Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

(Andreas Kugler)

Dieses Gesetz ist im Nachgang genau eine Verlängerung des Landesantidiskriminierungsgesetzes. Es erschwert Polizeiarbeit. Es ist ein Bürokratiemonster. Es ist alles andere als ein gutes Gesetz. Es macht aber eines deutlich, dass die Aussage des Kollegen Lux, der gleich nach mir sprechen wird, mittlerweile immer mehr in die Tat umgesetzt wird, und zwar, dass Rot-Rot-Grün diesem Parlament und dieser Stadt Gesetze vorlegt, die dann eine Zumutung darstellen. Ich möchte Gesetze haben, die dem Land Berlin weiterhelfen, die der Sicherheit weiterhelfen und die keine Zumutung darstellen. Das wäre für mich verantwortungsvolles Regierungshandeln.

[Beifall bei der AfD]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kohlmeier?

Sehr gern!

Herr Kohlmeier, Sie haben das Wort! Bitte!

Danke schön, Herr Kollege! Können Sie mir drei konkretere Beispiele benennen, wo das Landesantidiskriminierungsgesetz die Arbeit der Polizei konkret beschwert hätte?

Ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, dass sich bei mir eine Polizistin gemeldet hat von einem Abschnitt, die sich einen Rechtsbeistand genommen hat, weil sie sich in ihrer Polizeiarbeit eingeschränkt fühlt. Sie versucht als Betroffene selbst, einen Klageweg zu führen, weil sie sieht, dass dieses Gesetz Polizeiarbeit erschwert. Wenn es ein Verbandsklagerecht gibt ohne Prozessrisiko, wenn sich ein schwarzafrikanischer Drogendealer diskriminiert fühlt, erschwert das Polizeiarbeit. Wenn Leute aus dem Abschnitt 53, aus dem Wrangelkiez, an einer Gruppe Drogendealer vorbeifahren, die sich gerade eine Schlägerei liefern, was ich nämlich vernommen habe – Sie haben es mit Sicherheit nicht gesehen –, stelle ich mir schon die Frage, ob der ein oder andere Polizeibeamte vielleicht bewusst nicht sehen möchte, weil er sich später keinen Repressalien aussetzen möchte.

[Sven Kohlmeier (SPD): Drei!]

Herr Kohlmeier! Ich könnte noch weiter ausführen. Wir können uns über mindestens zehn verschiedene Bereiche aus dem Landesantidiskriminierungsgesetz auseinandersetzen. Drei habe ich genannt, übrigens auch mit persön

lichem Charakter von dieser Polizistin, die persönlich betroffen war.

[Steffen Zillich (LINKE): Wir halten mal fest, Sie haben kein Beispiel genannt!]

Herr Kohlmeier, sprechen Sie doch mal mit den Polizisten. Reden Sie mal mit den Leuten. Dann erfahren Sie übrigens auch von Sorgen und Ängsten.

[Beifall bei der AfD]

Ich nehme jetzt einmal eine Passage aus dem Nachbesserungsantrag zum Ursprungsgesetzentwurf. Da hatten sie das auch schon drin. – Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich:

Die Beschwerde muss binnen sechs Wochen nach Beendigung der polizeilichen Maßnahme eingereicht sein.

Jetzt kommt der entscheidende Satz:

Anderenfalls kann die oder der Bürger- und Polizeibeauftragte sie ohne sachliche Prüfung an die zuständige Stelle weiterleiten.

Was ist denn das für ein Gesetz, wenn irgendwelche Dinge ohne sachliche Prüfung irgendwohin weitergeleitet werden. Das ist doch einfach ein Witz.

[Beifall bei der AfD]

Herr Zillich! Wenn Sie Gesetze einbringen, müssen Sie das auch lesen. Sie müssen wissen, was darin steht. Wissen Sie, was mich wirklich traurig macht?

[Zuruf]

Der Grundgedanke eines Polizeibeauftragten ist grundsätzlich positiv. Ich nehme das Beispiel des Wehrbeauftragten. Man kann in der Tat, wenn Missstände auftreten, diese auch innerhalb einer Behörde ohne Einhaltung eines Dienstweges nach oben bringen, damit die Missstände dementsprechend nicht weiterhin hochgehalten werden. Die Schießstättenaffäre ist genannt worden. Wenn ich wie gestern höre, dass sich Polizistinnen und Polizisten bei Demonstrationen fragen, ob die Maßnahmen so seitens der Polizeiführung gerechtfertigt sind, und überlegen, zu remonstrieren, und diese Polizisten dann sagen, in dem Augenblick, in dem sie darüber nachdenken, ob sie remonstrieren, werde unter vorgehaltener Hand mit Disziplinarverfahren gedroht, dann sage ich, ist der Polizeibeauftragte eine richtige und vernünftige Institution.

[Beifall bei der AfD – Anne Helm (LINKE): Hört, hört!]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kugler?

(Karsten Woldeit)

Ich bin gleich am Ende, Frau Präsidentin. – Aber so, wie Sie es machen, machen Sie es absolut falsch. Bedenken Sie: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint! Was Sie hier vorgelegt haben, ist verdammt schlecht gemacht. – Ich danke Ihnen.

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Herr Abgeordneter Lux. – Bitte schön!

[Hakan Taş (LINKE): So, Herr Dregger! Jetzt bitte aufpassen!]

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich auch, dass wir heute dieses Gesetz beschließen und damit eine Bürgerinnen- und Polizeibeauftragte für Berlin einführen. Das ist eine alte grüne und bürgerrechtliche Forderung, die zu mehr Transparenz für mehr unabhängige Kontrolle unserer Verwaltung und damit auch zu mehr Akzeptanz führen kann.

Ich danke allen Beteiligten, den Menschenrechtsorganisationen, den Personalvertretungen, den Gewerkschaften der Polizei, den vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Expertinnen und Experten, Praktikerinnen und Praktikern, dem Bund Deutscher Kriminalbeamter, der Beauftragten aus Rheinland-Pfalz, die uns wirklich hilfreiche und produktive Tipps gegeben haben, und ich danke namentlich auch meinen Kollegen Frank Zimmermann und Niklas Schrader. Endlich haben wir es geschafft, nach so langen und guten Verhandlungen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Wir alle verfolgen das Ziel, das Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung und der Polizei zu stärken. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gewiss oft keinen leichten Job, und trotzdem leisten sie jeden Tag einen wichtigen Dienst für den Zusammenhalt und für das Einhalten und die Durchsetzung der Regeln in unserer Gesellschaft. Deswegen möchte ich an dieser Stelle, gerade mit Blick auf gestern – das wurde ja schon angesprochen –, allen Polizistinnen und Polizisten danken, die am Bundestag ihre Knochen hingehalten haben, die beschimpft, bespuckt, getreten, beleidigt und geschlagen worden sind und die unsere demokratische Institution verteidigt haben – und das mit Erfolg. Deswegen: Vielen Dank und die Bitte an den Innensenator, diesen Dank auch auszurichten!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Beifall von Dirk Stettner (CDU) und Paul Fresdorf (FDP)]

Zu den wichtigen Regeln in unserer Gesellschaft gehört auch – und das habe ich aus den Reihen der Opposition vermisst –, zu achten, dass niemand über die eigenen Angelegenheiten richten kann. Das nennen wir: Nemo judex in causa sua – ein alter lateinischer Rechtsspruch, und ich finde der hat heute eine Bedeutung. Natürlich kommt es bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben auch manchmal zu Fehlern, das ist menschlich. Manchmal liegt auch nur ein Missverständnis vor. Es kommt aber auch zu Machtmissbrauch, es kann zu handfesten Skandalen kommen – wir kennen sie. Die Stelle der unabhängigen Bürger- und Polizeibeauftragten kann dabei helfen, Vorwürfe aufzuklären und zu sortieren, die Ursachen zu untersuchen, und anders als das Disziplinarrecht, die polizeiliche Beschwerdestelle und die Justiz kann sie auch die Zusammenhänge erforschen, ist nicht nur im Einzelfall zuständig, kann die Ursachen klären – und das ist doch das, was wir wollen, damit wir Ursachen und Strukturen für Fehlverhalten unserer Verwaltung abstellen können. Daran müssen wir doch alle ein Interesse haben.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vorhin wurde abgestellt auf die erfolgreichen Beschwerden, die vorgebracht worden sind. Aber um die geht es doch gerade nicht. Es geht um all die Menschen in unserer Stadt, die mal ein Problem mit der Verwaltung haben – das muss nicht die Polizei sein, das kann auf dem Bürgeramt sein, das kann im Gesundheitsdienst tagtäglich vorkommen oder auf dem Jugendamt, natürlich! – und die sich nicht trauen, eine Petition abzugeben oder den Dienstweg einzuhalten, sich zu beschweren, die kein Geld haben, vor die Gerichte zu gehen, und die vielleicht auch eine unberechtigte Beschwerde abgeben – das weiß man noch nicht. Aber wie gewinnen wir dieses Vertrauen zurück von den Menschen? Doch nicht, indem die Richter in eigener Sache sagen: „Das war unberechtigt“, sondern indem eine unabhängige Stelle, die bei uns, beim Parlament, angesiedelt ist, entscheidet, vermittelt, Konflikte reduziert, Gespräche führt, sich das anhört und dann eine bewusste Entscheidung trifft. Dafür ist diese unabhängige Beschwerdestelle auch gut.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die oder der Beauftragte wird umfangreiche Befugnisse auch während laufender Ermittlungen haben. Wir hätten uns noch mehr gewünscht – dazu hätte man die Strafprozessordnung ändern müssen –, aber sie oder er kann jederzeit Berichte anfordern, Zeuginnen und Zeugen hören, vor Ort sein, um Auskunft ersuchen, grundsätzlich auch Akten einsehen bei abgeschlossenen Verfahren, und sie oder er beteiligt sich am und kooperiert mit dem Petitionsausschuss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Petitionsausschuss! An dieser Stelle auch vielen Dank an Sie für Ihre gemeinsame Arbeit mit uns an dem Gesetz! Ich hoffe, dass der Bürgerinnenbeauftragte eine Hilfestellung sein wird, die Ihnen nutzen wird, und dass die Kooperation gut sein wird. Deswegen noch einmal: Vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Peti!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Unsere Hoffnung und auch ein Stück realistische Erwartung ist, dass in Zukunft früher interveniert und aufgeklärt werden kann. Beim Skandal um die schwermetallverseuchten Schießstände, aber auch bei anderen Problemen innerhalb der Polizei haben wir es gesehen: Die Schießtrainer, mit denen ich gestern noch einmal gesprochen habe, haben gesagt:

[Torsten Schneider (SPD): Das war aber keine Bürgerbeschwerde!]

Ja, Herr Lux! Wir wissen jetzt, was Grüne, Bürgerrechtler, Linke immer mit einer unabhängigen Beschwerdestelle meinten. Hätten wir früher die Gelegenheit gehabt, uns an unabhängige Leute zu wenden, die dann noch einmal Gutachten einholen, noch einmal vor Ort gehen, gucken, was dort passiert, Mitte der Neunzigerjahre, als es dort schon losging, dann wäre die Chance gestiegen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen, die damals viel geschossen haben, heute noch unter uns wären. – Daran zeigt sich doch ganz deutlich, dass wir externe Kontrolle brauchen, gerade auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Christian Hochgrebe (SPD)]

Schauen Sie allein auf diese Wahlperiode: Wir hatten einen unabhängigen Sonderbeauftragten an der Polizeischule, wir hatten einen unabhängigen Sonderbeauftragten beim Terroranschlag am Breitscheidplatz. Nun hat der Senat einen unabhängigen Sonderbeauftragten – sogar zwei – zur Straftatenserie in Neukölln eingesetzt. Das zeigt doch auch deutlich, wie hoch der Bedarf ist und dass diese Funktion – bei aller Wertschätzung – nicht nur Abgeordnete abdecken können. Mit der gleichen Argumentation könnten Sie doch auch sagen, wir brauchen den Rechnungshof nicht, weil wir die Verwaltung kontrollieren.

[Zuruf von Cornelia Seibeld (CDU)]

Mit der gleichen Argumentation könnten Sie sagen, wir brauchen die Datenschutzbeauftragte nicht, den Wehrbeauftragten im Bundestag nicht, weil wir das als Abgeordnete irgendwie selbst können. Bei aller Wertschätzung: Maß und Mitte, Realismus! Wir brauchen unabhängige Beauftragte natürlich auch für die Polizei und Verwaltung – und ich möchte hinzufügen: die wir in dieser Wahlperiode gestärkt haben wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auch da geht Ihre Gegenargumentation fehl.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Noch einen Satz an Sie, Herr Kollege Dregger, ganz namentlich. Sie haben vorhin gesagt, dass mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz eine Paralleljustiz aufgestellt wird. Das haben Sie gesagt.