Wir brauchen jetzt tatsächlich Antworten darauf, was die Alternativen zu den ausschließlich durch den Steuerzahler generierten Geldern sind. Das kann eine Teilprivatisierung sein, Herr Schatz,
das muss aber keine Teilprivatisierung sein. Dann lassen Sie uns über die Frage der Privatisierung sprechen. Lassen Sie uns über die Frage einer geordneten Insolvenz reden. Lassen Sie uns grundsätzlich über die Frage reden: Wie gehen wir mit den Finanzen am BER um, damit nicht am Ende die Schulen, die Kitas, die Erzieher und die Landesbeamten des Landes Berlins die Leidtragenden sind, weil die Kassen in dieser Stadt leer sind und Sie es nicht geschafft haben, dass schwarze, tiefe, dunkle Loch – das Steuerloch BER – zu überschauen und das Loch zu stopfen? Das ist die Aufgabe der Stunde, und der müssen Sie sich jetzt stellen, bevor wir hier in der Stadt vor einem nächsten zweiten Bankenskandal stehen, den die Sozialdemokratie maßgeblich zu verantworten hat.
[Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Kann man nicht ernst nehmen! Wenn die Hütte dann Profit macht, wird sie dann privatisiert!]
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Kindler im Bundestag wollte in einer Anfrage Auskunft über die im Konzernabschluss der FBB von 2019 unter „sonstige finanzielle Verpflichtungen“ aufgestellten Bestellobligos von über 350 Millionen Euro. Das BMVI antwortete, dass die FBB aus Gründen des Betriebs- und Geschäftsgeheimnis diese Frage nicht beantworten will. Außerdem, so die FBB, würde die Zusammenstellung der Informationen einen Arbeitsaufwand von 150 bis 200 Stunden bedeuten. – Eigentlich sagt diese Antwort alles. Da werden Berater- und Investitionsverträge von über 350 Millionen Euro geschlossen, und die FBB kann nicht sagen, was sie da eigentlich beauftragt hat. Das weckt erhebliche Zweifel an der Rechnungslegung und dem Controlling der FBB.
Ich frage mich auch: Wie konnten unter diesen Umständen die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young den Konzernabschluss als richtig attestieren?
Die parlamentarische Staatssekretärin im BMF, Hagedorn, gibt ohne detaillierten Nachweis und fehlender beihilferechtlicher Entscheidungen der Kommission aber unter Verweis drohender Zahlungsunfähigkeit der FBB den Bundesanteil der 300 Millionen Euro Coronahilfe frei.
Berlin hat der Flughafengesellschaft im Mai die letzte Tranche vom Gesellschafterdahrlehen bewilligt und zugesagt, die Coronahilfen zu leisten, aber dafür wollen wir gerne Offenheit, wofür das ausgegeben wird.
Wenn die Lage der FBB so dramatisch ist, warum legt sie nicht die Nachweise der pandemiebedingten Finanzierungsbedarfe vor, um auch von Berlin den Ausgleich abzufordern?
Am Montag rechnete die FBB im BER-Sonderausschuss in Brandenburg schon mal den Finanzbedarf für 2021 vor. Grundlage dieser Rechnungen sind unrealistische Annahmen zu Passagierzahlen und genauso unrealistische Einnahmeerwartungen pro Passagier von 18 bis 20 Euro.
Dann sagt sie gleichzeitig: Diese Passagierzahlen werden aber nicht erreicht, sondern nur 69, 50 oder 30 Prozent davon. Somit ergibt sich 470 Millionen Euro entgehende Umsatzerlöse. Darauf schlägt sie noch mal 180 Millionen Euro und stellt dann einen maximalen Finanzbedarf für 2021 von 660 Millionen Euro dar.
Wie Sie sehen: Es geht nicht um Ausgleich von tatsächlichen Aufwendungen der FBB, sondern man macht einen Ausgleich einer Luftschlossrechnung, damit möglichst viel Geld ins Unternehmen kommt, und unter Corona kann man es gut verstecken.
Vor kurzen prahlte die FBB noch mit einem sehr guten Rating durch Moody‘s. Am Montag gestand sie, dass ihr der Kapitalmarkt nicht zur Verfügung steht. All ihr Finanzbedarf muss also direkt aus dem Steuersäckel kommen. Schon vor Corona hatte die FBB angekündigt, ab 2021 792 Millionen Euro zu brauchen. Dazu kommen dieses eingangs erwähnte Bestellobligo, Schallschutzkosten und weitere sonstige Verpflichtungen von 838,2 Millionen.
Ich glaube, wir sollten die weiteren Zahlen und Fakten lieber im Ausschuss besprechen, als sie hier vorzutragen. Die Fragen zur wirtschaftlichen Situation der FBB werden nicht kleiner, sondern größer und drängender. Wir wollen der FBB nicht weiterhin jährlich dreistellige Millionenbeträge geben, schon gar nicht ohne konkrete Nachweise; außerdem ist es beihilferechtlich nicht zulässig. Da müssen endlich auch die Gesellschaftervertreter bei ihren Patronatserklärungen die tatsächliche Lage zur Kenntnis nehmen und nicht einfach zusagen: Wir zahlen alles.
Deshalb fordern wir Grüne seit Langem eine Wirtschaftsprüfung durch unabhängige Experten. Unter diesen Umständen sind natürlich auch alle weiteren Ausbaupläne zu stoppen. – Alles Weitere gern im Ausschuss.
Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Fraktion der CDU hat die sofortige Abstimmung über ihren Antrag beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen die Überweisung an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz sowie an den Hauptausschuss. Gemäß § 68 der Geschäftsordnung lasse ich zuerst über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU auf Drucksache 18/3010 an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz sowie an den Hauptausschuss zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt gegen die Überweisung? – Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? – Keine Enthaltungen. Die beiden Fraktionslosen haben sich nicht an der Abstimmung beteiligt.
Zumindest war es nicht ersichtlich. Trotzdem ist damit die Überweisung beschlossen. Eine Abstimmung über den Antrag erübrigt sich heute.
Wissenschaftliche Studie zur Erforschung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Coronapandemie für Berlin
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2990
In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Ines Schmidt. – Bitte schön!
Liebe Präsidentin! Liebe Abgeordnete! Liebe Zuschauerinnen an den Endgeräten! Corona trifft uns nicht alle gleich, die Krise wirkt wie ein Brennglas. – Wie häufig haben wir diese Sätze in den letzten Wochen gehört? Und natürlich stimmen sie, auch für die Gleichstellungspolitik. Die Coronakrise macht doch deutlich, dass es in erster Linie Frauen sind, die mit 75 Prozent Frauenanteil in den systemrelevanten Berufsgruppen vertreten sind. Sie sorgen maßgeblich dafür, dass das Leben trotz Coronakrise weitergeht. Dafür verdienen sie mehr als Klatschen und Hochachtung; sie brauchen eine Entlohnung, die ihrer Verantwortung und Leistung entspricht.
Die letzten sieben Monate waren eine Zerreißprobe für viele Familien, Ehen, Partnerschaften und Alleinerziehende. Viele unabhängig voneinander erhobene Daten wie zum Beispiel die des WZB, des Sozio-oekonomischen Panels SOEP und der Mannheimer Coronastudie zeigten die schlechte politische Realität in Deutschland: Die Vergangenheit ist zurück, die Aufgabenverteilung zwischen Männern und Frauen ist wie in alten Zeiten.
Was ist passiert? – Mütter, die in Teilzeit arbeiten, ziehen sich aus dem Arbeitsmarkt zurück. Über 20 Prozent von ihnen reduzieren ihre Arbeitszeit, gleichzeitig erhöht sich die Zeit, die sie für die Betreuung der Kinder aufwenden, für die Hausarbeit oder die Pflege von Familienangehörigen.
[Heiterkeit – Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Christian Buchholz (AfD): Hinsetzen! – Weitere Zurufe von der AfD]
Die Krise macht uns deutlich, dass wenn die öffentliche Infrastruktur wegbricht, darauf folgt, dass Mütter sich aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen und sich mehrheitlich alleine um Kinder und Küche kümmern. Väter dagegen treten deutlich seltener zurück, bleiben bei ihrem Arbeitsleben auch dann, wenn sie im Homeoffice arbeiten.
Einen Moment, Frau Abgeordnete! – Wenn Sie Gespräche führen möchten, dann bitte draußen. Hier drinnen redet einer, und das ist die Rednerin oder der Redner am Pult.
Was in der Krise auch extrem sichtbar wurde: Unsere Fachleute zu Corona sind vorwiegend männlich besetzt. Egal, ob es der Virologe, der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Chef des Robert-Koch-Instituts ist – unsere Männer sind derzeit in ihrem Element. Medien berichten über Selbstinszenierung und Duelle unserer Herren, überall wird vermittelt: Männer haben Corona im Griff.