Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

Ich bitte Sie alle herzlich, unserem Entschließungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Reinelt.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Glocke des Präsidenten)

Entschuldigen Sie bitte, Herr Abg. Reinelt. – Meine Damen und Herren, Sie hören das Brummen hier im Haus. Das ist eine technische Störung. Es besteht die Möglichkeit, dass irgendwo ein Handy eingeschaltet ist, das stört.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Han- dy hoch! – Abg. Weimer SPD zu Abg. Capezzu- to SPD: Mario!)

Ich wäre dankbar, wenn die Abgeordneten, aber auch die Besucher auf der Zuhörertribüne ihre Handys ausschalten würden. Vielleicht liegt es daran. Sonst müssen wir das technische Problem über die Mittagspause untersuchen lassen.

Bitte schön, Herr Reinelt.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Einzelplan 14 erscheint im verklärten Licht des Solidarpakts. Die Zeche wird von den Universitäten erst später bezahlt werden. Da nach Aussage des Wissenschaftsministeriums die hohe Auslastung der Hochschulen in den nächsten Jahren bestehen bleibt, wird diese Zeche – da muss man kein Prophet sein – die nächste Krise verursachen. In jedem Fall wird dann aber Herr von Trotha nicht mehr Wissenschaftsminister sein.

Herr von Trotha legt seinen letzten Haushaltsentwurf vor. In die Geschichte des Landes wäre er eingegangen, wenn es jetzt, nach 22 Jahren, eines eigenständigen Wissenschaftsetats gar nicht mehr bedürfte.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sehr gut!)

Denn wer die Hochschulen in die Selbstverantwortung entlassen will, muss sich selbst und sein eigenständiges Ministerium entbehrlich machen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten des Bünd- nisses 90/Die Grünen)

Wer aber in den Stellenplan des Ministeriums schaut, reibt sich verwundert die Augen: Da gibt es sogar eine halbe Beamtenstelle mehr. Auch diese Unstimmigkeit zwischen Sagen und Tun passt in die Hochschulpolitik des seit 1991 amtierenden Ministers. Seine Politik – ich meine, ich kann sie übersehen – ist geprägt von einem Widerspruch, der wie eine Folie über all seinen Entscheidungen liegt, zwischen der Hochschätzung von Wissenschaft, insbesondere der Technik und der Naturwissenschaften, in ihrer Bedeutung für die Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft und dem tiefen Misstrauen gegenüber ihren Institutionen und den in ihr handelnden Personen. Wir hören von ihm jede Menge lobender Rhetorik für den Wissenschaftsbetrieb im Allgemeinen, aber noch mehr Kritik gegenüber dem Wissenschaftsprozess im Konkreten.

(Abg. Pfisterer CDU: Wenn es notwendig ist, muss es gemacht werden!)

Meine Damen und Herren, ich frage nach dieser langen Amtszeit auch nach der Verantwortung des Ministers gegenüber den Studierenden. Seine von ihm losgetretene Kampagne im Zusammenhang mit Studien- und Immatrikulationsgebühren,

(Abg. Christa Vossschulte CDU: Es geht um den Haushaltsplan, Herr Kollege!)

nach der Studierende als faul, Privilegien sichernd und nur Vorteile aus dem Studierendenstatus ausnützend erscheinen,

(Abg. Pfisterer CDU: Die Zahlen geben uns aber Recht!)

halte ich für verantwortungslos.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Pfiste- rer CDU: Geld muss sinnvoll eingesetzt werden, auch im Universitätsbereich!)

Das ist verantwortungslos gegenüber jungen Menschen, die uns anempfohlen und Chance, nicht Last unserer Gesellschaft sind.

(Abg. Pfisterer CDU: Volle Verantwortung! – Abg. Dr. Schlierer REP: Mir kommen die Tränen!)

Verantwortungslos ist es auch in Bezug auf die Folgen. Meine Damen und Herren, wer diese Gebühren will – diese Debatte wird ja im Augenblick geführt –, der nimmt auch billigend in Kauf, dass sich die Hochschulen in Zukunft ihre Studierenden selbst aussuchen und dass dies dann auch in unsere Schulen hineinschwappen wird, was die Zerstörung von Gleichheit und Gerechtigkeit von Bildungschancen bedeutet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Pfiste- rer CDU: Wieder alte Klassenkampfparolen!)

Fehlende Sensibilität des Ministers gegenüber jungen Menschen erkenne ich auch bei der im Grundsatz von uns allen gewünschten Internationalisierung von Studiengängen. Dabei darf sich der Minister aber gerade wegen seiner Verantwortung für die junge Generation, insbesondere in Bezug auf ihre beruflichen Chancen, nicht vor dem mühevollen Austarieren von Freiheit der Bildung und ökonomischen Interessen drücken.

Deshalb kritisiere ich die provinzielle Eilfertigkeit in der Anpassung an Menschen verachtende Folgen der Globalisierung, die der Minister bei der Einführung in Hohenheim an den Tag gelegt hat. Er hat dort gefordert, man müsse „wegkommen von der Vollkaskomentalität“. Er hat dies gefordert, obwohl er eingeräumt hat, es sei noch nicht klar, wie der Arbeitsmarkt auf Master- und Bachelorabsolventen reagiere, und obwohl er weiß, dass nach dem Bachelorstudiengang für 70 % der Studierenden das Studium vorbei ist, weil sie die Kriterien für den Masterstudiengang nicht erfüllen. So hat es wenigstens Herr Liebig von der Universität Hohenheim gesagt.

Was also sollen dann die Bachelors tun, nach denen bei diesem Abschluss der Arbeitsmarkt möglicherweise gar nicht fragt? Unsere Hochschulen sollen doch dazu beitragen, durch Qualifizierung Arbeitslosigkeit zu vermeiden und nicht neue zu schaffen.

Der Prozess der Internationalisierung wurde vom Minister immer mit einer Kampagne mit dem Vorwurf mangelnder Konkurrenzfähigkeit und Attraktivität unserer Hochschulen begleitet. Da war nichts dran. Es kommen mehr denn je ausländische Studierende zu uns. Die Zahl derer aber, die von uns ins Ausland gehen, die Zahl der deutschen Studenten im Ausland, ist in der Studierendenstatistik bei uns im Grunde genommen fast vernachlässigbar. Wir sollten uns endlich dazu bequemen, die Frage der Internationalisierung nicht als Einbahnstraße zu begreifen, sondern vielmehr alles daransetzen, um jedem baden-württembergischen Studierenden ein Auslandsstudium zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD)

Diesem Ziel soll der von uns vorgelegte Antrag dienen. Dies zu verwirklichen wäre unter den Aspekten Globalisierung, Mobilität und berufliche Chancen nun wirklich verdienstvoller, als noch in jedem Winkel unseres Landes in bodenständiger Verquickung von Hochschul- und Strukturpolitik eine Fachhochschul- oder Berufsakademieaußenstelle zu installieren. Ich bitte also das hohe Haus um Zustimmung zu unserem Antrag.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Salomon.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit der Einbringung dieses Haushalts scheint auch die Zeit der Abschiedsreden gekommen zu sein.

Herr Kollege Reinelt hat – so habe ich das gerade verstanden – angekündigt, dass er nächstes Jahr diesem Haus nicht

mehr angehören wird. Er hat lange Zeit den Wissenschaftshaushalt begleitet und deshalb noch einmal eine Tour d’Horizon hier gezogen.

Für Sie, Herr Minister, ist es, wenn die Gerüchte richtig sind, auch der letzte Haushalt, den Sie einbringen. Vielleicht werden auch Sie so eine Tour d’Horizon machen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Halten Sie auch eine Ab- schiedsrede? – Heiterkeit)

Da ich hier keine Abschiedsrede halten werde – nein, nein –, möchte ich mich auf etwas anderes konzentrieren. Ich will die Fragen, die im Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst und auch im Finanzausschuss konkret zum Haushalt diskutiert worden sind, nur mit wenigen Sätzen streifen.

Ich denke, wir führen heute – und da unterscheide ich mich von Ihnen, Herr Reinelt – eine andere Diskussion, als wir sie zu Beginn der Neunzigerjahre geführt haben, als wir uns einig waren, dass die Hochschulen alle unterfinanziert waren und auch die baden-württembergischen Hochschulen unterfinanziert waren. Das kann man heute so nicht mehr sagen. Ich denke, die Landesregierung hat – auch durch Sonderprogramme mithilfe von Privatisierungserlösen – die Hochschulen in den letzten Jahren ausgebaut. Der Solidarpakt hat sich meines Erachtens als richtig erwiesen. Richtig ist auch, dass man mit den eingesparten Geldern die Fachhochschulen und die Berufsakademien ausbaut, die praxisorientierter und anwendungsorientierter sind.

Der Erfolg spricht für diese Politik, die ja eigentlich bundesweit verfolgt wird, aber insbesondere in Baden-Württemberg verfolgt wurde. Daher kann heute nicht mehr die Rede davon sein, dass die Hochschulen kaputtgespart würden, wie das Anfang der Neunzigerjahre sicher der Fall war.

Ich will zu dem, was die baden-württembergische Landesregierung gemacht hat, noch einen Satz sagen, der aber einen leicht zynischen Anflug hat. Herr Minister von Trotha und gestern auch der Ministerpräsident haben als großen Erfolg verkauft, dass die Landesregierung mit ihren Langzeitstudiengebühren die Zahl der Studierenden ganz entscheidend gesenkt hat. Das kann man so sehen, wenn man sagt: Wir sind ein Land, das eine sehr erfolgreiche, gute und gut ausgestattete Hochschulstruktur hat, mit allerdings relativ wenig Studenten.

(Abg. Christa Vossschulte CDU: Die Zahl der Erstsemester steigt!)

Wenn man zum Beispiel berücksichtigt, dass das Land Nordrhein-Westfalen über zweieinhalbmal so viele Studierende hat,

(Abg. Pfisterer CDU: Qualität, nicht Quantität!)

dann kann man sagen – ja, ja, Qualität –: Wir in BadenWürttemberg schotten uns ab. Wir haben hoch qualifizierte Studierende, hoch qualifizierte Hochschulen, und der Rest soll sehen, wo er bleibt. Das ist der leicht zynische Anflug. Das ist dieser Anflug von Länderchauvinismus, wo man sich beklagt, dass wir zu viel Geld in den Länderfinanz

ausgleich zahlen müssten. „Mir san mir“, das ist nicht nur die bayerische Mentalität, sondern das ist auch die Mentalität, die ich hier spüre.

Jetzt will ich es mit dem konkreten Thema Haushalt bewenden lassen.

(Zuruf von der CDU: Wir sind ein stolzes Land! Wir haben etwas vorzuweisen!)