Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

Frau Vorsitzende! Ausführen dürfen wir ja wohl noch! – Fangen wir noch einmal an: Es gibt einen Bereich vom Kottbusser Tor bis zum U-Bahnhof Görlitzer Bahnhof und anschließend dem Görlitzer Park. Diese Fläche kann man eigentlich nur als gemeinsamen Kriminalitäts

schwerpunkt sehen. Welches Gesamtkonzept haben Sie? Wir haben gestern gehört, dass Sie in dem Bereich des Görlitzer Parks einen Rückschwenk machen wollen bzw. die Menschen, die dort vor Ort leben, mehr oder weniger den kriminellen Kreisen überlassen wollen.

[Beifall von Andreas Wild (AfD)]

Herr Senator!

Frau Präsidentin! Herr Wansner! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das ist eine sehr weite Auslegung einer Zeitungsmeldung, die Sie gestern offenbar gelesen haben.

In Sachen Görlitzer Park ist es so, dass seit März 2015 eine gemeinsame Vereinbarung der damaligen Justizverwaltung, der Innenverwaltung und der Verwaltung für Gesundheit und Soziales existiert, eine sogenannte Nulltoleranzzone für diese eine Grünanlage zu errichten. Für diese eine Grünanlage gab es dann eine intensive Bearbeitung durch die Polizei mit hohem personellen Einsatz. Im Ergebnis muss man feststellen, dass diese Nulltoleranzstrategien nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt haben.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Kurt Wansner (CDU): Das sehen wir aber anders!]

Sind Sie an einer Antwort interessiert? – Gut!

Die letzte Überprüfung dieser gemeinsamen Vereinbarung fand im Oktober letzten Jahres statt. Die nächste Überprüfung steht im April dieses Jahres an. Und die Justizverwaltung sowie die Innenverwaltung werden sich dazu verständigen, wie weiter zu verfahren ist. Ich gehe davon aus, dass die Nulltoleranzstrategie, die im Görlitzer Park praktiziert wird, da sie nicht zu den gewünschten Ergebnissen, sondern nur zur Verdrängung und Verstärkung von Drogenkriminalität an anderen Orten Berlins geführt hat, im Görlitzer Park nicht mehr fortgesetzt wird und dass wir im Görlitzer Park dann, was die Betäubungsmittel betrifft, die gleiche Regelung haben werden, wie sie in ganz Berlin und im Übrigen auch in vielen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland gilt.

Wenn Sie die Situation im Görlitzer Park aber insgesamt betrachten, geht es nicht nur um Betäubungsmittelkriminalität, sondern auch um begleitende Kriminalität wie Raubtaten und Belästigungen von Anwohnern etc. Da gilt für den Görlitzer Park das Gleiche, wie ich es für das Kottbusser Tor gesagt habe: Sie werden Sicherheit nicht dadurch herstellen, dass Sie Polizei an den Ort stellen, aber nicht die Ursachen der Kriminalität oder der

(Senator Andreas Geisel)

Verwahrlosung an diesem Standort angehen. Auch deshalb werden wir für den Görlitzer Park ein Gesamtkonzept entwerfen müssen – gemeinsam mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, den Eigentümern der Häuser am Görlitzer Park, den Gewerbetreibenden und den Bewohnerinnen und Bewohnern der Umgebung.

Ein guter Schritt in diese Richtung war im vergangenen Jahr die Etablierung eines Parkmanagers und die Bereitstellung von Sozialarbeitern. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat im vergangenen Jahr eine öffentliche Toilettenanlage für etwa eine halbe Million Euro finanziert, um dort die Situation zu verbessern. Ich war mit dem damaligen Baustadtrat von FriedrichshainKreuzberg im Park unterwegs, um zu überlegen, was man tun kann, um Angsträume zu beseitigen. Da hat es Freischnitte bei Grünanlagen gegeben. Auch im Görlitzer Park wird sich die Situation nicht innerhalb kürzester Zeit verbessern, sondern es ist ein intensives Zusammenwirken aller Beteiligten gefordert und erforderlich. In einem mittelfristigen Zeitraum werden wir auch diese Situation verbessern.

Nur ist der starke Polizeieinsatz, auf den Sie jetzt rekurrieren, auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen der Polizei ausgetragen worden. Richtig und gut ist, dass die Polizei den starken Einsatz im Görlitzer Park nicht dadurch kompensiert hat, dass in anderen Bereichen Berlins Polizei abgezogen wurde und damit die Sicherheit abgenommen hat. Das war zum Glück nicht der Fall. Aber damit das nicht so war, haben die Kolleginnen und Kollegen der Polizei eine Menge Überstunden angehäuft. Das geht auf Dauer nicht, dass wir unsere Polizisten an einem Punkt verheizen und auf ihrem Rücken einen Kampf austragen und dennoch nicht die Ergebnisse erzielen, die wir erzielen wollen. Deshalb finde ich die Behauptung, die aufgestellt wurde, dass wir dort aufgeben würden und Ähnliches, nicht den Tatsachen entsprechend – ich versuche das vorsichtig zu formulieren.

[Roman Simon (CDU): Jetzt kapitulieren Sie, oder was?]

Auch die CDU muss mit den Ergebnissen ihrer Politik umgehen. Und die Ergebnisse Ihrer Politik am Görlitzer Park sind eben nicht die, die Sie erreichen wollten, sondern es gibt weiter Drogenkriminalität an dieser Stelle. Diese Politik weiter zulasten der Kolleginnen und Kollegen der Polizei fortzusetzen, geht eben nicht. Deshalb werden wir das mit einem Gesamtkonzept angehen und nicht mit kurzfristiger Polizeiverstärkung an der Stelle.

Eines ist mir aber noch wichtig zu sagen: Das bedeutet nicht, dass die Polizeipräsenz am Görlitzer Park deutlich nachlässt. Wir gehen selbstverständlich weiter Straftaten am Görlitzer Park nach. Wir sind selbstverständlich vor Ort präsent. Drogendealer im Görlitzer Park dürfen sich nicht sicher fühlen. Die Aufgabe wird durch die Polizei weiterhin wahrgenommen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank!

Jetzt hat der Abgeordnete Herr Trapp das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Nachdem wir im Innenausschuss hörten, dass 15 000 Kameras in Berlin etabliert sind, möchte ich wissen: Wie viele Videokameras sind von der Berliner Polizei zur Kriminalitätsbekämpfung auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen gegenwärtig positioniert?

Bitte, Herr Senator Geisel, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Trapp! Die genaue Zahl liegt mir gegenwärtig nicht vor. Um die Gesamtsituation im öffentlichen Raum Berlins zu beschreiben: Wir haben etwa 15 000 Videokameras im öffentlichen Raum, davon rund 14 000 beim öffentlichen Personennahverkehr. Somit verbleiben ca. 1 000 Videokameras im öffentlichen Raum. Insofern wäre das die Zahl, nach der Sie gefragt haben. Diese Kameras werden im Wesentlichen dafür eingesetzt, um beispielsweise Botschaften abzusichern – um nur ein Beispiel zu nennen.

Im Präventions- und Sicherheitspaket des Senats sind 350 000 Euro reserviert, um mobile Videotechnik anzuschaffen, um auf der Basis des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes – §§ 24 und 24a – eine mobile Videoüberwachung bei Großveranstaltungen möglich zu machen. Da mehrere Großveranstaltungen in diesem Jahr in Berlin anstehen und wir an dieser Stelle mit mobiler Videotechnik anlassbezogen und temporär tätig werden wollen, um dort Sicherheit zu schaffen, bereiten wir gerade die Anschaffung weiterer mobiler Videotechnik im Rahmen dieser 350 000 Euro vor. Das heißt, wir werden noch einige zusätzliche Videokameras anschaffen.

Gestatten Sie mir zu sagen, dass die Debatte über die Videoüberwachung an dieser Stelle deutlich überbewertet ist. Die Vorstellung vieler Menschen, die zusätzliche Videotechnik oder Videokameras fordern, ist die, dass hinter einer Videokamera ein Bildschirm ist und dahinter ein Kollege der Polizei sitzt. Das ist ausdrücklich nicht der Fall! Wir versuchen, das zu ermöglichen, um Großveranstaltungen besser abzusichern, und zwar auf der

(Senator Andreas Geisel)

Basis des gelten ASOG. Nur, die Videoüberwachung, die im Moment möglich ist, ist retrospektiv, das heißt, wir können Täter feststellen, Fahndungserfolge erzielen und im Nachgang auf diese Art und Weise tätig werden. Das ist durchaus erfolgreich. Es gibt zahlreiche Beispiele, die öffentlich bekannt sind, und deshalb möchte ich das nicht geringschätzen. Nur, die Vorstellung, dass wir mit einer dauerhaften, flächendeckenden Videoüberwachung mehr Sicherheit in Berlin garantieren würden, ist ein Irrtum. Das ist gut an Beispielen zu sehen wie London, wo es eine flächendeckende Videoüberwachung gibt, aber auch dort gibt es noch Kriminalität. Sie wissen es als Vorsitzender des Innenausschusses, auch beim Fall Amri, werten die Kolleginnen und Kollegen des LKA Terabyte von Videoaufnahmen aus, um retrospektiv ein Bewegungsbild zu erstellen. Dass damit Anschläge zu verhindern sind, ist nicht in einen unmittelbaren Zusammenhang zu bringen. Deshalb möchte ich das an dieser Stelle nicht überbewerten, aber wir sind dort auf der Basis des geltenden ASOG tätig.

Vielen Dank, Herr Senator! – Herr Trapp! Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte sehr!

Das war eine umfangreiche Antwort. Allerdings haben Sie nichts zur Kriminalitätsbekämpfung gesagt. Also gehe ich davon aus, dass zur Kriminalitätsbekämpfung auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen zurzeit von der Polizei keine Kameras eingesetzt werden.

Herr Senator!

Sehr geehrter Herr Trapp! Das halte ich jetzt für eine Verkürzung meiner Aussage. Insofern würde ich eine solche pauschalisierte Aussage nicht treffen. Ich bin aber im Moment nicht in der Lage zu sagen, wie viele von den 1 000 Kameras an welcher Stelle tatsächlich eingesetzt werden, und welche Erfolge oder Misserfolge damit erzielt werden. Sie kennen die §§ 24 und 24a ASOG und die Bezugnahme darauf, dass Straftaten von großer Schwere auf diese Art und Weise verhindert werden sollen und dafür auch Kameras eingesetzt werden können. Das ist auch der Hintergrund dessen, was ich vorhin gesagt habe. Wenn wir mehr mobile Technik anschaffen wollen, dann wollen wir auch solche Straftaten verhindern, und selbstverständlich nutzen wir dann auch die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.

Vielen Dank, Herr Senator! – Meine Damen und Herren Abgeordnete! Damit sind die 60 Minuten um und die Fragestunde hat für heute ihr Ende gefunden.

Wir kommen nun zur

lfd. Nr. 3:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 8

Trennung von Amt und Mandat – Änderung der Landesverfassung von Berlin

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/0178

Erste Lesung

[Unruhe]

Ich eröffne die erste Lesung. Die AfD-Fraktion beginnt die Beratung. Ich bitte um Aufmerksamkeit und darum, die Gespräche am Rand entweder sofort zu beenden oder draußen fortzuführen. – Bitte, Herr Abgeordneter Vallendar, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Alles wäre verloren, wenn ein und derselbe Mann bzw. die gleiche Körperschaft entweder der Mächtigsten oder der Adligen oder des Volkes folgende drei Machtvollkommenheiten ausübte: Gesetze erlassen, öffentliche Beschlüsse in die Tat umsetzen, Verbrechen und private Streitfälle aburteilen.

Zitat Montesquieu aus seinem Werk „Vom Geist der Gesetze“, 1748. – Darin analysierte er die damalige englische Verfassung und knüpfte an den englischen Philosophen John Locke an, der die Trennung von gesetzgebender und Regierungsgewalt postulierte. Montesquieu ging weiter. Er trennte die Bereiche Gesetzgebung, Regierungsgewalt und Rechtsprechung. Die Institutionen dieser Checks and Balances stellen sicher, dass es nicht zu einem Machtmissbrauch Einzelner kommen kann. Die Herrschenden müssen dementsprechend überhaupt nicht tugendhaft sein. Die natürlichen Fehler und Laster der Menschen werden also durch die Gewaltenteilung geheilt und ausgeglichen. Dieser Grundsatz der Gewaltenteilung inspirierte sämtliche Verfassungsgeber aller demokratischen Staaten in der Welt und ist heutzutage auch in

(Senator Andreas Geisel)

Deutschland in Artikel 20 Abs. 2 GG festgehalten. Die Staatsgewalt wird vom Volk

durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.