Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass ich hier an diesem Pult stehe und dem Kollegen Albers mal recht gebe, ist eine Seltenheit, aber Sie haben tatsächlich recht,
denn als ich den Antrag gelesen habe, habe ich zuerst gedacht: Das kann doch kein CDU-Antrag sein. Da muss doch eigentlich „Die Linke“ darunter stehen.
Tatsächlich ist es der gleiche Duktus, wie Sie mit Enteignungen bei Wohnungsgesellschaften vorgehen wollen.
Wenn ich mir mal die Geschichte mit der Schutzausrüstung und dem Schutzmaterial angucke, ist das wirklich eine Trauergeschichte nicht nur in fünf Akten, sondern in ziemlich vielen Akten. Da war die Fehleinschätzung von Jens Spahn nicht die einzige. Wir mussten leider erleben, wie der Gesundheitsminister und auch das ihm untergeordnete Robert-Koch-Institut, das nicht unabhängig ist, eine Fehleinschätzung nach der anderen getroffen haben. So hat das Robert-Koch-Institut nicht rechtzeitig auf die Gefahr aufmerksam gemacht, und auch Jens Spahn hat es versäumt, die Gefahr zu erkennen, und er hat es nicht geschafft, Schutzmaterial einzukaufen. Das ist einfach eine Tatsache. Wenn man damals schon die Schutzausrüstung besorgt hätte, Herr Zeelen, dann wäre man gar nicht erst in dieses Problem hineingeraten, dass am Ende den Ärztinnen und Ärzten, den Pflegerinnen und Pflegern diese wichtige Schutzausrüstung fehlt. Das war ein Versäumnis des Bundesgesundheitsministers.
Machen wir uns doch mal ehrlich: Bei der Schutzausrüstung haben sich viele nicht mit Ruhm bekleckert, auch in diesem Senat nicht, wenn ich mal zu meiner rechten Seite schaue. Aber während sich alle möglichen Akteure des Gesundheitswesens den Schwarzen Peter hin- und hergeschoben haben, haben clevere Unternehmer die Zeit genutzt und die Schutzausrüstung diesen Leuten einfach unter den Händen weggekauft. Das finde ich moralisch verwerflich, das gebe ich auch ehrlich zu. Ich finde das nicht in Ordnung, dennoch muss man sich mal die Frage stellen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass der Gesundheitsminister, der dafür zuständig ist, so eine Gefahrensituation zu erkennen, diese eben anscheinend nicht rechtzeitig erkannt hat und Unternehmer es geschafft haben, diese Situation besser einzuschätzen als er.
Wir sollten auf jeden Fall nach Corona die Zeit nutzen, uns Gedanken zu machen, wie man auch an Schutzausrüstung so herankommt, dass sie jederzeit verfügbar ist, aber das bezieht sich nicht nur auf die Schutzausrüstung. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass auch lebenswichtige Medikamente wieder in Europa produziert werden müssen, dass wir uns hier nicht von chinesischen Märkten abhängig machen.
Aber die Beschlagnahmung – das sorgt für Unsicherheiten auch bei Unternehmen, die hier vielleicht gern so etwas produzieren würden. Wenn diese Unternehmen wissen, dass sie sich hier auf den Rechtsstaat nicht verlassen können und im schlechtesten Fall ihnen die Produkte aus den Lagern heraus beschlagnahmt werden, dann sorgt so etwas eher für Verunsicherung, als dass es den Wirtschaftsstandort Deutschland oder Berlin stärken würde. Ich würde vorschlagen, wir sollten uns tatsächlich mal mit der Wirtschaft darüber unterhalten. Gucken Sie
doch mal weiter hinaus: Wie hat Taiwan es gemacht? – Taiwan ist sehr dicht an China dran und hat von China keine Schutzausrüstung gekriegt. Daraufhin ist man nach Deutschland geflogen und hat hier das Material gekauft, um dort 66 Produktionsstraßen aufzubauen, und kann 10 Millionen Schutzmasken am Tag herstellen. Das hat innerhalb von wenigen Wochen geklappt. Ich frage mich: Warum geht so etwas in der Industrienation Deutschland nicht?
Ich bin noch ein bisschen vor meiner Zeit. Deswegen will ich die Rede noch nicht beenden, sondern mal bei Taiwan bleiben. Das ist jetzt außerhalb meines Redekonzeptes.
Ich war nämlich vor zwei Jahren mit ein paar Kollegen von der CDU und aus meiner Fraktion in Taiwan. Wir konnten uns diese großartige Republik angucken. Ich glaube, es hat uns alle beeindruckt, wie dieses Streben nach Freiheit den Menschen dort zu Energie verhilft, diese Freiheit auch immer zu erkämpfen. Seitdem wir dort waren, bin ich mit einer Bar, mit einer Diskothek, auf Facebook connected, und ich habe letztes Wochenende im Livestream gesehen, dass in Taiwan, obwohl es so dicht an China dran ist, das normale Leben in den Diskotheken schon wieder weitergeht. Das hat mir relativ viel Hoffnung gegeben, dass, wenn man möchte, der Lockdown schneller beendet werden kann, als man denkt. Dieses Hoffnungssignal hätte ich auch heute vom Senat erwartet. – Vielen Dank!
Für die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen hat jetzt Frau Pieroth das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Plauderstündchen ist jetzt zu Ende. Wir kehren zurück zur Sache. – Corona bringt uns manchmal an unsere Grenzen. Die FDP will die Lufthansa verstaatlichen. Die Koalition will ein Wohnungsnotgesetz. Wo sind unsere Grenzen? Das meint auch die Grenzen des Machbaren.
Da stellt sich mir gleich die nächste Frage: Wie weit dürfen wir von politischer Seite eingreifen und Freiheitsrechte einschränken? – Da sind wir bei dem Antrag der CDU-Fraktion. Niemand schränkt Freiheitsrechte leichtfertig ein. Jede Verordnung, die in diesen Wochen erlassen wurde, ob nun die Abstandsregelung, das Verbot von
Versammlungen oder die Schließung von Kitas, Schulen und Museen, wurde sehr sorgsam abgewogen und im Sinne der Verantwortung für uns Berlinerinnen und Berliner beschlossen. Verantwortung tragen wir in erster Linie für die gesundheitliche Versorgung und für den Gesundheitsschutz, und deswegen ist ein Gesetz, das die medizinische Versorgung im Falle eines Gesundheitsnotfalls regelt, grundsätzlich richtig. Aber wenn ich mir das genau anschaue, Herr Dregger, dann muss ich sagen, dass Sie mit Ihrem Antrag die Grenzen nicht wahren. Sie gehen über die Grenzen dessen, was ein Gesetz regeln kann bzw. was ein Gesetz regeln sollte, hinaus.
Stellen wir uns einmal die Ärztin von Herrn Isenberg vor. Sagen wir, sie ist Orthopädin. Sie hat Medizin studiert und verfügt damit formal über das Fachwissen zur Behandlung von Covid-19-Patienten. Sie arbeitet aber schon seit 30 Jahren nicht mehr im Krankenhaus. Vielleicht meldet sie sich aus gutem Grund nicht für einen Einsatz. Es könnte ja sein, dass es ihr das Verantwortungsgefühl den Patientinnen und Patienten gegenüber verbietet. Oder ein Pfleger mit entsprechender Ausbildung, der aber seit vielen Jahren in einem anderen Kontext arbeitet und dort Menschen unterstützt, die ebenfalls auf seine Hilfe angewiesen sind. Beide hätten theoretisch die Fähigkeit, in der Notlage zu helfen. Beide machen es nicht. Vielleicht trauen Sie es sich nicht zu, vielleicht können sie es nicht. Wir wissen es nicht. Meinen Sie, Herr Dregger, Sie und ich haben das Recht, uns über die Gewissensentscheidung dieser Frau, dieses Mannes hinwegzusetzen? Meinen Sie, es ist im Sinne eines guten Gesundheitssystems, Menschen zum Dienst am Menschen zu zwingen? Dürfen wir das? Wollen wir das? Und mal ganz ehrlich: Möchten Sie von einer Ärztin, einem Arzt behandelt werden, der auf Intensiv befohlen wurde? – Ich glaube nicht, dass wir das dürfen oder sollten. Ich bin nicht die Einzige, die vermutet, dass es einen Grund gibt, warum das Infektionsschutzgesetz des Bundes diese Frage eben nicht regelt.
Das Bayerische Infektionsschutzgesetz dagegen, dass hier offenbar Pate stand, sieht genau das vor. Da ist Herr Söder, ganz Mann der Stunde in der Not, im März vorgeprescht. Doch möglicherweise ist der bayerische Ministerpräsident genau da an seine Grenzen gestoßen, denn es sieht wirklich so aus, als sei das Gesetz nicht verfassungskonform. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat vor zwei Wochen darauf hingewiesen. Ob das am Ende tatsächlich so ist, werden Gutachterinnen und Gutachter prüfen, und ich will hier mit Ihnen auch keine juristische Debatte beginnen. Ganz im Gegenteil: Ich möchte mit Ihnen auf die andere Seite dieser Grenze schauen, also dahin, wo die Verantwortung liegt, wo Ihr und mein Arm hinreichen. Es gibt da so viele Fragen, auf die wir eine Antwort finden müssen.
Wir haben so viel über Kinder gehört in den letzten Tagen. Herr Prof. Drosten beispielsweise hat noch mal darauf hingewiesen, wie wenig wir noch über Kinder und
ihre Rolle in der Pandemie wissen. Was ist mit den älteren Menschen? Ich meine z. B. die Menschen, die in Krankenhäusern, im Pflege- und Altersheim oder auch zu Hause seit Wochen ohne Besuch ausharren. Was haben wir diesen Menschen außer Restriktionen zu bieten? Was wir brauchen, Herr Dregger, ist neben den Regeln auch Vertrauen in die Menschen, und eigentlich kennen wir das so. Haben diese Stadt und wir alle gemeinsam nicht in den letzten Wochen gezeigt, was wir können? Hätten Sie es für möglich gehalten, dass Berlin, also die Berlinerinnen und Berliner, über einen so langen Zeitraum ihre Aktivitäten einfach herunterfahren? Das ist nur gelungen, weil wir Regeln und Verordnungen mit Vertrauen verbinden konnten. Dafür müssen wir die Grenzen immer im Blick behalten. Es lohnt sich, dass wir als Parlament uns an freiheitliche, selbstbestimmte Bürgerinnen und Bürger richten, und genau das werden wir auch weiterhin tun. – Danke schön!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Die lfd. Nrn. 3.4 und 3.5, die Prioritäten der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, wurden bereits behandelt.
In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. – Herr Abgeordneter Scheermesser hat das Wort. – Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Es macht uns unglaublich fassungslos, was in dieser Stadt durch Rot-Rot-Grün mit dem Sport geschieht oder in diesem Fall nicht geschieht, in dieser Ausnahmesituation,
wo gerade durch den Sport der Gesundheitsnutzen und die positiven Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens wissenschaftlich in mannigfaltiger Form nachgewiesen sind. Alles, was dieser Senat geliefert hat, sind Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten.
So liegen dem Senat längst die Konzepte vom Landessportbund – LSB –, vom Deutschen Olympischen Sportbund – DOSB –, Vereinen und kommerziellen Sportanbietern vor. Gerade kommerzielle Sportanbieter haben dabei sehr detaillierte Konzepte vorgelegt, die weit über die Konzepte des LSB oder des DOSB hinausgehen, sowie Anträge zur Sonderöffnung gestellt. Ich habe hier einen ganzen Packen davon, Herr Senator Geisel. – Bitte schön!
Aber nur Profivereine wie Hertha BSC und Union oder auch ein Boxstall wie Agon dürfen wieder trainieren. Selbst der Schulsport soll nach freiem Ermessen bald möglich sein. Mit dem Rechtsstaat und dem Gleichbehandlungsgrundsatz hat das nichts mehr zu tun. Ein entsprechendes Konzept der Verhältnismäßigkeit vom Senat? – Fehlanzeige! Die Berliner Sportlandschaft besteht nicht nur aus Vereinen im Amateur- und Profibereich, sondern fast die Hälfte aller sportreibenden Berlinerinnen und Berliner nimmt das Angebot kommerzieller Sportanbieter wahr. Das sind Hunderte Ballett-, Kampf-, Tanz-, Yoga-, Schwimm- und Tauchschulen, Fitnessstudios und viele andere wie auch z. B. Pächter von Freibädern. Daran hängen Tausende Arbeitsplätze und freiberufliche Existenzen. Der Rettungsschirm I und II mit insgesamt 14 000 Euro für drei Monate reicht da bei weitem nicht aus. Viele Schulen zahlen bei 1 000 Quadratmeter Fläche 12 bis 15 Euro pro Quadratmeter Miete im Monat. Damit überstehen sie genau einen Monat. Spätestens Mitte nächsten Monats kommt für viele das Aus mit unabsehbaren Folgen für alle Beteiligten. Und wenn der Staatssekretär für Sport die kommerziellen Sportanbieter als unsoziale Arbeitgeber bezeichnet,