Religionsmündigkeit, ab zwölf, ab vierzehn? Wollen wir das? Wollen wir, dass Schülerinnen dort sitzen, die mit dem Lehrer nicht mehr durch Mimik kommunizieren können, wo man den Gesichtsausdruck nicht mehr erkennt, wo man gar nicht weiß: Ist das die Schülerin, die diese Klausur bei mir schreibt? Wie kann ich das denn würdewahrend überprüfen? – Das sind auch Sachen, die wir uns bei der Hochschule fragen müssen. Ist eine Studentin, die einen Nikab trägt, auch die Studentin, die sich in diesen Kurs eingetragen hat? Ist es sie, die die Prüfungsleistung vollbringt? Wie überprüfe ich würdewahrend die Identität der Studentin? – Das sind Aufgaben, vor die wir Hochschulen stellen, wenn wir dies zulassen. Das müssen wir sachlich diskutieren.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Taş?

Ja, gern!

Bitte schön!

Lieber Kollege Fresdorf! Sind Ihnen persönlich Fälle bekannt, in denen Schülerinnen an Berliner Schulen bis jetzt Nikab getragen haben? Gibt es Beschwerden darüber, die Sie erreicht haben? Gibt es überhaupt Fälle an Berliner Schulen, die Ihnen bekannt sind? Worüber diskutieren wir eigentlich hier?

Herr Taş! Ich danke Ihnen herzlich für diese Frage, denn soweit mir bekannt ist, gibt es in Berlin noch keine Fälle, und wir führen erst mal eine Schattendiskussion.

[Ah! Oh! von der LINKEN und den GRÜNEN – Anja Kofbinger (GRÜNE): Spezialität der FDP!]

Jetzt kommt noch das Aber hinterher. Das Aber ist, dass wir wissen, dass es in anderen Bundesländern schon so weit kam und dass die Schulen dort ein großes Problem hatten, damit umzugehen. Sie hatten keine Rechtssicherheit, wussten nicht: Wie gehe ich mit diesem Thema um? Wie verhalte ich mich richtig? – Es gab keinen Rahmen dafür. Ich denke, es ist an uns als Gesetzgeber in diesem Land, einen Rahmen zu schaffen. Wir haben ein Schulgesetz im Land Berlin, das das aus meiner Sicht noch nicht vollumfänglich regelt. Darüber müssen wir im Ausschuss debattieren: Wo muss nachgebessert werden? Welcher Paragraf ist der richtige? Ist es der vom Kollegen Stettner genannte? Gehen wir vielleicht schon vorher rein? – Das sollten wir uns genauer anschauen. Aber diesen Rahmen haben unsere Schulen verdient, und auch unsere Hochschulen haben verdient, dass sie Rechtssicherheit haben im Umgang damit, denn eines kann ich Ihnen versprechen, lieber Herr Kollege Taş: Ich gehe davon aus, dass uns das Thema in Zukunft irgendwann begegnen wird, und dann bin ich lieber vorbereitet, habe einen Rahmen geschaffen, mit dem dann auch unsere Lehrerinnen und Lehrer und unsere Hochschulen umgehen können. Dann sind wir da rechtssicher und müssen nicht populistische Zwischenrufe kommentieren,

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

wenn wir gemeinsam als Gesetzgeber eine Regelung geschaffen haben. Das ist auch das, was ich an dem Antrag der AfD-Fraktion wirklich kritisiere: Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, einen Vorschlag zu machen, wie man das gesetzlich regeln könnte. Wir sind Gesetzgeber in diesem Haus, und Sie sagen, die Regierung soll es machen. – Die Regierung, die Sie bei jeder Gelegenheit beschimpfen, schlechtmachen, niederreden, soll jetzt Ihre Anträge schreiben? – Das ist doch echt peinlich, wirklich wahr!

[Beifall bei der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Wie bei Tegel, Herr Kollege!]

Lassen Sie uns ernst nehmen, was unsere Aufgabe ist: Gesetze zu machen, das Zusammenleben in dieser Stadt zu regeln, und das ohne Schaum vor dem Mund.

Wir haben noch eine weitere Aufgabe, die vor uns steht: Das Urteil zum Tragen des Kopftuches von Rechtsreferendarinnen wurde schon genannt. Hier hat aber auch das Bundesverfassungsgericht einen klaren Unterschied gemacht zwischen Gerichten und Schulen. Wir müssen uns nun fragen, wie es um die Gerichtsfestigkeit unseres Neutralitätsgesetzes aussieht. Wenn wir weiterhin neutrale Schulen haben wollen, Schulen, wo Lehrer neutral weltanschaulich gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern auftreten, stellt sich die Frage, wie wir das rechtlich sicher machen können. Das ist die zweite Hausarbeit, die wir in diesem Zusammenhang zu erledigen haben

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegen BurkertEulitz?

Mit großer Freude!

Bitte schön!

Lieber Kollege Fresdorf! Haben Sie vielleicht im Vorfeld der Rede, vielleicht auch, nachdem Herr Kohlmeier hier vorgetragen hat, in den § 46 Schulgesetz einmal hineingeschaut, weil Sie die ganze Zeit fordern, dass wir eine gesetzliche Regelung brauchen? Manchmal braucht man keine gesetzliche Regelung, wenn das Gesetz schon Möglichkeiten bietet zu handeln. Dann muss man auch keine gesetzlichen Regelungen machen.

Ja, wenn diese so konkret wäre, liebe Kollegin BurkertEulitz, dass die Schulen auch etwas damit anfangen können, dann sehe ich das auch so. Allerdings gibt es hier durchaus noch Gestaltungsmöglichkeiten. Ich glaube, es ist an uns, hier eine Klarheit zu schaffen. Diese gibt es in diesem Gesetz noch nicht.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Marcel Luthe (FDP): Dringenden Bedarf!]

Das sollte doch aber unser aller Anspruch sein. Wir sollten das Thema im Ausschuss ausgiebig diskutieren. Ich schlage auch vor, dass wir hierzu auch noch einmal eine Anhörung machen,

[Joschka Langenbrinck (SPD): Schon wieder eine Anhörung!]

um uns die Grundlagen durch externes Expertenwissen hereinzuholen. Dabei sind Politiker grundsätzlich gut beraten. Lassen Sie uns gemeinsam, ohne Schaum vor dem Mund, ein Sachthema bearbeiten, was diese Stadt verdient hat, dass es bearbeitet wird. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP und der CDU]