Protokoll der Sitzung vom 05.03.2020

[Beifall von Florian Kluckert (FDP)]

Finde ich auch gut, wenn das klappt! – Der Kulturausschuss hat nun in guter Absicht eine veränderte Fassung beschlossen, der wir im Hauptausschuss nicht gefolgt sind, weil die allgemeine Forderung, dass sich der Senat für die Griessmühle einsetzen soll, schlichtweg schon erfüllt ist. Insofern kann damit auch kein Präzedenzfall geschaffen werden, Herr Goiny, weil die Forderung an der Stelle so allgemein ist, dass Sie das nicht erfüllen können.

[Christian Goiny (CDU): War ja Ihr Änderungsantrag!]

Es hilft der Griessmühle kein Stück weiter, wenn wir Dinge beschließen, die bereits in der Umsetzung sind. Es ist daher schlicht eine Frage der Vernunft, dem Antrag auch in der geänderten Fassung nicht zuzustimmen. Es bleibt wichtig, dass wir uns gemeinsam für die Griessmühle und für eine vorausschauende Liegenschaftspolitik einsetzen, aber das tun wir nicht, indem wir uns in einem Überbietungswettbewerb ergehen, wer am häufigsten oder am lautesten schreit, ob er diesen oder den nächsten

Club retten will. In diesem Fall gilt umso mehr: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. – In diesem Sinne wünsche ich allen, die daran beteiligt sind, viel Erfolg. – Danke!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Neuendorf das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Klar ist, dass die Griessmühle kein Einzelfall ist. Wenn heute ein Club schließen muss, ist es schwer, neue Räumlichkeiten zu finden. In einstigen Ausgehbezirken wie Mitte oder Prenzlauer Berg gibt es mittlerweile deutlich weniger Clubs. Der viel genutzte Terminus Clubsterben ist gemessen an der bestehenden Gesamtzahl an Clubs jedoch irreführend. Wenn ein Club an seinem angestammten Ort schließen muss, kann das bedauerlich sein. Im Falle der Griessmühle ist das so. Aber Anträge für einzelne Clubs hier im Parlament sind nicht der richtige Weg. Herr Goiny, selbst wenn Ihr Antrag eine Mehrheit finden würde, so hätte das noch lange nicht zur Folge, dass der Senat eine Immobilie, ein Grundstück aus dem Ärmel schüttelt. Und wie soll es weitergehen, falls der Sage-Club oder KitKat Probleme bekommen? Wie ist es dann?

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Wollen Sie Rot-Rot-Grün links überholen? Staatliche Planwirtschaft speziell für ausgewählte Clubs? Was kann Kulturpolitik leisten? – Das Land Berlin stellt bekanntlich finanzielle Mittel für den Schallschutzfonds bereit, mit dem Clubs bei Lärmproblemen unterstützt werden. Damit werden die allgemeinen Rahmenbedingungen für Clubs durchaus verbessert. Das freut auch die Anwohner.

[Beifall bei der AfD]

Wir sagen: Staatliches Eingreifen und staatliche Regulierung müssen hier die Ausnahme bleiben. Und durch parteipolitische Unterstützung ist noch kein Club attraktiver geworden.

[Beifall bei der AfD]

Und ob Ihre Klientelpolitik Ihnen Wählerstimmen bringen wird, ist doch sehr fraglich. Erschreckender als das Ende eines Clubs ist die Vorstellung, Vater Staat müsse immer und überall eingreifen.

[Beifall bei der AfD – Joschka Langenbrinck (SPD): Schwachsinn!]

Clubs leben vom Flair der Unabhängigkeit und von der Einzigartigkeit des Augenblicks. Es zählt der Moment und nicht das Wissen, dass es diesen Club in derselben

(Christian Goiny)

Form auch noch in 20 Jahren gibt. Den Wandel, den Berlin gerade erlebt, haben andere Metropolen bereits hinter sich, ohne dass dadurch ihre Attraktivität verlorengegangen wäre. Szenen und Subkulturen wandern durch die Stadt und Region. Darin ist auch eine Chance zu sehen, die Attraktivität der Außenbezirke zu erhöhen. Ebenso gibt es den Trend zu Mini-Raves im Land Berlin.

Herr Kollege! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage von Frau Dr. West zulassen.

Dann halten wir die Zeit an. – Bitte schön, Frau Dr. West!

Sie werden mir ja sicher zustimmen, dass Sie wahrscheinlich auch dagegen sind, dass sich der Staat in die Wirtschaft einmischt und Unternehmen staatlich lenkt. Insofern wäre meine Frage, ob Sie denn dann auch gegen Wirtschaftsförderung sind in der Logik?

Bitte schön!

Gegen Wirtschaftsförderung im Allgemeinen bin ich natürlich nicht. Nur, hier ist auch jeder Betreiber eines Clubs wirtschaftlich für seine Dinge verantwortlich. Und es ist nicht einzusehen, dass der Staat in besonderem Maße hier eingreift.

Kritisch sehen wir vor allen Dingen auch das Anliegen, Clubs rechtlich den Kulturstätten gleichzustellen, Theatern und Opern. Dafür ist die Clublandschaft zu unterschiedlich. Bei einem Teil der Clubs ist ein künstlerischer Anspruch durchaus gegeben. Es erschließt sich mir aber nicht, warum Clubs mit einem Angebot aus Darkroom, Drogenexzessen und nicht immer nachvollziehbaren Türsteherpraktiken besonders schützenswert seien.

[Beifall bei der AfD]

Der Club Griessmühle hat eine temporäre Bleibe in der Alten Münze und in dem Polygon-Club in Lichtenberg gefunden. Wir wünschen den Betreibern des Clubs viel Erfolg und das nötige Quäntchen Glück für die Zukunft, vielleicht auch im Bereich Neukölln. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Dr. Nelken das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe jetzt mal davon aus, dass der CDU-Antrag kein Schaufensterantrag war, sondern ernst gemeint, weil das Grundproblem für die Griessmühle und viele andere Kulturstätten ja fortbesteht: Der Immobilienmarkt zerstört ihre Existenz; nicht der Markt, sondern die Marktakteure und deren rücksichtslose Profitsucht.

[Zuruf von der AfD: Oh!]

Die CDU will also zeigen, dass ihre Abkehr vom Neoliberalismus und der Verhimmelung des Marktes und von Profit ernst gemeint ist, und jetzt ruft sie: Lieber Staat! Schütze die Griessmühle und andere Clubs vor dem wilden kapitalistischen Markt! – Denn die Griessmühle ist nicht Opfer von irgendwelchen behördlichen Auflagen. Die Griessmühle ist nicht Opfer von planungsrechtlichen Dogmatikern in irgendwelchen Bauämtern oder von lärmsensiblen Nachbarn, sondern ausschließlich das Verwertungsinteresse des Grundstückseigentümers bzw. des Investors hat die Griessmühle um den Standort gebracht, genau besehen. Und deswegen haben wir im Kulturausschuss den Antrag ändern wollen. Der CDU-Antrag wollte nicht sagen: „Stoppt die Profiteure!“, sondern er wollte sagen: „Gebt den Opfern dieser Politik Asyl auf landeseigenen Flächen!“ – Das ist aber, werte Kollegen von der CDU, das falsche Signal. Es ging darum, die Griessmühle an ihrem Standort zu erhalten.

Lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Förster zu?

Aber sicher!

Bitte schön, Herr Kollege Förster!

Herr Dr. Nelken, ich wollte Sie fragen: In dem Fall geht es ja um die österreichische Sparkasse bzw. deren Immobilientochter. Ist die für Sie die Ausgeburt des Neoliberalismus und Turbokapitalismus?

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Herr Förster! Wenn es um Immobilienwirtschaft geht, kann man ja sagen: Es gibt verschiedene Akteure. Aber

(Dr. Dieter Neuendorf)

wenn jemand sein eigenes Grundstück besser verwerten will und damit eine angestammte Kultureinrichtung vertreibt, dann kommt es nicht auf die Gesinnung des Eigentümers an. Er macht genau das Gleiche.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Insofern geht es hier einfach darum, wie auf dem Markt Akteure – ob es Privatpersonen sind, Immobilienfonds oder meinetwegen auch Fonds von Sparkassen – agieren. Wir kennen auch Berliner Fonds von Berliner Sparkassen, die sich hier auf dem Immobilienmarkt sehr eigenwillig benehmen und benommen haben.

Zurück: Die Notlösung – da muss ich mich über Ihre Rede wundern, Herr Goiny, weil Sie gesagt haben, der Senat hat gar nichts gemacht, es hat niemand etwas gemacht – aber die Notlösung für die Griessmühle, wo der Senat sich engagiert hat und auch vorübergehende Unterkunft für die Teile der Griessmühle, ein bestimmtes Angebot in der Alten Münze geschaffen hat, das ist natürlich keine Lösung. Es geht eben nicht darum, eine Staatsarche zu schaffen – wie ich hier so das Gefühl hatte –, eine Rettungsinsel, auf der die bedrohten Clubs, die von privaten Immobilien und dem Markt vertrieben werden, aufgefangen werden. Es geht um den Erhalt der kulturellen Vielfalt überall in der Stadt. Man muss ihn überall sichern. Das heißt, man muss – da führt nichts drum herum – die Marktgeschehen steuern, wenn man die kreative Vielfalt sichern will, wenn man Freiräume in dieser Stadt sichern will, dann führt nichts daran vorbei, dass man regulierend in den Markt eingreift.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Sonst funktioniert das Gemeinwesen nicht, werte Kollegen von der CDU. Und wenn Sie einen Blick auf die Liste, Herr Goiny, der geschlossenen Clubs der letzten Jahre werfen: Sie werden dort fast ausschließlich, bis auf eine Ausnahme, stets ein Problem finden, das hinter der Schießung stand: dass der Grundstückseigentümer oder ein Nachbargrundstückseigentümer sein Grundstück besser verwerten wollte. Das ist der zentrale Grund, warum Freiräume und Kultureinrichtungen vertrieben werden.

Die Fragen, die Sie eben noch einmal angesprochen haben, baurechtliche oder lärmschutzrechtliche Probleme, die sind nicht gelöst. Die müssen wir noch angehen. Wir werden dies als diese Koalition auch kurzfristig machen. Aber eins ist klar: Das eigentliche Problem liegt woanders, nicht auf diesem Gebiet. Es ist vielleicht, sage ich jetzt mal zum Schluss, eine wirklich tröstliche Schlussfolgerung, wenn die CDU Berlin und auch die FDP Berlin einsehen, dass nicht der Markt alles zum Wohle der Allgemeinheit regelt, sondern dass man Profitegoismus begrenzen muss, dass Politik im Interesse des Gemeinwesens eingreifen muss, dann hat vielleicht dieser Fall Griessmühle auch noch neben dem vielen Misslichen eine gute Seite: Unsere Marktradikalen lernen dazu, dass man

steuern muss, wenn man das Gemeinwesen erhalten will. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Dazu möchte der Kollege Goiny von der CDU-Fraktion eine Zwischenbemerkung machen. – Bitte schön!

Zu Ihren sozialistischen Wirtschaftsthesen kann man eigentlich fast gar nichts sagen, Herr Kollege. Das können Sie besser in Ihren Strategieforen zusammen mit irgendwelchen Schießbefehlen und Arbeitslagern vielleicht diskutieren. Aber einen Zahn will ich Ihnen schon mal ziehen: Wir haben bewusst die Liegenschaftspolitik im Land Berlin geändert in der letzten Wahlperiode, um einen Beitrag dazu leisten zu können, dass wir auch mit landeseigenen Immobilien für wichtig erkannte Bedarfe in dieser Stadt ein bisschen unterstützen können. Und da weigern Sie sich an dieser Stelle. Oder Sie sagen, Clubkultur ist kein wichtiger Bedarf. Sie reden über Dinge, die gar keine Rolle spielen. Unser Antrag war zu sagen: Sucht doch mal eine landeseigene Fläche, um hier zu helfen! – Jetzt können Sie sagen, so wie der Kollege Zillich: Wir können ja nicht überall helfen, und da schon gar nicht; dann lassen wir es doch lieber gleich sein. – Oder aber Sie sagen: Es ist nicht prioritär genug. Im Übrigen stimmt es auch überhaupt nicht, dass der Senat geholfen hat. Dass die in der Alten Münze sind, hat mitnichten etwas mit dem Senat zu tun. Die kennen halt die anderen Partyveranstalter, die da schon drin sind, und haben die gefragt, ob die ihnen einen Teil der Räumlichkeiten und Termine für ihre Partys überlassen. Das hat null mit dem Senat zu tun. Fazit ist: Rot-Rot-Grün, Parlament wie Senat, hat bisher nichts getan, um der Griessmühle zu helfen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]