Protokoll der Sitzung vom 14.05.2020

[Zuruf von der SPD: Sie reden nicht zur Sache!]

Herr Abgeordneter Wild! Ihre Redezeit ist zu Ende

Ich bin übrigens der Meinung, dass die Deutschen mehr Kinder brauchen. – Danke schön!

[Zurufe]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Vorabüberweisungen wurden zu Beginn des Tagesordnungspunktes bekanntgegeben.

Die Tagesordnungspunkte 20 und 21 stehen als vertagt auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 22:

Eine Landeszentrale für digitale Bildung errichten

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2522

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. Das Wort hat der Abgeordnete Schlömer. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In dieser Legislaturperiode einen Antrag mit einem Vorhaben im Bereich der Digitalisierung einzubringen, ist nicht einfach, denn der Misserfolg scheint oftmals vorprogrammiert. Beispiel Berliner Schulen: sehr wenig Digitalisierung, keine Infrastruktur im Bereich Glasfaser, kein WLAN und keine zukunftsfähige Schulcloud. In der Verwaltung ein ähnliches Bild: keine Laptops, nicht genügend Internetkapazität und weit und breit keine elektronische Akte. Aber wir wollen nicht aufgeben. Berlin braucht frische Ideen, und wir wollen Berlin zur Hauptstadt bester Bildung machen, hier mit einem Antrag zur Landeszentrale für digitale Bildung.

Sie ist dringender denn je, denn die Coronapandemie zeigt uns im Digitalen eines: Desinformationen und Verschwörungstherorien, die durch das Netz geistern, sind immanent. Sprachnachrichten mit verheerenden Falschinformationen erreichen uns auch als Politiker und lassen uns nicht selten verzweifeln. Die Krise um Corona zieht eine weitere Krise mit sich, eine sogenannte Verschmutzung der Information. Nicht nur, dass Sprachinformationen mit falschen Informationen ohne Wissen um die Quelle einfach bedachtlos weitergeleitet werden und Menschen verunsichern. Nein, wir sehen auf Youtube, Twitter, Telegram, Instagram und Facebook zahllose und wilde Spekulationen, was die Bundesregierung und der Senat vermeintlich vor uns verbergen wollen. Die Desinformation grassiert. Desinformationen sind eine enorme Gefahr für unsere liberale Demokratie und für unsere Gesellschaft. Ihr Ignorieren ist falsch.

[Beifall bei der FDP]

Nicht nur das; Informationsverschmutzung ist für jeden gefährlich. Das permanente Zweifeln, Hinterfragen in ohnehin schon unsicheren Zeiten ist eine enorme mentale Belastung. Sinkt die psychische Gesundheit, wird auch das Immunsystem geschwächt.

Aber wie können wir Berliner und Berlinerinnen künftig widerstandsfähiger vor solchen Desinformationen machen? – Eine gut konzipierte digitale Bildung von professionellen Fachleuten könnte hierfür ein wichtiger Baustein sein – aber natürlich nur einer. Wir müssen diejenigen dringend mit digitaler Bildung erreichen, die schon längst nicht mehr im Schulsystem vorhanden sind. Lebenslanges Lernen ist hier das Stichwort. Wir müssen die Erwachsenenbildung stärken. Die Herausforderungen sind dabei gewaltig. So konnte zum Beispiel eine Studie aus den USA zeigen, dass Menschen über 60 Jahren siebenmal häufiger Desinformationen teilen als Menschen unter 29 Jahren. Wir schlagen daher vor, eine Landeszentrale für digitale Bildung einzurichten, analog dem Beispiel der Landeszentralen für politische Bildung. Diese soll helfen, Menschen jeden Alters zu mündigen und aufgeklärten Bürgerinnen und Bürgern zu machen,

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Fresdorf! –

[Heiterkeit]

die die Digitalisierung nicht bloß himmelhoch jauchzend begrüßen, sondern auch kritisch hinterfragen können, sich selbst ein Bild machen können, auch um Politik und ihre Vorhaben im Digitalen besser zu verstehen, um neue Technologien besser zu ergründen und Desinformationen leichter erkennen zu können. All das muss Teil des Bildungsprogramms einer solchen Landeszentrale sein.

Wir leben in einer schwierigen Zeit. Lassen Sie uns lernen, wie wir in allen Bereichen besser werden können, um eine robuste, selbstbestimmte, liberale und freie Gesellschaft zu erhalten, eine liberale Gesellschaft mit humanistischem Weltbild, die solidarisch zusammenhält, gegen das Virus der Desinformation, eine Gesellschaft, die einander aufklärt und Wissen teilt. Dafür lohnt es sich zu streiten – mit einer Landeszentrale für digitale Bildung.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Stimmen Sie unserem Antrag zu! – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt das Wort Frau Dr. Czyborra. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Die Auseinandersetzung mit dem reinen Antragstext ist relativ übersichtlich – das ist ein Satz. Wir sollen eine Landeszentrale für digitale Bildung gründen.

Wir müssen uns also mit der Begründung beschäftigen, wenn wir herausfinden wollen, was das soll. Da steht ganz viel absolut Richtiges drin. Auch gegen die Problembeschreibung des Kollegen Schlömer kann man gar nicht viel sagen.

[Paul Fresdorf (FDP): Na?]

Wie wesentlich die Beschäftigung mit unserer Demokratie und den Grundlagen unseres Zusammenlebens und der Gestaltung auch der Krisenbewältigung ist, haben wir in der letzten Rederunde in verschiedenen Redebeiträgen sehr eindrucksvoll vor Augen geführt bekommen, und wie wichtig es ist, diese Debatten zu führen und dass diese Debatten auch verstanden werden, nicht nur von einigen Rechtswissenschaftlern hier im Saal, sondern von Menschen überall in unserem Land. Das ist völlig klar.

Wie gesagt, die Problembeschreibung ist richtig. Zum Teil geht es richtig ans Herz. Man hat das Gefühl, es ist eine Menge Kenntnis und eine Menge Betroffenheit da

hinter bei den Begriffen wie Cybermobbing, wo wir schon versucht haben, bessere Beratungsstrukturen zu schaffen und so weiter.

Was mir allerdings nicht klar geworden ist und wofür ich keine Begründung in der Begründung gefunden habe, ist, warum die FDP glaubt, diese ganzen Probleme ausgerechnet mit der Gründung einer neuen Behörde meistern zu können. Vieles von dem, was hier drinsteht, gehört zum Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung, die hier angerissen wurde. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung kümmert sich um eine ganze Reihe dieser Themen, wenn man da mal auf die Seite geht.

Wir haben auch viele andere Institutionen. Für die Erwachsenenbildung haben wir die Volkshochschulen. Wir haben die Zentrale Landesbibliothek, und so eine Zentrale, an der man vieles von dem, was hier gefordert wird, hätte tun können: den Zugang zu digitalem Wissen, den Umgang lernen, Zugang zu Medien, auch zu Geräten, vielleicht sogar Leihsysteme für die, die sie sich nicht leisten können. Das soll eigentlich unsere Zentrale Landesbibliothek leisten. Da wollten wir mal eine ganz große, tolle Bibliothek bauen. Das ist leider verhindert worden.

[Paul Fresdorf (FDP): Wer war das noch mal?]

Jetzt sind wir dabei, tatsächlich die Möglichkeiten zu erweitern. Wir haben also eine ganze Reihe Institutionen; wir haben die Landeszentrale für politische Bildung, die genau den Auftrag hat, hier Grundlagen zu schaffen.

Dass wir viel zu tun haben, insbesondere im Bereich der digitalen Bildung – da sind wir, glaube ich, gar nicht so weit voneinander entfernt. Da müssen wir viel tun in den Schulen. Da müssen wir uns noch viel Expertenwissen reinholen, das wir in dieser Stadt haben. Wir haben das Zuse-Institut, wir haben das Einstein-Zentrum „Digitale Zukunft“. Wir haben hier unfassbar viel Wissen, und wir müssen dieses Wissen besser in unser politisches Handeln einbinden – auch da haben wir gar keinen Dissens –, aber ich glaube, nicht wirklich in einer neuen Behörde.

Wir müssen die Landeszentrale für politische Bildung in der Hinsicht noch besser aufstellen. Wir haben da eine ganze Menge mehr Geld reingegeben; die war jahrelang ziemlich unterfinanziert. Wir suchen einen neuen Standort, damit sie in dieser Riesenstadt besser wirken kann. Was das Digitale angeht, können wir da bestimmt noch verstärken. Ich freue mich auf die Unterstützung der FDP in den Haushaltsberatungen, um da noch viel mehr zu tun. Ich möchte allerdings dann auch wissen – wenn Sie hier immer so schöne Anträge schreiben –, was der Staat noch alles tun soll und wie viele Behörden wir noch gründen sollen; wie wir dann auch die Steuerbasis schaffen, um all das zu erreichen, was Sie von uns haben wollen.

(Bernd Schlömer)

[Paul Fresdorf (FDP): Da brauchen Sie die richtigen Partner!]

Wie gesagt, wir haben hier eine Menge zu tun. Wir brauchen ein Erwachsenenbildungsgesetz, wir brauchen ein Weiterbildungsgesetz in Land und Bund. Wir müssen uns über Themen wie lebenslanges Lernen unterhalten, wir müssen uns über die Stellung der Universitäten in dem Bereich unterhalten, und wir müssen gucken, was bei den Volkshochschulen besser werden muss. Wir sind gerade in einem großen Labor und machen alle interessante Erfahrungen damit.

Wir haben also viel in Berlin; wir haben in dem Bereich viel zu tun. Die Demokratiebildung, die Sie ansprechen, ist natürlich ganz zentral wichtig. Allerdings frage ich mich, was denn nun bei der Frage der Auseinandersetzung mit demokratischen Grundlagen so anders ist, ob ich das analog oder digital tue. Es sind doch verschiedene Zugänge zum gleichen Thema, und da gehe ich entweder hin und hole mir ein Buch, oder ich gehe in die Veranstaltung, oder ich mache es digital. All diese Fragen von Cybermobbing, aber auch von Desinformation, von FakeNews werden dort bearbeitet. Insofern freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss, wie wir an den Problemen, die Sie richtig beschreiben, weiterarbeiten können; aber ich glaube, eine neue Behörde mit allem, was dazu gehört, brauchen wir nicht zur Lösung dieses Problems. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat das Wort jetzt Herr Abgeordneter Stettner. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister! Ich komme gar nicht darum herum, vorher zu sagen, dass Sie eben gerade zugehört haben, als Ihre Kolleginnen gesprochen hat. Als es beim Punkt davor um Respekt vor dem Parlament ging, haben Sie durchgehend nach unten geschaut. Ich halte das für eine Frechheit. Das muss ich leider so sagen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD)]

Jetzt zum Antrag: Die Reaktion spricht Bände. Die FDP schlägt eine Landeszentrale für digitale Bildung vor. Man kann sich zu Recht die Frage stellen, ob es eine eigene Behörde braucht, wie es Frau Dr. Czyborra gerade getan hat. Wir können auf das blicken, was wir momentan an digitaler Bildung in Berlin erreicht haben; das haben wir mit den bestehenden Strukturen getan.

Gucken wir uns den Bereich der digitalen Bildung an, des Lehrens und Lernens, gucken wir uns den Datenschutz

an, das Wissen über die eigenen Rechte im Netz, über Sicherheit. Schauen wir uns an, was bestens ausgebildete Menschen am Kammergericht tun, wenn sie mit irgendwelchen Sticks durch die Welt laufen und dafür sorgen, dass wir überall vervirt werden. Das Gleiche machen wir gerade in der Landesverwaltung. Mit den bestehenden Strukturen haben wir jedenfalls die digitale Bildung nicht auf den Stand gebracht, wie er sein sollte, und ich glaube, es ist dringend notwendig, und zwar in doppelter Hinsicht: Erstens müssen wir da intensiv investieren, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, was das eigentlich heißt. Das heißt viel mehr als die Hardware oder die Software, und ich glaube, es steht Berlin gut zu Gesicht, wenn wir sagen: Wir werden dort ein eigenes Signal setzen, um Profis ihre Arbeit machen zu lassen, die nicht aus anderen Bereichen der politischen Bildung kommen.

Aus diesem Grund haben wir als CDU-Fraktion nicht nur für das Ansinnen, sich um digitale Bildung intensiv zu kümmern, sondern auch über eine neue Behörde, eine Landeszentrale nachzudenken, hohe Sympathie und freuen uns auf die weiteren Beratungen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von Joschka Langenbrinck (SPD) und Sven Kohlmeier (SPD)]

Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Brychcy. – Bitte schön!