Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren! Manchmal denke ich wirklich, ich bin im falschen Film.
Gerade erst haben wir den Mietendeckel diskutiert. Gerade erst haben wir darüber gesprochen, welche Folgen die Shoppingtour vieler sogenannter Investoren unserer Stadt hinterlassen hat. In Anbetracht dieser Situation kommen Sie jetzt, liebe FDP, und wollen einmal voll originell neoliberale Privatisierungspolitik betreiben.
Zugegeben, der Antrag klingt erst einmal ganz nett. Er klingt schön und nett und ist total verlockend, mehr Wohnraum für Personen mit niedrigem Einkommen. Super! Kann keiner etwas dagegen haben. Aber das Schönste an dem Antrag ist, dass Sie endlich das bestätigen, was Sie sonst vehement geleugnet haben, die letzten Jahre. Der spekulative Immobilienmarkt ist außer Kontrolle. Der Neubau ist unter normalen Marktbedingungen nur für einkommensstarke Haushalte bezahlbar. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis!
Ich muss Ihnen auch in einem Punkt recht geben. Sie haben gerade gesagt, damals, vor 20 Jahren, hätten sich die Leute die Wohnungen kaufen können und hätten sich das leisten können. Da gebe ich Ihnen echt einmal recht, Frau Meister. Was Sie aber verkennen, ist nun mal, dass sich die Preise in dieser Zeit um mindestens 200 Prozent erhöht haben.
Deswegen kann man den Leuten auch nicht verantwortungsvoll raten, in diese Spekulationsgeschäfte einzusteigen.
Sie stellen richtig fest, dass es kreative Ideen und regulative Instrumente braucht, um den Mietenwahnsinn und
auch das drängende Problem der Altersarmut unter Kontrolle zu bekommen. Ein intelligenter Mann hat aber auch einmal richtig gesagt, dass man – ich zitiere: „Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, mit der sie entstanden sind“.
Genau in diese Falle tappt die FDP mal wieder. Sie wollen den unregulierten Markt und das Problem der steigenden Anzahl von Eigentumswohnungen und den damit schädlichen Auswirkungen von Umwandlung, Leerstand und Zweckentfremdung womit lösen? – Mit einfach noch mehr Eigentumswohnungen. Für ein paar wenige allerdings und nicht für viele.
Gehen wir doch einmal kurz ins Detail Ihres Antrags. Da habe ich nämlich auch ein paar Fragen wie meine Vorrednerinnen und Vorredner. Ganz praktisch, nach welchen Kriterien soll der Personenkreis der WBS plus 80 ausgesucht werden? Wie viele Menschen sollen eigentlich letztlich davon profitieren? Sie haben keine Hausnummer genannt. Was passiert eigentlich mit den Menschen, die ihren Job verlieren? Vor allem bleiben Fragen zur Finanzierung Ihres Vorhabens größtenteils unbeantwortet. Sollen landeseigene Unternehmen das Grundstück umsonst hergeben oder Bürgschaften für eine 100prozentige Fremdfinanzierung geben? Beides wäre auf jeden Fall gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, den Sie doch sonst hier so oft hochhalten.
Drittens: Der Mietspiegel für die Rückzahlung der Kredite soll sich laut Ihrem Vorschlag an den aktuellen Vergleichsmieten orientieren. 2019 beträgt die ortsübliche Vergleichsmiete im Neubau zwischen 9,85 Euro und 12,89 Euro. Ich weiß nicht, in welcher Realität Sie leben, aber ein Einpersonenhaushalt mit WBS plus 80 hat im Monat 1 800 Euro netto zur Verfügung. Bei einer Fremdfinanzierung am Kapitalmarkt, wie Sie vorschlagen, wird es automatisch zu höheren Zinsen kommen, die wieder durch die Mieten gedeckt werden müssen. Damit bleibt auch weniger für die Tilgung. Übrigens sind Instandhaltungskosten und Nebenkosten hier auch gar nicht berücksichtigt.
Kommen wir aber zum wichtigsten Punkt. Ihr Modell sieht vor, dass ein landeseigenes Wohnungsunternehmen Eigentumswohnungen auf landeseigenen Grundstücken – wir haben so viele davon, deswegen haben wir gerade einen Bodenfonds gegründet, um neue Grundstücke anzukaufen, aber okay – zu errichten. Sie wollen quasi unsere Grundstücke wieder verticken. Trotz Erbbaurechtsverträgen würden diese Grundstücke damit wieder stückweise privatisiert. Ihr Programm – jetzt komme ich dazu – garantiert nämlich nicht, dass die Wohnungen nach erfolgreichem Kauf nicht wieder dem Spekulationsmarkt zugeführt werden. Nach Abzahlung könnten die neuen Eigentümer die Wohnungen zu Marktpreisen wieder weiterveräußern. Kurzum: Was Sie eigentlich vorschlagen, sind Eigentumswohnungen als Geschenk der
Steuerzahler für ein paar wenige Personen. Das können Sie noch so oft als Mietkaufmodell bezeichnen – echt cooles Framing –, aber das ist Privatisierungspolitik durch die Hintertür, liebe Frau Meister. – Es wirkt daher auch leicht verdächtig, dass Sie die Vorkaufsfrist für die Wohnungen des Landes auf lediglich zehn Jahre gesetzt haben. Mich würde wirklich einmal interessieren, wie Sie auf diese zehn Jahre kommen – hätte man ja auch unbefristet vorschlagen können, dann hätte Ihr Vorschlag vielleicht ein bisschen ehrlicher gewirkt. Zur Erinnerung: Wir haben es vor einiger Zeit geschafft, ein Verkaufsmoratorium für landeseigene Liegenschaften durchzusetzen – auch die CDU war dafür –, und unsere Regierung bügelt heute noch die Verfehlungen aus, die die Privatisierungswelle Anfang dieses Jahrtausends angerichtet hat.
Ja, natürlich war das auch Rot-Rot, aber das ist doch jetzt egal, Herr Fresdorf. Jeder hat das Recht in der Politik, auch einmal Fehler zu machen.
und der Punkt ist, dass wir jetzt eine soziale Wohnungspolitik gemacht haben, die Berlin seit 30 Jahren nicht gesehen hat.
Daher: Halten Sie sich mal zurück! Es interessiert die Leute da draußen auch gar nicht mehr. Die Leute wollen von uns hören, welche Lösungen wir anzubieten haben.
Schauen wir doch einmal in Länder wie Spanien oder Griechenland! Auch wenn Sie das nicht gern wahrhaben wollen, in Griechenland oder auch in Spanien, wo der Eigentümermarkt eben sehr stark war, sind Krisen entstanden aus genau solchen Immobilienblasen. So viel zum Thema Wohlstand und zu der Behauptung, wir hätten etwas gegen Eigentum! – Das ist nicht der Punkt. Keiner hat hier was gegen Eigentum,
keiner hat was gegen Wohlstand. Sie streuen den Leuten aber Sand in die Augen und erzählen hier, man könnte das für alle Menschen verwirklichen. Sie nennen noch nicht einmal eine Hausnummer, wie viel das kostet. Also bitte!
Das hat mit der Lebensrealität der Berlinerinnen und Berliner wirklich gar nichts zu tun. Sie selbst stellen ja auch immer wieder fest, Berlin ist eine Mieterstadt, nicht?
Daher bin ich auch ganz fest der Überzeugung – und ich glaube, das sehen auch viele Menschen in Berlin so –, die landeseigenen Wohnungsunternehmen sollen Bestandshalter von Immobilien sein und vor allem für die Menschen da sein, die die Wohnungen besonders brauchen. So hilft man am besten gegen Altersarmut und schafft auch eine gerechte Mietenpolitik. – Danke schön!
[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Florian Dörstelmann (SPD)]
Vielen Dank! – Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild nach § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. – Sie haben jetzt das Wort, Herr Abgeordneter.