Protokoll der Sitzung vom 10.02.2000

Ich möchte zweitens noch etwas zur Altersteilzeit sagen.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Nicht finanzierbar!)

Richtig ist, dass sich die Altersteilzeit so, wie sie im Augenblick gesetzlich festgelegt ist, nicht kostenneutral darstellt.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Auch nicht in Bayern!)

Auch nicht in Bayern. – Wenn wir erreichen wollen, dass sie in Baden-Württemberg eingeführt wird, und zwar kostenneutral – wenn das nämlich nicht der Fall wäre, wüsste ich mit dem Geld sehr viel mehr und Besseres anzufangen, zum Beispiel Lehrer einzustellen –, dann muss zumindest eine Rahmengesetzgebung über den Bundesrat erfolgen, sodass wir diese Altersteilzeitregelung modifizieren können.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, im Finanzausschuss haben wir doch ein paar ganz klare Entscheidungen getroffen. Da möchte ich wirklich einmal wissen, ob einige von diesen Punkten denn von der Opposition infrage gestellt werden. Zwangsläufig sind zum Beispiel die von uns nicht zu beeinflussenden Mindereinnahmen bzw. Mehrausgaben aufgrund der Ergebnisse des Vermittlungsausschusses und der Novellierung des SED-Unrechts-Bereinigungsgesetzes. Das macht zusammen 150 Millionen DM aus; da sind wir uns doch wohl einig. Die Soforthilfe für die Schäden durch den Orkan Lothar erfordert 100 Millionen DM; da sind wir uns doch wohl einig. Über die Verbesserung der Unterrichtsversorgung, die alles in allem 194 Millionen DM ausmacht, sind wir uns doch wohl auch einig. Bei der Aufstockung des Wettmittelfonds, wo letztendlich 38,5 Millionen DM durch besondere Einnahmen weiter verteilt werden sollen, habe ich niemanden gehört, der dagegen gewesen wäre.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Die Aufstockung des Strukturprogramms für die Justiz mit 6,5 Millionen DM ist auch von niemandem in irgendeiner Weise in Zweifel gezogen worden.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Auch von Puchta nicht!)

Lassen Sie mich, wenn ich schon diese Dinge hier offen anspreche, noch zwei Punkte nennen. Der eine ist nicht so ganz ernst gemeint. Herr Dr. Puchta, ich habe schon gewaltig aufgehorcht und es als einen Anschlag auf meine Gesundheit angesehen, als Sie erkennen ließen, Sie wollten eine Weinsteuer einführen.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Nein! Ich will die Biersteu- er weg haben!)

Wissen Sie: Willst du gesund noch lange leben, dann musst du zumindest in Fellbach einen heben. Einen Roten übrigens, das kann ich Ihnen nur empfehlen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Puchta SPD: Aber die Biersteuer muss auch weg!)

Aber zum Schluss wieder etwas sehr Ernstes und auch etwas sehr Selbstkritisches. Ich wurde darauf angesprochen, wie sich die FDP in Hessen verhält. Ich mache keinen Hehl daraus: Mir wäre es am liebsten – ich weiß, dass die Fraktion genauso denkt –, wenn man sich von Herrn Ministerpräsidenten Koch trennen würde oder, wenn das nicht geht, für Neuwahlen einträte.

(Beifall bei der FDP/DVP, der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf von der SPD: Das war äußerst schwach!)

Das Wort erteile ich dem Herrn Finanzminister.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch auf das eingehen, was Herr Dr. Puchta zum EnBW-Verkauf gesagt hat, und ganz sachlich einige Punkte feststellen.

Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir unseren Anteil nicht in erster Linie verkaufen, um Kasse zu machen, sondern um der EnBW die Chance zu geben, eine gute Entwicklung für die Zukunft zu haben.

(Abg. Brechtken SPD: Deshalb habt ihr das alles sauber mit den Kommunen abgestimmt! Gute Stra- tegie!)

Deswegen ist es wichtig, dass wir jetzt verkauft haben. Dazu will ich Ihnen noch einige Dinge kurz erläutern.

Erstens: Wir wissen ja gar nicht, ob die Steuerfreiheit der Anteilsveräußerung bei Kapitalgesellschaften überhaupt kommt. Wir sind dafür, aber wir können doch jeden Tag in der Zeitung lesen, dass innerhalb der Koalition und auch innerhalb der SPD ein Kampf tobt, ob sie kommen soll.

(Lachen des Abg. Brechtken SPD – Abg. Capez- zuto SPD: Das ist doch gar nicht wahr!)

Herr Poß hat gestern gerade wieder gesagt, er sei der Meinung, dies gehe zu weit; man solle zumindest eine kleinere

Steuer nehmen. Also das ist alles noch lange nicht gegessen.

(Abg. Capezzuto SPD: Bei uns herrscht Mei- nungsfreiheit!)

Ich war sowieso überrascht: Die Einzigen, die da richtig gefeiert haben, waren die Börsen.

(Abg. Capezzuto SPD: Das ärgert Sie!)

Ich glaube nicht, dass die SPD-Fraktion gefeiert hat, als sie erfahren hat, wie das passiert ist.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Die steigenden Kurse ha- ben uns auch gefreut!)

Die erste Frage ist also, ob die Steuerreform überhaupt kommt.

Zweitens: Wir stehen wirtschaftlich so da, als ob wir zum 1. Januar verkauft hätten. Ich will es Ihnen erläutern: Der Kaufpreis wird in der Tat erst gezahlt, wenn das Unternehmen übergehen kann, aber verzinst wird der Kaufpreis rückwirkend zum 1. Januar 2000.

(Abg. Pfister FDP/DVP: So ist es!)

Wir stehen also so da, als ob wir bereits verkauft hätten.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Dann ist aber Ihr Zinsar- gument von vorhin falsch!)

Das Nächste ist, dass es uns darum gegangen ist, jetzt zu verkaufen. Wer weiß, wie in einem Jahr der Energiemarkt aussieht. Sie haben uns doch oft vorgeworfen, wir seien viel zu spät dran. Jetzt sollen wir plötzlich wieder ein Jahr warten. Es war der späteste Zeitpunkt.

(Abg. Pfister FDP/DVP: Höchste Zeit! Sonst gibt es nichts mehr zu verteilen!)

Deswegen war es richtig, dass wir verkauft haben.

(Abg. Dr. Puchta SPD meldet sich zu einer Zwi- schenfrage. – Abg. Capezzuto SPD: Sie hätten doch 400 Millionen DM sparen können, wenn Sie sechs Monate gewartet hätten!)

Nein. 400 Millionen DM kostet es auch dann noch Steuern, wenn das durchgeht, was die Bundesregierung will.

(Abg. Capezzuto SPD: Aber nicht in der Höhe!)

Gut, es sind keine 1,9 Milliarden DM. Das ist keine Frage. Es kostet nach wie vor Steuern. Es kostet wesentlich weniger Steuern. Wir waren aber der Meinung, im Sinne der EnBW muss zum jetzigen Zeitpunkt verkauft werden und nicht zu einem späteren Zeitpunkt.

Bitte sehr, Herr Dr. Puchta.

Bitte schön, Herr Dr. Puchta.

Herr Finanzminister, man kann sich von Regierungsseite aus ja auf den Standpunkt stellen, dass es, egal, aus welchen Gründen, richtig ist, jetzt zu verkaufen. Aber ich frage Sie noch einmal: Als absehbar war,

dass die Steuerreform wahrscheinlich kommt, warum haben Sie da nicht wie beispielsweise die Telekom dieses Unternehmen auf Termin verkauft oder die Eigentumsübertragung ins nächste Jahr verschoben? Dann hätten Sie diese Steuern sparen können, und es wäre insgesamt nicht diese komische Konstruktion der Stiftung nötig gewesen. Wir hätten dann weiterhin die Souveränität gehabt, hier im Parlament über die Mittelvergabe zu entscheiden und nicht in einer Stiftung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Rapp REP: Weil man sich auf diese Bundesregierung nicht verlassen kann!)

Ganz einfach deswegen, weil ich der Meinung bin, dass Terminverkauf, wie Sie das nennen, ein Steuerumgehungstatbestand wäre. Darüber müsste man noch einmal diskutieren. Das ist keineswegs so klar.

Dann kommt noch dazu: Es gibt auch böse Zungen, die behaupten, das Ganze sei nur für die Telekom gemacht worden.

(Abg. Deuschle REP: Aha!)

Es gibt auch diese Unterstellung, dass sich der Bund da einen besonderen Vorteil verschaffen wollte.