Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Liebe Frau Dr. Jasper-Winter! Ich finde es sehr gut, dass Sie als FDP-Fraktion heute wieder einmal die berufliche Bildung als Priorität angemeldet haben. Das ist toll. Schon vor der Coronakrise hatten junge Menschen in Berlin deutschlandweit die schlechtesten Chancen, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu erhalten. Nun haben aktuelle Umfragen der Kammern einen möglichen Rückgang des Ausbildungsengagements zwischen 10 und 40 Prozent je nach Branche zum neuen Ausbildungsjahr prognostiziert. Besonders betroffen sind die Branchen Tourismus, Gastgewerbe, Hotellerie, Kreativwirtschaft und personenbezogene Dienstleistungen.
Angesichts dessen müssen wir uns natürlich die Frage stellen, wie wir den jungen Menschen in Berlin trotz Krise den Zugang zu einem Ausbildungsplatz garantieren können. Klar ist, ohne die Betriebe geht es bei der dualen Ausbildung gar nicht. Die brauchen wir auch für alle Überbrückungsmodelle, die wir haben. Und die haben
wir, zum Beispiel die außerbetriebliche Ausbildung, wo 200 von 500 Plätzen aktuell belegt sind und die Senatorin Breitenbach heute ausgeführt hat, dass bis zu 1 000 Plätze möglich wären. Wir haben die Richtlinienförderung für Betriebe ausgeweitet, schulische Ausbildungsplätze. Da gibt es jetzt 1 200 Plätze, die vorgehalten werden von SenBJF. Wir haben die Verbundausbildung. Wir haben das Berliner Ausbildungsmodell. Aber egal was, wir brauchen die Betriebe für den dualen Anteil auch in diesen Modellen. Die Landesunternehmen und der öffentliche Dienst müssen mit gutem Beispiel vorangehen und gerade in der Krise über Bedarf ausbilden.
Sie fordern in ihrem Antrag digitale Prüfung. Die Kammern haben sich gerade bemüht, alle Abschlussprüfungen unter Coronabedingungen bis zum Sommer stattfinden zu lassen. Deshalb gibt es für die Distanzprüfung nicht wirklich den Bedarf, und es gibt auch rechtliche Probleme. Die Stärkung des digitalen Unterrichts an den OSZ ist uns auch ein zentrales Anliegen. Darüber haben wir auch schon diskutiert, Breitbandleitungen, WLAN, IT-Admins, Laptops für alle Schülerinnen und Schüler als Lernmittel. Sie schlagen hier eine Onlinetoolbox für Lehrkräfte vor. Darüber können wir gern diskutieren. Aber uns sind auch diese Grundvoraussetzungen wichtig, dass wir die erst einmal schaffen.
Die Jugendberufsagentur fährt jetzt die Präsenzberatung hoch. Das sagte Herr Buchner auch. Wir haben gute digitale Angebote, zum Beispiel von seiDUAL. Die BSOTeams sind an den Schulen im Einsatz, HWK und IHK bieten die Ausbildungsberatung an.
Zum Punkt zusätzlicher Berufsschulstart für Februar: Die organisatorische Größe sind einfach auch die Lehrkräfte, die dort begrenzend eintreten. Man kann das nicht generell beantworten, sondern nur für den Einzelfall.
Insgesamt lässt sich sagen, dass Ihre Punkte derzeit schon umgesetzt werden oder aber ein, zwei Punkte sehr schwer umgesetzt werden können. Was uns eint, ist das Ziel, dass wir allen jungen ausbildungsinteressierten Menschen auch in der Krise ein hochwertiges, möglichst duales Ausbildungsangebot machen wollen. Das muss uns gemeinsam gelingen. – Danke schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Verehrte Berliner! In jeder Krise liegt auch eine Chance. Schön zu sehen, wie verschiedene Parteien in der Krise ihre Claims abstecken. Was bei den Grünen der durch Pop-up
Radwege manifestierte Autohass ist, ist bei der FDP das Digitale, da, wo es passt und da, wo es auch weniger passt. – Verstehen Sie mich nicht falsch.
Die AfD hat nichts gegen den sinnvollen, ergänzenden Einsatz von digitalen Medien, Arbeitsgeräten und einer modernen IT-Infrastruktur, nur liegt unser Fokus auf bestens ausgebildeten Pädagogen, dem menschlichen Miteinander, die Azubis in ihrer Entwicklung fördern und deren Potenziale optimal heben können.
Das sogenannte Homeschooling hat uns deutlich die Grenzen eines digitalen Unterrichts unter heutigen Voraussetzungen vor Augen geführt. Viele Lehrer und das ihnen zur Verfügung stehende Equipment sind ungeeignet, ohne längere Phasen von Präsenzunterricht nachhaltig Wissen in geeigneter Weise zu vermitteln. Wenn Berlin in zehn Jahren einmal dort ist, wo Estland schon vor fünf Jahren war, könnten wir das Thema digitale Ergänzung des Unterrichts noch einmal aufgreifen.
Ansonsten wirft dieser Antrag Licht auf ein Stiefkind in der Bildungspolitik des Berliner Senates, die berufliche Bildung. Akademisierung über alles, war der Schlachtruf, der uns von der OECD entgegenschallte. Wie so oft, starrten Deutschland und Berlin gebannt auf die Heilsbringer einer supranationalen Organisation. Was für mich schon lange Gewissheit ist, wird anderen erst langsam klar, dass zum einen nicht jeder Berliner Abiturient studierfähig ist und zum anderen die duale Ausbildung eine großartige Errungenschaft Deutschlands ist, um die uns die halbe Welt beneidet.
Ja, deshalb sollten wir heute diskutieren, wie wir Abschlüsse in der beruflichen Bildung in diesem Jahr sicherstellen können. Wir müssen Lösungen finden, um gezielt und unbürokratisch denjenigen Betrieben zu helfen, die in der Berufsausbildung seit Jahren Großartiges leisten und heute dringend Hilfe bedürfen.
Forderung eins Ihres Antrages zieht eine Änderung der Rechtsverordnung nach sich. Daher sollte man diesen Punkt in einem Extraantrag stellen und aufnehmen. Sehr praktisch und flexibel ist auch die Forderung vier Ihres Antrages und würde vielen Berliner Betrieben mehr Zeit zurückgeben, um sich vorzubereiten, und ist damit so wichtig und essenziell, dass er ebenfalls separat abgestimmt werden sollte. Vielleicht können Sie diesbezüglich noch einmal in sich gehen und Ergänzungsanträge stellen. Gegen Ihre Forderungen zwei und drei ist absolut nichts einzuwenden, notwendiges Personal aufzustocken und Beratung anzubieten. Das ist nie verkehrt. Leider haben Sie als ergänzende Beratungsstelle nur die IHK benannt und haben die Handwerkskammern ganz vergessen. Das könnte man vielleicht auch noch aufnehmen.
Lassen Sie uns zur Normalität zurückkehren, die dem Umstand Rechnung trägt, dass mit Stand gestern Abend in einer Stadt mit 3,5 Millionen Einwohnern nur 320 Menschen aktuell an Corona erkrankt sind,
also rund 0,009 Prozent. Rund 130 dieser Erkrankten befinden sich zudem noch in Krankenhäusern, sodass die Wahrscheinlichkeit, den restlichen 190 frei herumlaufenden Coronakranken in Berlin zu begegnen, ungefähr so groß ist, wie dass Berlin irgendwann im Bildungsvergleich auf Platz eins im Vergleich zu den anderen Bundesländern ist.
Mit gebotener Vorsicht, etwas Augenmaß, gesundem Menschenverstand und Mut zur Eigenverantwortung sollten wir Politiker uns über die Rücknahme coronabedingter Einschränkungen stark machen. So ermöglichen wir Betrieben, aus der Kurzarbeit herauszukommen und mit der beruflichen Ausbildung fortzufahren und baldige Abschlüsse zuzulassen. Je eher und entschlossener wir das tun, umso schneller wird sich unsere Wirtschaft erholen, und wir können Rückstände in der beruflichen Bildung aufholen, bevor ganze Jahrgänge in Perspektivlosigkeit verlorengehen. Letztendlich ist es ohne Berufsschulabschluss oder richtige Abschlussprüfungen sehr schwer, wenn man seinen Ausbildungsbetrieb wechseln sollte, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Dementsprechend sollten wir uns ranhalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
[Torsten Schneider (SPD): Jetzt wird es endlich mal wieder um Substanz gehen! Ich hoffe, die Rede ist gut! – Heiterkeit bei der FDP]
Torsten, ich habe mich schon gewundert, von dir ein Vorschusskompliment zu bekommen, aber ich würde sagen, Substanz ist immer gut.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Jasper-Winter! In der Tat freue auch ich mich, dass wir über das Thema Ausbildung in Coronazeiten sprechen. Die Frage des Übergangs, des Anschlusses nach dem Schulabschluss eine der dramatischen Fragen in dieser Coronakrise. Es steht in der Tat zu befürchten, dass viele Hunderte, wenn nicht Tausende von Jugendlichen verlorengehen und das
Berufsbildungssystem noch Jahre brauchen wird, um sich von diesem Schock, von diesem Bruch zu erholen.
Deshalb ist es auch dramatisch, da haben Sie recht, dass die Regionaldirektion die Berufsberater aus den allgemeinbildenden Schulen abgezogen hat. Aber sind jetzt Ihre Vorschläge ein Beitrag zur Problemlösung? – Ich glaube nicht. Die Frage der Prüfungen – Kollege Buchner hat es gesagt –, steht, glaube ich, gar nicht in Gefahr und ist übrigens auch nicht vom Senat zu organisieren, sondern von den Kammern und zuständigen Stellen. Die Anforderung, Fernunterricht anzubieten – ja; ähnliche Baustelle wie in der Allgemeinbildung. Während ich in der Allgemeinbildung vertreten würde, dass man da sehr stark zusammenarbeiten kann, dass nicht jede Lehrkraft und jede Schule alles selber erfinden muss, mache ich im Kontext der beruflichen Ausbildung darauf aufmerksam, dass wir über 300 verschiedene Ausbildungsberufe haben und dass sich da die Frage der digitalen Toolbox und der Unterrichtsunterstützung anders stellt und es keine Vermeidung von Verantwortung ist, wenn man darauf hinweist, dass da in der Tat der Bund oder insbesondere das Bundesinstitut für Berufsbildung, die die Berufsbilder festlegen, zumindest mit in die Verantwortung gehen könnten. Es würde sicher auch Sinn machen, dass nicht jedes Bundesland das selbst erfindet. In die Richtung könnte ich mir auch einen gemeinsamen Vorstoß vorstellen.
Womit ich bei dem Punkt bin, was mir in Ihrem Antrag fehlt: Sie sind wahnsinnig schnell damit, den beruflichen Schulen, dem Senat einiges zuzumuten. An jedem Betrieb, der im Moment in Schwierigkeiten gerät, ist der Senat schuld. Aber ansonsten bringen Sie hier keine Wertschätzung für die Arbeit der beruflichen Schulen auf, wischen Fragen wie die Schuljahrorganisation einfach so weg. – Frau Jasper-Winter, mir ist vollkommen unklar, wie Sie Ihre Rede damit beginnen können, wie viel weniger Ausbildungsplätze wir im kommenden Jahr haben werden – und dann kein Wort zu den Betrieben, kein Wort, wie man das wettmachen kann, sondern nur das Übliche. Ich appelliere an Sie und in der Tat von dieser Stelle auch an die Sozialpartner und die Kammern, dass man in dieser Krise nicht die üblichen Standpunkte vorbringt, dass möglichst niemand in die OSZs geht – zumindest so lange nicht, wie Sie wichtige Betriebe dazu bringen, nicht nur Praktikantinnen und Praktikanten und günstige Arbeitskräfte einzustellen, sondern auch Ausbildungsplätze in ausreichendem Maß anzubieten.
Ich bin dem Senat sehr dankbar, dass er nicht nur an der Aufstockung der BAPP-Plätze – also der des Berliner Ausbildungsplatzprogramms – arbeitet, dass er nicht nur die Verbundausbildung verstärkt, dass er nicht nur das Berliner Ausbildungsmodell verstärkt in der Form, wie es – ein bisschen Respekt für die Probleme! – in der Zahl möglich ist. Alle diese Angebote sind dual – darauf hat die Kollegin Brychcy hingewiesen –, und es ist voll
kommen richtig – das ist mein letzter Satz –, dass wir Plätze in den Berufsfachschulen vorhalten. Ja, das ist vollschulisch, aber das ist mit Kammerprüfung. Wir brauchen all diese verschiedenen Varianten, die der Staat zu bieten hat, damit wir die Kinder nicht verlieren. Dieses Commitment möchte ich einmal von der Opposition hören, und das ist der Grund, warum wir ablehnen: Ihnen sind die Jugendlichen, die verlieren, im Zweifel völlig egal – Hauptsache, die Betriebe haben Vorrang!
[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Paul Fresdorf (FDP): Das ist doch eine unverschämte Unterstellung, Frau Remlinger!]
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Remlinger! Ich schätze Sie fachlich sehr, aber das gerade finde ich, muss ich sagen, fast schon unverschämt.
Sie werfen zwei Dinge vor, die ich beide nicht nachvollziehen kann – erster Punkt: Ich hätte nichts dazu gesagt, wie wir die Betriebe unterstützen wollen. Stattdessen werfe ich nur die mangelnde oder gesunkene Ausbildungsplatzzahl vor. – Aber wir müssen uns doch erst einmal darüber klarwerden, wie die Situation ist, und sie ist so – wenn Sie die Umfrage der IHK gelesen haben, die gestern veröffentlicht wurde –, dass es vor allem in den krisenbetroffenen Branchen Tourismus und Gastgewerbe mit Ausbildungsplätzen schwierig wird. – Das ist Befund eins, und den müssen wir uns ganz klarmachen. Wenn wir uns das nicht klarmachen und ehrlich miteinander sind, können wir die Diskussion vergessen.
Punkt zwei: Wenn ich sage, dass unsere wichtigste Message, unser wichtigstes Anliegen heute ist, flexibel auf die Ausbildungsbetriebe zuzugehen, dann ist es völlig fehl am Platz zu sagen, ich würde die Ausbildungsbetriebe nicht ansprechen – im Gegenteil! Unsere Maßnahmen, unser Anliegen sind es, diese bestmöglich zu unterstützen. – Punkt zwei.