Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD) – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Wollen Sie einen Gesinnungstest machen?]

Das ist doch der Kern: In einer zivilisierten Gesellschaft – und in der leben wir –, in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft teilen wir miteinander Werte, die unser Gemeinleben bestimmen. Jeder, der bereit ist, diese Werte mit uns zu teilen, der auf einem legalen Weg zu uns kommt, der ist herzlich willkommen und der hat hier alle Möglichkeiten, sein Glück zu suchen. Und das ist auch gut so.

Wir haben heute zwei Anträge vorliegen – einen von der AfD, einen von der CDU-Fraktion –, die sich beide mit dem gleichen Themenkomplex befassen. Nun könnte man sagen, wer heutzutage einfach und undifferenziert fordert, man müsse pauschal nach Syrien abschieben, der ist ein Populist. Das könnte man sagen. Nun hat die CDU das

etwas differenzierter gemacht und gesagt: Wir müssen einmal die rechtlichen Bedingungen klären. Unter welchen rechtlichen Bedingungen können wir Gefährder und Straftäter abschieben? – Und genau das ist der richtige Weg. Wir müssen sagen, wo bei uns in der Gesellschaft die Grenze ist.

Kollege Zimmermann hat dargestellt, dass ja weiterhin abgeschoben wird. Das ist richtig, aber wir haben auch deutlich über 10 000 ausreispflichtige Menschen in Berlin, die wir auch nach und nach ausreisen lassen müssen, Kollege Zimmermann! Das wird mit diesen kleinen Raten, die wir da machen, auf Dauer nicht gelingen. So etwas überfordert in manchen Teilen die Gesellschaft. Das Schlimme daran ist, dass es eine Akzeptanz verringert und Erzählungen des rechten Rands verstärkt.

Wir müssen dafür Sorge tragen – all die, die diesen Rechtsstaat lieben –, dass seine Regeln umgesetzt werden. Wer keinen Aufenthaltsstatus hat, der gehört abgeschoben. So ist es nun einmal.

[Beifall von Sibylle Meister (FDP), Frank-Christian Hansel (AfD) und Christian Buchholz (AfD)]

Wir müssen auch genau auf die Lageeinschätzung des Auswärtigen Amts schauen. Ich denke, dass es da durchaus Möglichkeiten geben könnte, Schwerststraftäter und Gefährder in bestimmte Regionen in Syrien abzuschieben.

Ein Gefährder – und Frau Schubert, das funktioniert im Rechtsstaat halt nicht; ich weiß, dass es einen Staat in Deutschland gab, in dem es möglich war, Leute, die nichts gemacht haben, vor Gericht zu stellen, aber das geht in der Bundesrepublik Deutschland nicht – hat erst mal noch gar nichts getan. Der hat vor, etwas zu tun. Da wir in Deutschland noch keine Pre-Crime-Gerichte haben, werden wir diese nicht verurteilt bekommen, also laufen sie auf unseren Straßen herum und werden irgendwann zuschlagen. Wenn wir das wissen, dann ist es unsere Aufgabe, diese aus unserer Gesellschaft zu entfernen und dahin zu bringen, wo sie hergekommen sind. Wir sollten noch mal ganz genau darüber sprechen, und wir werden uns auch im Ausschuss mit diesem Thema befassen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP –

Zuruf von Harald Laatsch (AfD) –

geworden bin, war die FDP noch eine

Bürgerrechtspartei! –

Ach, die FDP! Das ist

einfach nur traurig!]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Lux das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die traurige und bittere Wahrheit ist und wird es wohl auch bleiben: In Syrien herrscht Krieg. Es ist ein vom Krieg und von Krisen gebeuteltes Land – übrigens in der gesamten Fläche. In solche Länder schiebt ein Rechtsstaat nicht ab.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir sind auch deshalb ein Rechtsstaat, weil wir uns an unsere demokratischen Institutionen halten, weil wir uns an internationales Recht halten, weil das Auswärtige Amt nun mal sagt, dort ist es nirgendswo sicher, und wir auch an internationales Recht gebunden sind, dorthin nicht abzuschieben.

Herr Fresdorf, Sie gehören einer liberalen Rechtsstaatspartei an,

[Zuruf von der LINKEN: Das war einmal!]

und ich muss sagen: Ich bin erschüttert! Ich bin erschüttert, wie sehr Sie hier der Vox populi nach dem Mund reden, wie sehr Sie hier mehr auf Ihren Bauch als auf Ihren rechtsstaatlichen Verstand – der irgendwo noch vorhanden ist – hören

[Paul Fresdorf (FDP): Das ist aber reizend!]

Na, Ihr Bauch ist wahrscheinlich mehr vorhanden, jedenfalls in der Rede davor – und hier einfach sagen: Weg mit dem! –, statt sich der Verantwortung zu stellen und die Regeln, die hier in diesem Land herrschen, allen zu erklären. Die Regeln gelten auch für uns als Deutschland.

Jemand, der das begriffen hat, ist der Bundesinnenminister, der den seit 2012 bestehenden absoluten Abschiebestopp in das Kriegsgebiet Syrien wahrscheinlich weiter verlängern wird. Dass sich die Union aus taktischen Gründen vom Acker macht – geschenkt. Dass die AfD, die auf der anderen Seite mit Putin fraternisiert und Assad besuchen geht, hier aber sagt: Der gehört vor ein Kriegsgericht – also völlig wirres Zeug, was die hier erzählen –, ist auch okay; auch, dass sich die Union vom Acker macht.

[Gunnar Lindemann (AfD): Das wirre Zeug erzählen die Grünen! Waren Sie schon mal in Syrien?]

Aber dass die FDP nicht die Traute hat, sich hier hinzustellen und rechtsstaatliche Regeln und die Realitäten auf dieser Welt, auf der wir nicht alleine sind, zu akzeptieren, ist wirklich traurig. Aber auch das wird sich für Sie, denke ich, rächen, denn die Menschen in diesem Land schätzen es, wenn man über den Tellerrand hinausschaut, und das Haus, in dem wir leben, ist nicht nur Deutschland, sondern das ist die Welt, in der wir mit vielen Leuten Verträge haben, und an die werden wir uns natürlich halten.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wenn Sie sich die Berichte über den traurigen Alltag in Syrien anschauen, wo Schulen, Krankenhäuser, Zivilisten, Frauen und Kinder bombardiert werden, wo inzwischen allein zwischen Dezember 2018 und März 2020 in Idlib nahezu eine Millionen Menschen fliehen mussten, wenn sie an der türkischen Grenze und aus den umliegenden Ländern – die natürlich viel mehr Flüchtlinge aufnehmen als Deutschland – zurückgeschoben und in Syrien wieder gefoltert, missbraucht usw. werden, so erklärt sich dann auch der Rechtsstaat, der auch – und das ist die schwierige Frage, bei der Sie sich vom Acker gemacht haben, und das ist traurig – die Rechte von demjenigen Menschen, der sie bei anderen schon mit Füßen getreten hat, wahrt. Dazu müssen Sie sich bekennen, dass wir als Rechtsstaat stärker sind. Das unterscheidet uns von Staaten wie Syrien, von Russland und von anderen auf dieser Welt. Dazu sollten Sie sich bekennen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von der AfD]

In der Europäischen Menschenrechtskonvention steht nicht zu Unrecht, dass bei der Gefahr für Leib und Leben niemand zurückgeschoben wird – auch das ist geltendes Recht. Aber auch Sie, wenn Sie dorthin zurückschieben wollen – – Das erklären Sie so einfach. Die kommen dann irgendwie weg, wenn sie hier Gefährder oder so sind. – So ein Schwachsinn! Wir haben in Syrien keine funktionierende Botschaft.

[Harald Laatsch (AfD): Wir haben dort keine Botschaft!]

Wie sollen denn Pässe beschafft werden?

[Gunnar Lindemann (AfD): Die Botschaft kann man wieder aufmachen!]

Ja, genau! Bitte gehen Sie rüber und machen Sie dort eine Botschaft auf, dann hätte das – –

[Gunnar Lindemann (AfD): Ich war schon dreimal in Syrien!]

Ja, da kommen wir ja näher! Lustreisen in die Ukraine und nach Syrien, die kennen wir von Ihnen! Tun Sie uns allen einen Gefallen: Gehen Sie nach Syrien, machen Sie dort eine Botschaft auf,

[Gunnar Lindemann (AfD): Nee!]

und lassen Sie uns hier in Ruhe, damit ist uns allen geholfen. Sie verkennen die Realitäten, Sie träumen,

[Zuruf von der AfD: Sie Traumtänzer!]

und das Schlimme bei Ihnen ist: Sie träumen einen griesgrämigen, einen unmenschlichen, einen nahezu schrecklichen Traum, einen Albtraum, aus dem Sie auch niemand mehr aufweckt, aber zum Glück ist das nur ein Traum. Was Sie hier wieder gemacht haben – da hat der Kollege Zimmermann recht –, ist, dass Sie eigentlich nach nichts anderem als einem Sündenbock suchen, anstatt die Realitäten mal anzuerkennen und zu sehen, was wir hier alles

machen, um Gefährder, um Straftäter zu bewachen, zu beobachten, um die auch in die Haftanstalten zu bringen. Wir klären im Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag auf und schauen, wie wir die Sicherheitsbehörden verbessern können. Wir beantragen, dass das BKA zumindest die Top-Gefährder auf dem Schirm hat. Wir stellen uns diesen Realitäten, dass wir nicht jeden, den wir hier vielleicht nicht haben wollen, loswerden können, und schauen, wie wir unsere Sicherheitsbehörden, aber auch die Prävention stärken und ausbauen.

Das sind die konstruktiven Vorschläge, auf die es hier ankommt, und nicht das Reden nach dem Maul, das Suchen nach Sündenböcken und das Vorschlagen von völlig unrealistischen, abwegigen, unmenschlichen und rechtswidrigen Forderungen. Ich kann nur hoffen, dass dieser Weg rechtsstaatlich gerade und realistisch hier auch obsiegen wird. Den AfD- und den CDU-Antrag muss man aus diesen Gründen auch ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung beider Anträge an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. Widerspruch hierzu höre ich nicht. – Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 30

Berlin fördert Wohneigentum durch ein eigenes Mietkaufprogramm