Protokoll der Sitzung vom 10.02.2000

Herr Puchta hat beklagt, wir hätten den Sparkurs verlassen. Dann hat er den schönen Satz gesagt: „Wir haben gemeinsam dafür gesorgt.“ Sie haben dafür nicht gesorgt. Ich habe einmal nachgelesen, wie Sie sich in den großen Spardebatten der letzten Jahre verhalten haben.

(Abg. Dr. Puchta SPD: 1992/96!)

Da war jedes Mal davon die Rede, dass die Koalition den Haushalt und das Land kaputtsparen würde. Herrn MayerVorfelder, den Sie jetzt über den grünen Klee loben – ich habe schon immer viel von ihm gehalten –, haben Sie in einer früheren Sitzung als unseriös und als Vabanquespieler bezeichnet. Sie haben überhaupt keine Verdienste an den guten Finanzen. Deswegen können Sie nicht sagen, dass wir den Kurs verlassen hätten.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Herr Kuhn vergleicht falsche Zahlen; das ist eben schon gesagt worden. Er spricht laufend von der mittelfristigen Finanzplanung des Jahres 1996. Sie hat, Herr Kuhn, für das Jahr 2000 2 Milliarden DM mehr Einnahmen vorgesehen, als wir tatsächlich haben. Ich gebe ja zu, dass die Mehreinnahmen im Verhältnis zu den Isteinnahmen der letzten Jahre gestiegen sind.

(Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen: Ja!)

Aber im Verhältnis zu dem, was wir 1996 angenommen hatten, sind die Einnahmen immer noch um 2 Milliarden DM niedriger. Damit aber müssen Sie vergleichen, wenn Sie einigermaßen redlich argumentieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Herr Puchta hat Istzahlen des vergangenen Jahres mit hohen Sollzahlen der Zukunft verglichen.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Ja! – Zuruf des Abg. Moser SPD)

Ich hoffe im Sinne Ihrer wissenschaftlichen Seriosität, dass Sie das nicht ernst gemeint haben. Sie können doch nicht eine Istzahl des Jahres 1999 – dazu werde ich gleich etwas sagen – mit der oberen Zahl des Jahres 2002 vergleichen, wobei ich noch einmal sagen will: Für uns gilt die untere Zahl. Das habe ich hier schon einige Male gesagt.

(Zuruf des Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Dr. Puchta SPD: Dann nehmen Sie doch die obere Zahl heraus! – Abg. Moser SPD: Dann strei- chen Sie doch die obere Zahl! – Zuruf des Abg. König REP)

Die Spannbreite ist nur deshalb vorhanden, damit wir vorbereitet sind, wenn wieder Überraschungen aus Bonn

(Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen: Aus Bonn?)

und wenn große Belastungen aus Bonn kommen, gegen die wir uns nicht wehren können.

(Abg. Hans-Michael Bender CDU: So! – Abg. Moser SPD: Aus Bonn kommt überhaupt nichts mehr!)

Dafür ist die Spannbreite da.

Jetzt zur Unternehmensteuerreform. Auch da argumentieren Sie einfach falsch, Herr Kuhn, und auch Sie, Herr Puchta.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Ich habe dazu gar nichts gesagt!)

(Minister Stratthaus)

Sie sagen: Es wird um 44 Milliarden DM entlastet. Das ist richtig. Nur hat Eichel noch vor vier Monaten gesagt: Mehr als 8 Milliarden DM sind nicht drin. Dass er nun um 44 Milliarden DM entlasten will, ist in Ordnung. Deswegen sagen wir ja auch: Die Richtung stimmt. Die Richtung der Entlastung stimmt.

(Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen: Das ist doch falsch argumentiert!)

Allerdings entlastet er an der falschen Stelle. Ursprünglich hatte es geheißen, unsere Wirtschaft, vor allem unsere öffentlichen Haushalte, vertrügen nur 8 Milliarden DM. Jetzt vertragen sie plötzlich 44 Milliarden DM. Sie reden von 30 Milliarden DM mehr nach dem CDU-Konzept, Herr Kuhn. Das ist auch falsch. Das durchgerechnete Konzept der CDU – ich bin selbst in der Kommission dabei gewesen – kostet 50 Milliarden DM. Das sind zugegebenermaßen 6 Milliarden DM mehr, aber keine 30 Milliarden DM.

(Zuruf des Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben schon immer von einer größeren Entlastung gesprochen. Es geht um eine Entlastung um 44 Milliarden DM im Verhältnis zu 50 Milliarden DM und nicht um 44 Milliarden DM im Verhältnis zu 74 Milliarden DM.

Dann noch zur Steuerreform. Um es ganz klar zu sagen: Ihre Steuerreform ist insofern richtig, als sich etwas tut. Aber – das ist vorhin bezweifelt worden – die alte Bundesregierung hatte im Bundestag eine Steuerreform beschlossen. Sie können doch heute nicht sagen, die Länder hätten dagegen protestiert. Die CDU-geführten Länder zumindest nicht, denn diese haben jener Steuerreform zugestimmt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP und Abg. Hans-Michael Ben- der CDU: So ist es! – Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Präsidenten)

Abgelehnt worden ist sie doch von Lafontaine.

Herr Finanzminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Kuhn?

Gleich. – Ich muss Ihnen noch einmal sagen: Lafontaine hat doch diese Steuerreform zu Fall gebracht, und zwar im Dienste seiner Partei und gegen das Wohl des deutschen Volkes. Leider hat er sich durchgesetzt.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Hans-Michael Bender CDU)

Bitte sehr.

Herr Finanzminister, ich will Sie nur noch einmal zur Klärung etwas fragen. Die beiden Konzepte der Bundesregierung und der CDU/CSU unterscheiden sich doch einerseits, was die Zeiträume der Umsetzung angeht, und andererseits im Spitzensteuersatz.

Und noch mehr.

Und in der Deckung, natürlich. – Würden Sie bestreiten, dass ein um zehn Pro

zentpunkte niedrigerer Spitzensteuersatz – da ein Prozentpunkt etwa 3 Milliarden DM ausmacht – 30 Milliarden DM Differenz bedeutet? Wenn Sie zu einem Konzept mit 50 Milliarden DM Nettoentlastung kommen, also zu nur 6 Milliarden DM zusätzlicher Nettoentlastung, dann müssen Sie hier einmal schildern – das haben Sie öffentlich nicht getan –, welche zusätzlichen Deckungen diese 30 Milliarden DM auf ihre 6 Milliarden DM Differenz reduzieren. Ich kann Ihnen sagen, was da von den Zahlen her für Deckungen dabei sein müssen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Frage!)

Es geht um die Besteuerung zum Beispiel von Nacht- und Schichtarbeit. Geht es dabei um solche Deckungen, oder haben Sie wieder eine Mehrwertsteuererhöhung versteckt?

Das müssen Sie einmal öffentlich sagen.

Herr Kuhn, weder haben wir in unserem Konzept eine verdeckte Mehrwertsteuererhöhung, noch wollen wir die Nachtarbeitszuschläge besteuern.

(Zuruf des Abg. Moser SPD)

Sie müssen aber die Konzeption als Ganzes sehen.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So ist es!)

Es ist doch nicht wahr, dass sich die beiden Konzeptionen nur im Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer unterscheiden. Sie unterscheiden sich ganz entscheidend bei der Besteuerung der Körperschaften.

(Beifall des Abg. Kleinmann FDP/DVP)

Darum geht es doch. Bei den Körperschaften wollen wir doch das Anrechnungsverfahren beibehalten, wodurch wieder Geld hereinkommt. Das können Sie doch einfach nicht vergleichen. Das ist ein komplizierter Sachverhalt. Das ist eine Tatsache. Ich kann Ihnen das geben. Unser Konzept ist durchgerechnet. Es ist wahr, dass die Senkung des Spitzensteuersatzes natürlich mehr kostet. Dafür entlasten wir weniger die großen Unternehmen, zumindest dann, wenn nicht ausgeschüttet wird. Das ist eine sehr viel kompliziertere Angelegenheit.

Jetzt bin ich aber schon dabei. Sie entlasten doch in erster Linie die großen Unternehmen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Vetter CDU: Sehr richtig! – Wi- derspruch des Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen)

Darunter spitzt doch die Ideologie hervor. Herr Kuhn, es ist doch so: Sie wussten genau, dass Sie etwas für die Wirtschaft tun müssen. Sie wollen aber nicht etwas am Spitzensteuersatz ändern.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Tun wir doch!)