Protokoll der Sitzung vom 16.02.2017

das neuerdings inflationär von jungen Frauen als quasi umgekehrte Emanzipation kultiviert wird – als Emanzipation von der hiesigen Gesellschaft.

[Beifall bei der AfD – Torsten Schneider (SPD): Sie sind ein richtiger Frauenversteher!]

Der besondere Skandal dabei ist, dass diese Ablehnung bzw. Behinderung von Integration unmündigen Kindern von ihrer Lehrerin – als einer Vorbildfigur – optisch aufgedrängt und als weibliches Rollenmodell nahegelegt wird – mit allen Konsequenzen, die im Schritt für Schritt sich aufbauenden sozialen Gruppendruck liegen und auch beabsichtigt sind.

Katastrophal ist auch die Etablierung eines falschen Ehrbarkeitsstandards, die mit solch einer Kleidungsempfehlung vorangetrieben wird, ein weiteres sozialintegrationsfeindliches Druckmoment mit fatalen Folgen für eingeschüchterte muslimische Mädchen und für falsche Ehrbarkeitsstandards verinnerlichende muslimische Jungen.

[Beifall bei der AfD]

Man darf die Angelegenheit jetzt keinesfalls – etwa wegen Uneinigkeit im Senat – auf sich beruhen lassen und gemütlich aussitzen, sondern muss jetzt Revision anstreben. Nur so kann das fatale Signal des Gerichtsurteils zur Ermutigung islamischer Hardliner und Integrationsverweigerer entkräftet und die Verunsicherung der Berliner Schulleiter beendet werden.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Können Sie nicht wenigstens die Urteilsbegründung abwarten?]

Nur so wird das Kopftuch nicht zunehmend zum politischen Symbol, mit dem sich die Trägerin als Teil eines Kulturkampfs inszeniert – ja, sich inszeniert als Teil einer kulturell-ideologischen Landnahme durch einen fundamentalistisch verstandenen Islam. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Linksfraktion hat der Kollege Taş das Wort.

[Kurt Wansner (CDU): Man kann auch Reden zu Protokoll geben! – Weitere Zurufe – Heiterkeit]

Manche können ja noch lachen. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten und werden die angebrachten Konsequenzen aus dem Kopftuchurteil des Landesarbeitsgerichts unaufgeregt prüfen. Wir werden uns dabei auch nicht von der demokratischen Opposition treiben lassen und darauf achten, dass wir nicht in das Fahrwasser dieser islamfeindlichen, rassistischen Strömungen geraten.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Oh! von der AfD – Lachen bei der AfD]

Ich hatte ja gerade gesagt: Noch können Sie lachen. – Wir sind in der Pflicht, die Diskussion entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 2015 zu führen. Es wird von mancher Stelle behauptet, dass Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die gesetzliche Regelung in Nordrhein-Westfalen sei nicht auf Berlin übertragbar, weil das Gesetz in NordrheinWestfalen nur den Islam zum Gegenstand gehabt habe. Bei allem Respekt, diese Argumentation ist absurd. Deshalb ist auch der Wissenschaftliche Parlamentsdienst des Abgeordnetenhauses in seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2015 zu dem Ergebnis gekommen, dass ein solches pauschales Verbot nicht zulässig ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Eine sachkundige Diskussion gebietet auch und vor allem, diese Kopfbedeckung sachgerecht einzuordnen. Das Kopftuch ist kein Symbol, auch dann nicht, wenn es von bestimmten Gruppierungen als Symbol eingesetzt wird. Es ist ein religiöses Gebot, und auch nicht ein politisches Symbol.

Hingegen wird gesagt, dass nicht alle Muslima ein Kopftuch tragen oder dass nicht alle Islamgelehrten das so sehen. Übrigens hat auch hier das Bundesverfassungsgericht uns und Ihnen den Weg vorgegeben. Ich darf aus dem Urteil zitieren – mit Ihrer Erlaubnis –:

(Dr. Gottfried Curio)

Es kommt dabei nicht darauf an, dass der genaue Inhalt der Bekleidungsvorschriften für Frauen unter islamischen Gelehrten durchaus umstritten ist … Es genügt, dass diese Betrachtung unter den verschiedenen Richtungen des Islam verbreitet ist und insbesondere auf zwei Stellen im Koran zurückgeführt wird.

Mit einer weiteren Feststellung hat das Gericht der unsachgemäßen Symboldiskussion aus meiner Sicht auch ein Ende gesetzt: Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, dass andere Richtungen des Islam ein als verpflichtend geltendes Bedeckungsgebot für Frauen nicht kennen.

Nicht zuletzt ist es gemäß unserem Grundgesetz dem Staat nicht gestattet, Religion zu kommentieren bzw. nur eine bestimmte Auffassung einer Religion zu bevorzugen – so, wie es das Bundesverfassungsgericht auch festgehalten hat. Dem Staat ist es indes verwehrt, derartige Glaubensüberzeugungen seiner Bürger zu bewerten oder gar als richtig oder falsch zu bezeichnen. Also weg von der Symboldiskussion!

Der Staat soll und muss ideologisch und glaubensmäßig neutral sein. Das ist Konsens, aber es muss ausgestattet werden, was das in der Praxis tatsächlich bedeutet. Manche argumentieren mit möglicher Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler: Nur, weil es eine Lehrerin mit Kopftuch sieht, soll ein Mädchen auch ihren Kopf bedecken oder gar zum Islam konvertieren. – Für wie dumm halten wir unsere Kinder?

Es wird dann gern das Argument der Frauenrechte angeführt. In dieser Frage gibt es in großen Teil des Islam großen Änderungsbedarf. Das ist unstrittig, aber glaubt irgendjemand ernsthaft überhaupt daran, dass eine Lehramtsbewerberin oder, wie in einem anderen Fall, eine studierte Juristin, die sich nicht scheut, juristisch dagegen vorzugehen, unterdrückte Frauen sind? Und glaubt jemand auch ernsthaft daran, dass Frauen dadurch freier werden, indem sie vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden? Auch dazu gibt es unterschiedliche Urteile, aber meine Redezeit ist fast zu Ende, deswegen komme ich gleich zum Schluss. Natürlich sollten wir eine gesamtgesellschaftliche Debatte führen, aber nicht, um Islamfeindlichkeit zu schüren, sondern um einen möglichst großen Konsens in der Gesellschaft, in Berlin zu erreichen, der die geänderten Realitäten in unserem Land auch respektiert.

[Beifall bei der LINKEN]

Schließlich sind hier unterschiedliche Grundsätze in eine vernünftige Beziehung zu setzen, nämlich die Religionsfreiheit, die Verhinderung von Diskriminierung und die Neutralität des Staates. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Luthe das Wort! – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal – und das scheint in der Debatte etwas untergegangen zu sein – handelt es sich bei der gerichtlichen Entscheidung, die die Grundlage dieses eilig gebastelten Antrags bildet, schließlich um eine Einzelfallentscheidung. Das hat auch das Gericht in seiner mündlichen Begründung bereits deutlich hervorgehoben. Insofern ist, denke ich, eine gewisse Unaufgeregtheit in der Debatte tatsächlich notwendig und geboten.

Was die Frage des zweiten Teils des Antrages, also die eilige Einlegung der Revision, angeht, kann ich mich den Vorrednern insoweit nur anschließen, dass die Entscheidung zunächst einmal begründet werden muss. Dann kann man sehen, inwieweit es tatsächlich notwendig ist, da es sich eben auch nur um eine Einzelfallentscheidung handeln kann, tatsächlich diese Entscheidung mit der Revision anzugreifen.

Ungeachtet dessen möchte ich vor allem zunächst einmal auf das eingehen, was der Kollege Taş gerade gesagt hat: der Hinweis, es stünde dem Staat nicht an, sich mit religiösen Geboten auseinanderzusetzen: Lieber Herr Taş! Ich schätze Ihre Beiträge bisher sehr, aber an dieser Stelle kann ich Ihnen nicht folgen. Sie werden doch sicherlich die Bahá’í-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kennen, in der das Bundesverfassungsgericht zunächst einmal deutlich gemacht hat, dass es nicht ausreicht, allein einen religiösen Bezug zu behaupten, sondern dieser religiöse Bezug auch entsprechend deutlich zu machen, zu belegen ist, und diese Behauptung des religiösen Bezuges wiederum der gerichtlichen Überprüfung – und zwar eben durch die komplette staatliche Gerichtsbarkeit – unterliegt. Insofern ist es selbstverständlich Aufgabe des Gesetzgebers, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD) – Steffen Zillich (LINKE): Es ist nicht der Punkt, ob es richtig ist oder nicht!]

Und es ist auch die Frage, ob es eine religiöse Symbolik ist und ob es vor allem zur Religionsausübung notwendig ist. Und da nimmt das Kopftuch, über das wir hier faktisch sprechen, dahingehend eine Sonderrolle ein, dass das Kopftuch eben nicht religiöses Symbol ist – nach meiner festen Überzeugung – und im Übrigen auch nach der vieler anderer Vertreter aus den Parteien der Linken, der Grünen und der SPD. Wenn beispielsweise der langjährige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erklärt, ein Kreuz sei kein Symbol für Unterdrückung, das Kopftuch als politisches Symbol für viele muslimische Frauen

(Hakan Taş)

sehr wohl, dann ist das eine klare Position, die ich genau so teilen kann.

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das Kopftuch ist jedenfalls nicht nur ein religiöses, sondern auch ein politisches Symbol. Eine Lehrerin, die gegenüber Kindern den Staat repräsentiert, muss nicht nur religiös neutral sein, wobei ich da im Übrigen einen handwerklichen Fehler des Neutralitätsgesetzes sehe, sondern natürlich auch, und vor allem, politisch neutral sein. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die der langjährigen Bundesvorsitzenden der Jungen Grünen.

Ich glaube, dass wir in dieser Frage im Ausschuss ausführlich darüber diskutieren sollten, ob wir politische Symbole, die von manchen auch als religiöse Symbole gesehen werden, eben tatsächlich an Berliner Schulen wollen oder nicht. Um die Schwierigkeit dieser Abgrenzung deutlich zu machen, nehmen wir den Hinduismus. Die Swastika, das hinduistische Glückssymbol, das Hakenkreuz, ist in Deutschland konsequent verboten und nur im liturgischen Zusammenhang gestattet. Ich wüsste nicht, warum für ein anderes Symbol, das religiös sein soll, etwas anderes gelten soll.

Insofern halte ich es für meine tiefe Überzeugung, dass das Kopftuch auch politisches Symbol einer Unterdrückung ist, dass, wer an diese „natürliche Unterordnung und Unreinheit der Frau“ glaubt, daran gerne zuhause glauben mag. Das können wir nicht verhindern. Aber in der Öffentlichkeit möchte ich das nicht. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP und der AfD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Bayram das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Wie viel Religion verträgt Berlin, oder wie müssen wir jetzt aufgrund der Entscheidung eines Berliner Landesarbeitsgerichtes mit diesem Thema umgehen? – Das ist die Frage, die wir hier und heute diskutieren. Für uns Grüne ist ganz klar: Es kann nicht sein, dass Menschen diskriminiert werden, und dagegen wenden wir uns, egal in welcher Gestalt das passiert.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Aber die spannende Frage, die im Raum steht, ist wirklich: Was hat dieses Gericht eigentlich entschieden, und was bedeutet das für uns als Abgeordnete, wie müssen wir darauf reagieren?

Die CDU-Fraktion hat gleich einen dringlichen Antrag eingebracht, mit dem sie ihre Position dargestellt hat. Die muss man nicht teilen, aber ich wage die Vermutung, Herr Kollege Dregger, dass Ihre Erwartung, wenn nur die Revision eingelegt wird, Sie dann die Entscheidung bekommen, die Sie sich wünschen, vielleicht so nicht eintritt. Deshalb versuchen Sie, mit Ihrem Antrag einen Automatismus dergestalt herzustellen, der uns auch davon befreien würde, uns darüber zu einigen, wie wir tatsächlich mit der Situation umgehen, die so nicht besteht, und insoweit ist Ihr Antrag nicht ganz redlich.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Jede und jeder, der behauptet, dass diese Koalition keine Haltung hätte, der muss sich selbst einmal fragen, ob Sie eine Haltung haben – und damit meine ich alle anderen –, die auch mit höherrangigem Recht und mit der Verfassung vereinbar ist, und woher Sie das eigentlich wissen wollen, denn Ihre Haltung hat sozusagen auch die Gefahr in sich, dass sie vielleicht genauso vor einem Bundesverfassungsgericht scheitern würde.

[Sebastian Czaja (FDP): Ach so!]

Deswegen sollten wir uns doch eher auch als Landesparlamentarierinnen des Landes Berlin mit der Frage beschäftigen, wie wir mit dieser konkreten Entscheidung dieses Landesarbeitsgerichts umgehen. Das will ich Ihnen jetzt skizzieren.

Ich bin Landesabgeordnete, das heißt, im Berliner Abgeordnetenhaus. Ein Gericht in Berlin hat nicht gesagt, dass das Gesetz verfassungswidrig ist, kann es auch nicht. Es hat gesagt, es ist verfassungskonform anzuwenden. Das bedeutet für mich, dass die zuständige Verwaltung – Gewaltenteilung, wir erinnern uns alle – uns jetzt mal darlegen soll, ob und wie dieses verfassungskonform in der Praxis angewendet werden kann. Denn Eines ist klar: Ich will das finanzielle Risiko nicht, dass wir demnächst womöglich mehrere Klägerinnen haben, denen wir dann –

[Zuruf: Kläger! – Heiterkeit bei der AfD]

„Klägerinnen“ habe ich nur gesagt, genau! – womöglich ebenfalls zwei Monatsgehälter zahlen müssen. Das Problem müssen wir dringend abstellen. Das ist ein praktisches, denn wir sind die Haushaltsgesetzgeberinnen, und wir wollen, dass das Geld für andere Dinge ausgegeben wird und dass nicht die Verwaltung den Schaden mitproduziert, indem sie dort nicht abhilft.