Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Punkt 3: 630-DM-Gesetz.

(Abg. Döpper CDU: Oje!)

Es hat die Arbeit verteuert, die Bürokratie wächst, die Flexibilitätsreserve wird zerstört,

(Abg. Döpper CDU: Überwachungsstaat!)

die Schwarzarbeit wird gefördert.

(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Genau!)

Punkt 4: Scheinselbstständigkeit. Selbst aus meinem eigenen Betrieb sind in der Zwischenzeit drei weitere Betriebe entstanden. Aber wie ist es möglich, einen neuen Betrieb aufzubauen? Man hat einen Auftraggeber, der einem die Arbeit gibt. Weil diese Möglichkeit erschwert wird, ist auch dies ein Verhinderungsgesetz.

Punkt 5: Abschreibungsfristen. Die Investitionen bleiben die Konjunkturstütze in unserem Lande. Wenn wir jetzt die Abschreibungsfristen verlängern und bei der degressiven Abschreibung die Abschreibung im ersten Jahr von 30 % auf 20 % kürzen, sage ich Ihnen anhand von zwei Beispielen, was das bedeutet. Ein Lastwagen in der Bauindustrie, der praktisch in drei Jahren kaputt ist und ersetzt werden muss, bekommt eine Abschreibungsfrist von neun Jahren. Wie soll er bei einer solchen Abschreibungsfrist durch einen neuen ersetzt werden können?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Döpper CDU)

Oder ich nenne Ihnen ein Beispiel aus meinem Betrieb: Eine Drehmaschine, die derzeit im Laufe von 10 Jahren abgeschrieben wird, soll in der Zukunft in 15,5 Jahren abgeschrieben werden. Da sind in der Zwischenzeit drei oder vier neue Technologiewellen darüber hinweggegangen, sodass dies wirklich praxisfremde Beschlüsse sind.

Der entscheidende Punkt für unsere Betriebe ist die Wettbewerbsfähigkeit, denn nur wettbewerbsfähige Arbeitsplätze sind sichere Arbeitsplätze. Wir brauchen Investitionen in Innovationen. Ich habe bereits Briefe von Maschinenbaufirmen erhalten, die sich bei mir beklagen, dass sie bereits Stornierungen für den Fall haben, dass die Abschreibungsfristen verlängert werden. Auch in den Betrieben ist dies natürlich ein Thema der Liquidität.

(Abg. Mühlbeyer CDU: Sehr richtig!)

Wie sollen Rücklagen für zukünftige Investitionen gebildet werden?

Sechstens: die Teilzeitregelung. Darüber habe ich bereits einmal gesprochen.

Ich bin ja für befristete Arbeitsverhältnisse, weil sie ein hilfreiches Instrument sind.

Mir wird angezeigt, dass meine Sprechzeit zu Ende geht.

(Abg. Capezzuto SPD: Gott sei Dank! – Abg. Döp- per CDU: Aber das ist interessant! Mach nur wei- ter!)

Ich werde in der zweiten Runde noch einige Punkte sagen. Ich möchte jetzt nur diesen Punkt noch zu Ende bringen.

Wenn man beispielsweise davon ausgeht, dass ein Student als Betriebsjobber bei einem Betrieb arbeitet und dort, wenn er mit seiner Ausbildung fertig ist, eine eigene Anstellung bekommt, dann darf man den aber nicht befristet anstellen. Man muss also auch speichern, und man muss wieder eine neue Bürokratie beginnen.

Das Allerschlimmste bei dieser Teilzeitregelung ist, dass jeder Arbeitnehmer nicht nur ein Recht darauf hat, wie viel er Teilzeit arbeiten möchte, sondern auch darauf, wann er diese Teilzeit leisten möchte. Wie soll in einem Betrieb, der „just in time“ liefert, hier noch eine eindeutige Betriebsplanung, eine Produktionsplanung gemacht werden können?

Damit möchte ich es im ersten Teil bewenden lassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Döpper CDU: Das war ausgezeichnet!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Nagel.

(Abg. Döpper CDU: Jetzt kommt der Theoretiker!)

Herr Döpper, habe ich etwa die Null gewählt, weil Sie sich melden?

(Heiterkeit – Abg. Döpper CDU: Gut eingeübt! – Abg. Hofer FDP/DVP: Das kann er hier nur ein- mal bringen! Damit ist es verbraucht!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die bisherigen Diskussionsbeiträge erinnern mich sehr an die Beiträge anfangs der Siebzigerjahre, als es um das neue Betriebsverfassungsgesetz ging. Die damaligen Argumente hat man wieder ausgegraben, die alten, ausgekratzten Plastikbecher des BDA, die Käsefolie des BDI.

(Lachen bei der CDU und der FDP/DVP)

Alles hat man gesammelt, um es jetzt einer Wiederverwertung zuzuführen. Für den Transport dieses Mülls braucht man gelbe Säcke, und deswegen diskutieren wir heute Morgen über einen Antrag der FDP/DVP.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Abg. Rückert CDU: Jetzt aber! – Abg. Hofer FDP/DVP: Das kann ja heiter werden!)

Von der FDP/DVP habe ich auch gar nichts anderes erwartet. Ich hatte eigentlich etwas Hoffnung auf die Kolleginnen und Kollegen der CDU gesetzt.

(Abg. Döpper CDU: Haben Sie nicht aufgepasst?)

Diese Hoffnung habe ich gehabt, weil es bei Ihnen noch so etwas wie Sozialausschüsse, wie die CDA gibt. Ich will

einmal zitieren, worauf sich meine Hoffnung gründet. In dem Papier „Wirtschaft im Wandel“ des CDA-Bundesvorstands heißt es:

Die Globalisierung beschleunigt den wirtschaftlichen Wandel in Deutschland. Produkte, Produktionsverfahren, Arbeitsorganisation, Managementmethoden oder Arbeitsanforderungen verändern sich kontinuierlich. Gerade im Betrieb ist dieser Wandel spürbar. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen diesen Prozess mitgestalten. Die Globalisierung stellt auch die betriebliche Interessenvertretung, die Betriebsräte vor neue Herausforderungen. Sie macht nicht weniger, sondern mehr Mitbestimmung und ein neues Verständnis von Mitbestimmungsprozessen erforderlich. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Betriebe stärker als die Zahl der Betriebsräte. Große Betriebe werden kleiner. Sie gliedern Betriebsteile aus.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Das ist doch keine Aktu- elle Debatte! Der liest stundenlang vor!)

Neu gegründete Betriebe gehören häufig zu den Kleinstbetrieben. Hinzu kommen Arbeitsformen wie Leiharbeit, Telearbeit oder befristete Arbeitsverträge. Auch diese Entwicklung sorgt für kleinere Belegschaften und damit für kleinere Betriebsräte. Die Arbeit von Gesamt- und Konzernbetriebsräten ist schwerer geworden durch Fusionen, durch Aufspaltungen, durch Ausgliederungen. In der Öffentlichkeit wechselt das Image der Betriebsräte hin und her.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Wieso lesen Sie das ei- gentlich alles vor?)

Ich zitiere. Sie müssen schon noch etwas Geduld aufbringen. Ich weiß, Sie sind noch aufgebracht durch Ihre Chaostage gestern Abend. Jetzt kommen Sie wieder etwas herunter!

(Abg. Hofer FDP/DVP: Die Rede ist ein Zitat!)

Der tägliche Einsatz für Betrieb und Beschäftigte, das Ringen um eine menschliche Gestaltung der Arbeitswelt, wobei Betriebsräte als Co-Manager arbeiten, der regelmäßige Rollenwechsel zwischen dem Anwalt für Beschäftigte, dem Konfliktmanager im Betrieb, dem Moderator in Qualitätszirkeln, dem Motivator für Arbeitnehmer in Umbruchprozessen, dem Ideenspender für Weiterbildungskonzepte, dem Zuhörer bei persönlichen Nöten, um nur einige zu erwähnen.

Schöner kann es ein Sozialdemokrat oder Gewerkschafter nicht sagen, als es hier von der CDA niedergeschrieben ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Beifall der Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen)

Gestatten Sie mir noch ein kurzes CDA-Zitat aus dem „Mediendienst“, noch relativ frisch aus dem Internet. Dort heißt es unter der Überschrift „CDA droht mit Zerreißprobe – Mitbestimmung gehört zur Leitkultur“:

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen)

Der Hauptgeschäftsführer der CDU-Sozialausschüsse (CDA) , Ulrich Hettinger, erklärt zur Diskussion über die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes: „... Dass die berufsmäßigen Interessenvertreter von BDA und Wirtschaftsrat die Schlachten des letzten Jahrhunderts kämpfen und die Mitbestimmung als Standortrisiko verteufeln, zeigt ihre mangelnde Innovationskraft. Ärgerlich ist es, wenn die Parolen der Wirtschaftslobby von führender Stelle in der Union nachgebetet werden.... Die Mitbestimmung ist ein Standortvorteil, wie selbst die Bertelsmann-Stiftung in einer ausführlichen Untersuchung festgestellt hat.“

Letzter Satz aus diesem Zitat:

„Die Reform der Betriebsverfassung wird zur Zerreißprobe in der CDU, wenn die Forderung der Arbeitnehmer nach einer Ausweitung ihrer Rechte ignoriert wird. Die CDU ist nicht das Sprachrohr der Arbeitgeber, sondern soziale Volkspartei der Mitte. Wenn sie das Wahldebakel bei der letzten Bundestagswahl ehrlich aufarbeitet, dann darf es kein ‚weiter so‘ mit der Wirtschaftslobby geben, sondern klare Signale in die Arbeitnehmerschaft und ihre Familien. Sie sind die Mehrheitsbeschaffer.“

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Nagel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Dr. Salomon?

Bitte.