Protokoll der Sitzung vom 01.10.2020

[Steffen Zillich (LINKE): Kinder! Wir kennen das Problem schon und diskutieren das schon länger!]

(Dr. Susanna Kahlefeld)

Es ist tatsächlich ein sinnvolles Gesetz, das Sie hier gemacht haben. Das, Dr. Efler, was Sie hier ein bisschen in den Raum gestellt haben – wir hätten ein Problem mit Transparenzregeln –: mitnichten. Wir freuen uns über jede Transparenzregel, denn wir haben nichts zu verbergen, deswegen begrüßen wir, dass Sie das aufgenommen haben.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Anne Helm (LINKE) Steffen Zillich (LINKE): Das ist das berühmte „Lasst uns das rückwirkend machen!“]

Das ist keine schlechte Regelung, das haben Sie wirklich ordentlich gemacht, daher haben wir damit kein Problem.

Wir haben ein ganz kleines Thema in diesem Gesetz gefunden, das zumindest missverständlich ist. Ich weiß, dass Sie es so nicht gemeint haben, aber man muss eben einmal schauen, was man dann auch macht. Wenn Sie sich den § 47a Abs. 5 einmal anschauen: Da geht es um Mittelherkunft, Mittelverwendung, und da muss eben ein Träger ganz genau darlegen: Wo kommen die Mittel her? – Jetzt kann der Träger aber auch eine Privatperson sein, das wissen Sie auch, und hier wird es dann ein bisschen kompliziert.

Wollen Sie wirklich, dass Privatpersonen sich dann finanziell einmal komplett nackig machen müssen und das dann auch veröffentlicht sehen vom Bezirksamt aus? Das ist natürlich schwierig: Wo kommt denn das Geld dafür jetzt her von dieser Privatperson? Das war dann die Erbschaft von Oma Erna, das ist das Gehalt von der XY-AG, und das wird dann vom Bezirksamt veröffentlicht. Ich weiß nicht, ob es wirklich sinnvoll ist, das auch für Privatpersonen so auszurollen. Das ist der Grund, warum wir sagen: Wir würden uns enthalten bei einem sonst guten Entwurf.

[Anne Helm (LINKE): Och, Mann!]

Dann können Sie sich ja untereinander ein bisschen weniger ärgern, wenn es jetzt Fristen gibt, und ich gehe davon aus, da dieser Senat ja immer für den Rechtsstaat steht und Gesetze immer durchsetzt,

[Lachen bei Karsten Woldeit (AfD)]

dass Sie sich in Zukunft dann nicht mehr ärgern müssen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 18/2723 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Fraktion der FDP – die Annahme mit Änderungen. Wer den Gesetzesantrag auf Drucksache 18/2723 gemäß der Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3020 mit Änderungen annehmen möchte, den bitte ich um das Handzei

chen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Wild. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltung? – Bei der FDP-Fraktion. Damit ist der Gesetzesantrag so angenommen.

Ich darf aufrufen

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 5

Gesetz zur Senkung der Altersgrenze bei Bürgerdeputierten

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung vom 14. September 2020 Drucksache 18/3019

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2677

Ich eröffne die zweite Lesung des Gesetzesantrages. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel I und II des Gesetzesantrages und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich nicht. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Herr Abgeordneter Lux hat dazu das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute in Vertretung meiner Kollegin June Tomiak zu unserer Priorität, dem Gesetz zur Senkung der Altersgrenze bei Bürgerdeputierten, das gemeinsam auch mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion entstanden ist, sprechen zu dürfen.

Worum geht es bei diesem Gesetz? – Eigentlich erklärt es sich von selbst: Es geht um die Senkung der Altersgrenze bei Bürgerdeputierten. Dies sind sachkundige Bürgerinnen und Bürger, die stimmberechtigt an der Arbeit der Ausschüsse der Bezirksverordnetenversammlung teilnehmen. Wir haben ja heute in der Feierstunde zu „100 Jahre Groß-Berlin“ gehört, wie wichtig die Bezirke sind und wie sehr sie auch eigene Anliegen regeln. Frau Herrmann, die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, hat hier einen guten Vorschlag gemacht, wie auch die Bezirksverordnetenversammlungen besser einzubeziehen sind mit ihren verschiedenen Arbeitsbereichen wie Jugendschutz, Natur und Umwelt, Grünflächen, Straßen oder auch Brandschutz, wie wir vorhin gehört haben.

Wir sind dafür, dass junge Leute, die unter 18 sind, ab 16, mit einbezogen werden können, denn auch junge Menschen können und sollen in der BVV gleichberechtigt

(Paul Fresdorf)

mitarbeiten können, ihre Perspektiven vertreten dürfen und sich für ihre Anliegen einsetzen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Bettina Domer (SPD)]

Es ist eine kleine, schlicht wirkende Gesetzesänderung, die wir heute beschließen, aber sie wird dafür sorgen, dass zukünftig auch Bürgerdeputierte ab 16 teilnehmen können. Wir öffnen mit dieser Gesetzesänderung auch bewusst Türen für junge Leute, die sich interessieren, Politik machen, ob in Vereinen oder in der Klimaschutzbewegung oder bei anderen Anliegen, die sie interessieren, denn sie setzen sich mit ihrer Sache auseinander, und deswegen ist dieses wichtige Zeichen aus grüner Sicht schon längst überfällig.

Wir waren überrascht und ein Stück froh, dass die CDUFraktion hier einen Antrag eingereicht hat, dass man das Alter der Bürgerdeputierten auf 16 ändert, aber es ist richtig: Auf Bezirksebene dürfen seit 2005 junge Menschen ab 16 mitwählen, und jetzt sollen sie doch auch als Bürgerdeputierte mitarbeiten können, folgerichtig. Das ging bislang nicht. Nun möchte ich gern auf eine Kampagne des Landesjugendrings Berlin hinweisen, in dem 34 Jugendverbände organisiert sind und der vorgestern gestartet ist, um erneut das Wahlalter 16 zu fordern, eine lange Forderung auch von SPD, Linken und Grünen.

Ich weiß nicht, wie das bei der FDP ist, aber ich als Vater von zwei schulpflichtigen Kindern und zweien, die in die Kita gehen, habe ein hohes Interesse daran, denn junge Leute, die wissen, was Politik sein kann, was es für sie bedeutet, die wollen auch ihre Interessen vertreten sehen für die Zukunft – es geht ja nicht nur um Partizipation und Teilhabe, sondern es geht auch darum, Betroffenheit geltend zu machen.

Ich finde, es ist an der Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere bei Ihnen von der CDU – wer die Lippen spitzt, der muss auch pfeifen –, dass wir auch das Wahlalter für dieses Haus auf 16 senken, wie es andere Bundesländer auch getan haben. Deswegen fordere ich Sie hier und heute auf: Gehen Sie mit uns gemeinsam den Weg, lassen Sie uns das Wahlalter auf 16 ändern. Damit sind Sie nicht Wahlhelfer von der einen oder anderen Partei. Junge Leute haben ihren eigenen Verstand.

[Zuruf von Tommy Tabor (AfD)]

Vertrauen wir doch darauf, dass die jungen Menschen, die sich mit ihrer Gegenwart und ihrer Zukunft auseinandersetzen, auch ihr Stimmrecht wahrnehmen. Werben wir um ihre Beteiligung, denn diese Demokratie lebt von jedem, der mitmacht.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Denn momentan ist es doch so – alle sagen: Du bist ein junger Mensch, mach irgendwie mit, nebenbei, ehrenamtlich, neben der Schule. Mach einen guten Abschluss,

engagiere dich, bitte schön, noch ehrenamtlich. – Aber: Das machen sie ja auch. Sie können auf die Straße gehen, wie sie wollen, sie können in den Vereinen mitmachen, wie sie wollen, aber es geht auch darum, dass sie ein Mitspracherecht haben. Sie sammeln momentan Millionen von Unterschriften für mehr Klimaschutz. Das leuchtet uns doch allen ein, dass es dort ein echtes Anliegen gibt.

Ich finde, sie müssen auch mit am Tisch sitzen dürfen, jetzt als Bürgerdeputierte in den Bezirksverordnetenversammlungen, aber auch in Zukunft mit einem echten Wahlrecht ab 16. Ich finde, wir sollten – und ich bin sehr gespannt auf die weitere Debatte – uns diesen überkommenen, etwas ältlichen Paternalismus, junge Leute vom Wahlrecht auszusperren, nicht mehr leisten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Bettina Domer (SPD)]

Das sehen leider auch an diesem Haus. Ich war selber noch jung, als ich hier hineingewählt worden bin – jetzt nicht mehr –, aber momentan sind June Tomiak und der Kollege Bertram, wurde mir aufgeschrieben, die einzigen Mitglieder hier unter 30. Ich finde schon, wenn man sich die Berliner Bevölkerung anschaut: Da geht es um mehr Repräsentanz von jungen Leuten. Da geht es um mehr, als nur repräsentiert zu werden, es geht auch um eine eigene Betroffenheit, um eine eigene Perspektive, und deswegen ist es richtig, dass junge Leute früher wählen dürfen und auch in unseren Parlamenten besser repräsentiert sind. Für heute bin ich froh, dass wir eine breite Mehrheit gefunden haben für den Antrag, das Alter für Bürgerdeputierte auf 16 zu senken, und das werden wir sehen: Ich denke, diesem Vertrauen wird entsprochen werden, und wir werden damit gute Erfahrungen machen, dass junge Leute die Bezirkspolitik besser mitgestalten können. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau DemirbükenWegner. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 14. September hat der Innenausschuss die letzte Hürde genommen und den Weg zur heutigen zweiten Lesung des Gesetzes zur Senkung der Altersgrenze für Bürgerdeputierte freigemacht. Dafür meinen ausdrücklichen, freudigen und herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Raed Saleh (SPD)]

Doch dieser gilt nicht nur den Kolleginnen und Kollegen, die in der Ausschusssitzung die notwendigen und sinnvollen Präzisierungen zum Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes vorgenommen haben, mein Dank gilt allen Fraktionen, die unseren Ursprungsantrag 18/0577 inhaltlich unterstützt und durch einen Allparteienantrag in eine gemeinsame Gesetzesinitiative haben münden lassen.

Da so ein Vorgang im Berliner Abgeordnetenhaus nicht alltäglich ist, kann man ihn wohl als eine besondere parlamentarische Sternstunde bezeichnen, denn es eint uns dabei nicht nur das Ziel, die Lücke zum geltenden Kommunalwahlrecht von 2005 zu schließen, sondern vor allem das Bestreben, junge Menschen in Verantwortung zu bringen und ihnen vor Ort Demokratie erlebbarer und erfahrbarer zu machen.

Um dieses Ziel anhaltend mit Leben zu füllen, muss dafür nach meinem Eindruck jedoch mehr Aufklärungs- und Informationsarbeit geleistet werden. Das ist mir insbesondere in den letzten Jahren durch intensive Gespräche im Wahlkreis und durch meine Kontakte mit Schülerinnen und Schülern – innerhalb und auch außerhalb der Schulen – sehr klar geworden.

Wir können nicht automatisch davon ausgehen, dass dem Gros der Jugendlichen bewusst ist, dass sie bereits mit 16 ihr Kommunalparlament mitwählen können. Besorgniserregend empfand ich in diesem Zusammenhang, dass doch einige Lehrerinnen und Lehrer nicht wissen, dass das Kommunalwahlrecht in Berlin bereits seit 15 Jahren auch für Sechszehnjährige gesetzlich geregelt ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Gelegenheit nutzen, darauf hinzuweisen, dass es Wissensdurstige in Berlin nicht leicht haben, sich Informationen zu dem Thema aus den Senatsseiten abzurufen, denn unter den Schlagworten „Wahlen ab 16 in Berlin“ ist wenig bis gar nichts zu finden. Zwar gibt es längere Ausführungen zu U18, doch hier wird mehr das Bewusstsein bedient, was noch nicht geht, und nicht, was bereits geht.

Ein Blick nach Brandenburg könnte deshalb hilfreich sein, denn das dortige Ministerium für Bildung, Jugend und Sport bietet interessante Informationsseiten zum Wahlrecht ab 16 nebst einschlägigen Analysen und einer Broschüre. Ich denke, hier könnte das Land Berlin die sprichwörtliche Seite abschneiden, um das Thema insgesamt, nicht nur jungen Menschen, bewusster zu machen.