Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Bitte.

Bitte schön, Herr Dr. Salomon.

Herr Kollege, die Zitate sind ja hochinteressant. Sie zitieren da immer eine Organisation namens CDA. Ich kenne die gar nicht. Können Sie mir erklären, wer das eigentlich ist?

(Heiterkeit)

Wenn ich Ihnen hier eine Antwort geben müsste, Herr Salomon, müsste ich beginnen mit „Es war einmal“. Aber es sitzen hier noch ein paar Leute, die den CDA-Kittel anhaben. Aber den müssen sie prinzipiell ausziehen, wenn es um wirtschaftspolitische Themen geht.

Wir haben zu verzeichnen, dass die Landesregierung hier noch einen drauflegt. Sie fordert jetzt eine Bundesratsinitiative, um gegen das neue Betriebsverfassungsgesetz zu starten. Ich sage Ihnen: Sie trauen den Menschen in den Betrieben nichts zu. Sie wollen sie von Mitbestimmung und Beteiligung fern halten. Sie von der CDU und der FDP/DVP haben ein gestörtes Verhältnis zu den Arbeitnehmern in den Betrieben, und Sie haben überkommene und veraltete Vorstellungen von Hierarchien in den Betrieben, von Unterordnung und Überordnung.

(Abg. Keitel CDU: Brioni-Kanzler! – Abg. Rü- ckert CDU: Keine Ahnung!)

Sie sollten Mitbestimmung als Plus begreifen, als einen Standortvorteil. Sie haben 1998 die Wahlen verloren, weil Sie sich von den Menschen entfernt haben. Das war vor

zwei Jahren. Offensichtlich haben Sie das schon wieder vergessen. Anscheinend leiden Sie unter einer kollektiven Amnesie.

Auch das Teilzeitarbeitsgesetz wird von der Mehrheit aller Sachverständigen befürwortet, auch von Arbeitgebern, die sich die Mühe gemacht haben, dieses Teilzeitarbeitsgesetz einmal genau durchzulesen. Sie malen hier ein Horrorgemälde an die Wand. Dabei ist genau festgehalten, dass Teilzeit nur dann gewährt werden kann, wenn es den betrieblichen Interessen nicht entgegensteht.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Schwammiger Begriff!)

Das ist kein schwammiger Begriff. Das heißt, man muss sich einigen.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Arbeitsgerichtsprozesse!)

Herr Hofer, Sie müssen einmal die tatsächliche betriebliche Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen. Dort arbeiten nämlich Unternehmer, Gewerkschafter und Betriebsräte viel besser zusammen, als Sie es hier darstellen wollen.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hofer FDP/DVP: Das ist wahr, aber wir machen das ohne Gewerkschaf- ter! – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Nagel, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich komme zum Schluss.

Letzter Satz: Man hat den Eindruck, dass Sie sich im Vorfeld der Landtagswahlen wieder bei den Arbeitgeberverbänden einschmusen. Ihr Generalsekretär hat gesagt: Die Koffer sind leer. Man will offensichtlich die Koffer wieder füllen. Und Ihnen von der FDP/DVP sage ich nur: Schlagen Sie Ihr Buch zu, und beenden Sie Ihren Zwergenaufstand.

(Beifall bei der SPD – Abg. Hofer FDP/DVP: Wo bleibt die Ballonmütze?)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Schlager.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ganz so witzig muss es nicht sein! – Abg. Hofer FDP/ DVP: Wir hoffen, etwas friedlicher!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte diese Debatte mit einem Zitat des Ministerpräsidenten aus der Bundesratsinitiative gegen das neue Betriebsverfassungsgesetz einleiten. Der Ministerpräsident sagt:

Schon jetzt wirkt sich das Übermaß an Vorschriften in Deutschland auf viele ausländische Investoren abschreckend aus.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Sehr gut! Genau das ist das Thema! – Abg. Hans-Michael Bender CDU: Ganz genau!)

So meint der Ministerpräsident.

Dazu zwei Zahlen aus dem Gutachten des Sachverständigenrats 2000/2001: Direktinvestitionen in Deutschland 1997 11 Milliarden DM, Direktinvestitionen aus dem Ausland im ersten Halbjahr 2000 61 Milliarden DM.

(Unruhe und Zurufe, u. a. des Abg. Hofer FDP/ DVP)

Die Direktinvestitionen gehen steil nach oben, meine Damen und Herren, weil die Rahmenbedingungen stimmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Die ausländischen Firmen haben wieder Vertrauen in diesen Standort. Meine Damen und Herren, schneiden Sie sich doch einfach eine Scheibe davon ab.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

In der Tat, die Bundesregierung hat einige Gesetze geändert,

(Abg. Kurz CDU: Und viel repariert!)

und einige stehen noch zur Änderung an. Es war ja auch einiges liegen geblieben, meine Damen und Herren.

(Abg. Rückert CDU: Aber nur deshalb, weil Rot- Grün die seinerzeitige Regierung durchgebremst hat!)

Es gab einmal eine Bundesregierung, die einfach nichts geregelt gekriegt hat, und deren Markenzeichen war Reformstau. In die Zeiten dieser Erstarrung will niemand mehr zurück.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Dr. Inge Gräßle CDU: Das gefällt nicht einmal den eigenen Leuten, was Sie sagen!)

Deswegen wird es Ihnen nicht gelingen, mit dem Kampfbegriff Reformstau alles madig zu machen, was ein bisschen nach Veränderung riecht, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Der Begriff Regelungswut ist einfach inhaltsleer. Jedenfalls bisher ist es Ihnen in der Debatte nicht geglückt, ihn mit Inhalt zu füllen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist genauso wie Benzinwut!)

Soll denn vielleicht eine Regierung nicht handeln, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Größenordnung von 1 Million in die Scheinselbstständigkeit getrieben werden? Soll denn eine Regierung nicht handeln, wenn die Nische der 630-DM-Beschäftigungsverhältnisse plötzlich in das Regelarbeitsverhältnis auswuchert und den Sozialversicherungen die Beiträge fehlen?

(Abg. Hofer FDP/DVP: Aber nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben! – Gegenruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Aber aus- treiben muss man den Teufel schon! Darüber sind wir uns einig!)

Wenn Missstände vorliegen, muss eine Regierung handeln. Wenn sie dies nicht tut, handelt sie fahrlässig.

(Abg. Brechtken SPD: Ist eigentlich egal, mit wem?)

Nun zum Gesetz über die Teilzeitarbeit und die befristeten Arbeitsverhältnisse. Angeblich ist das ja ein mittelstandsfressendes Monster.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Ich führe jetzt einige Einzelheiten aus diesem Gesetz an; Sie werden dann Ihre Vorwürfe einfach nicht aufrechterhalten können.

Erstens: Das Gesetz hat für 80 % der baden-württembergischen Firmen gar keine Folgen, weil es sich erst ab 15 Beschäftigten auswirkt.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Das ist schon einmal ein Vorteil! Entwarnung für 80 %! – Zuruf des Abg. Keitel CDU)

Zweitens: Für die restlichen 20 % ist das Gesetz modern und praktikabel. Es setzt nämlich nicht auf starre Regelungen, sondern auf Konsens, auf Betriebsvereinbarungen und auf tarifliche Regelungen. Jetzt sagen Sie, da entstehe eine gewisse Unsicherheit.