Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Aber das geschäftsordnungsmäßige Recht, über Inhalte der Ausschussberatungen in der Presse zu berichten, lassen wir uns von Ihnen nicht nehmen.

Herr Abg. Brinkmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abg. Fleischer?

Bitte schön, Herr Fleischer.

Ist Ihnen Ihre Presseerklärung bekannt, wonach Sie Namen genannt haben, nämlich im ersten Absatz Herrn Abg. Döring und sodann die FDP/DVPAbgeordneten?

(Abg. Schmiedel SPD: Minister! Er ist kein Abge- ordneter im Wirtschaftsausschuss!)

Ist Ihnen klar, dass Sie sich damit rechtswidrig verhalten haben?

(Abg. Dr. Puchta SPD: Ha, das gibt es doch nicht!)

Herr Kollege, ich habe auf den Wirtschaftsminister hingewiesen und habe darüber hinaus keine Namen genannt.

(Abg. Birzele SPD: Das steht übrigens in den Be- richten! Da steht: „der Wirtschaftsminister“! – Abg. Schmiedel SPD: Sie wissen doch, dass er Döring heißt! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Der Name des Wirtschaftsministers darf nicht verraten werden!)

Zumindest in der Mehrzahl des Wortes, „Namen“, trifft dies nicht zu.

(Abg. Fleischer CDU: Das wird ein Nachspiel ha- ben!)

Ich habe den Wirtschaftsminister genannt.

(Abg. Fleischer CDU: Und ihn falsch zitiert!)

Aber da wir gerade bei der Person des Herrn Wirtschaftsministers sind: Herr Döring, Sie haben hier heute eine bemerkenswerte Rede gehalten, eine Rede, der wir als SPDFraktion zustimmen können und zustimmen.

(Zuruf von der FDP/DVP: Können Sie immer!)

Aber ich stelle fest: Sie haben diese Rede in Ausnutzung Ihrer Redezeit als Regierungsmitglied gehalten, aber Sie haben sie nicht als Regierungsmitglied, sondern als Privatmann oder Abgeordneter gehalten. Was Sie hier gesagt haben, Herr Wirtschaftsminister, war nicht die Rede des Wirtschaftsministers, sondern kann nur die Rede des Abgeordneten Döring gewesen sein. Denn ich stelle fest: Sie befinden sich nicht in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Landesregierung. Ich bin gespannt, ob der Herr Innenminister, der hier anwesend ist und die Debatte bisher lächelnd verfolgt hat, den Mut hat, sich hier hinzustellen

(Lachen bei Abgeordneten der CDU)

und öffentlich zu bekennen, ob er nun bereit ist, einem Moratorium bis zur Innenministerkonferenz im Mai zuzustimmen

(Beifall der Abg. Carla Bregenzer und Brechtken SPD)

und öffentlich zu bekennen, wie er sich in der Innenministerkonferenz zu der Bundestagsforderung Altfallregelung verhalten wird.

(Beifall bei der SPD)

Herr Döring, Sie haben gesagt, Sie würden sich hier mit der Regierung auf einem ordentlichen Weg befinden. Ich stelle fest: Hierfür gibt es heute kein Anzeichen. Dass ausgerechnet Herr Schmid, der sich durch andere, sehr ungewöhnliche Vorstellungen zum Ausländerrecht hier schon hervorgetan hat – ich erinnere nur an das Heiratsverbot für Ausländer –, von der Zuwanderungsbegrenzung redet, ist bemerkenswert.

Wir wollen, um es noch einmal deutlich zu sagen, Herr Kollege, keine unbegrenzte Zuwanderung, sondern wir wollen den Betrieben helfen, die hier ihre Existenz und den Fortbestand der Arbeitsplätze oder einiger Arbeitsplätze auf der Anwesenheit von Bürgerkriegsflüchtlingen aufgebaut haben. Diesen Betrieben wollen wir helfen. Kapieren Sie das doch endlich mal!

(Beifall bei der SPD)

Die CDU in Baden-Württemberg – das stelle ich ferner fest – befindet sich hier in ihrer Mehrheit nicht nur im Dissens zu ihrem Fraktionsvorsitzenden – das klang heute einige Male an –; sie befindet sich auch im Dissens zu ihren CDU-Kollegen im Deutschen Bundestag. Die CDU in diesem Landtag von Baden-Württemberg hat in Deutschland nur noch zwei Verbündete: Das ist die PDS und sind die Reps.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit der Abg. Birzele und Brechtken SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

(Abg. Brechtken SPD: Hofer ist auch ein Verbün- deter! – Unruhe)

Ich halte vor der Klammer mal die Punkte fest, die, glaube ich, als gesichert angesehen werden können.

(Abg. Wieser CDU: Sehr gut!)

Es gibt in diesem Lande zahlreiche kleine und mittlere Betriebe, die bosnische Flüchtlinge beschäftigt haben, von denen andere Arbeitsplätze abhängen. Wenn diese Flüchtlinge gewissermaßen wieder zurückgeschickt werden, finden die Betriebe keinen Ersatz, und zwar trotz mehrfacher Anfrage – teils bundesweit – bei der Arbeitsverwaltung.

(Abg. Wieser CDU: Europaweit! – Abg. Schmie- del SPD: Weltweit!)

Wir wissen, dass wir alle mit Eingaben bombardiert werden, dass die Kammern das Gleiche sagen und dass es eigentlich niemanden gibt, der diesen Fakt bezweifelt. Nicht einmal in dieser Debatte ist das bestritten worden.

Zweitens wissen wir auch, um welche Branchen es sich handelt – sie sind vorhin genannt worden –: um die Bauwirtschaft und den Garten- und Landschaftsbau, aber auch – das wollen wir nicht vergessen – um viele soziale Bereiche.

Jetzt sage ich Ihnen, was auch Fakt ist: Vor Ort benehmen wir uns – jetzt will ich einfach einmal vieles weglassen, was man politisch sagen könnte, und es einmal so sagen – in der Zwischenzeit alle wie Winkeladvokaten, indem wir alle versuchen, das hinauszuzögern. Ich weiß es vom Kollegen Kiel in Fellbach, und ich mache es in Weinstadt als Oberbürgermeister auch so – wir haben die Kollegen aus Singen und Konstanz gehört, die das ganz negieren –: Wir sagen: Macht im Notfall eine Petition. Wir wissen, dass es Fakt ist, dass man das so zögerlich wie nur irgend möglich behandelt usw.

Nun komme ich auf das Thema Moratorium zu sprechen. Also, es ist für mich überhaupt keine Frage, ob Sie ein Moratorium beschließen oder nicht: Praxis ist, dass vor Ablauf eines Monats keine Abschiebung mehr stattfindet. Herr Kollege Kiel und ich haben uns in unseren Häusern erkundigt und Folgendes erfahren: Vor einem Monat wird nicht abgeschoben; die warten de facto alle diese Innenministerkonferenz ab.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Darum sage ich – bis das geregelt wird, sind wir in der Praxis gar nicht so weit –: Das wird kommen. Da biete ich jede Wette an. Wenn einer nachher mit mir wetten will, kann er das gerne tun.

Ich möchte noch einmal sagen, was wir brauchen: Wir müssen davon befreit werden, wie die – ich sage es noch einmal – Winkeladvokaten in den einzelnen Härtefällen zu helfen. Wir brauchen eine allgemeine Regelung, die diese fast feindselige, starre Haltung endlich mal beseitigt. Wenn man da mit einem Härtefall kommt, brandet einem beinahe eine feindselige Haltung entgegen, die ausschließlich davon bestimmt ist, dass das Ausländerrecht von seinem Ansatz her natürlich der Gefahrenabwehr diene. Deshalb spricht man auch von einer Ausländerpolizei. Aber diese Fälle können nicht von der Ausländerpolizei behandelt werden, sondern sie müssen im Sinne der Betriebe als Härtefälle behandelt werden, und zwar praxisnah, wie das erforderlich ist. Das ist der wichtigste Punkt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich sehe – deshalb bin ich so zuversichtlich und setze ich auf Gemeinsamkeit –, wenn ich genau hingucke, dass da schon viel Aufgeschlossenheit besteht. Wir dürfen nur nicht umgekehrt das Kind mit dem Bade ausschütten, sondern wir müssen genau auf diese Fälle losgehen.

Was wir brauchen, ist eine Regelung, die vom Verständnis getragen wird. Es gibt nämlich ein Unverständnis bei diesen Betrieben dahin gehend, dass Menschen nach Hause geschickt werden, die hier arbeiten, Steuern zahlen, dringend gebraucht werden, niemandem zur Last fallen und andere Arbeitsplätze sichern. Man bemüht sich, Ersatz zu finden, findet aber keinen. Man erwartet, dass man diesen Betrieben in entgegenkommender Weise Rechnung trägt.

Der Herr Wirtschaftsminister hat vollkommen Recht; das wissen Sie alle. Wenn Sie zu den kleinen Betrieben gehen, finden Sie kein Verständnis, wenn Sie sagen: Das geht nicht; da müssen wir ganz starre Linien beim Ausländerrecht machen. Die konfrontieren einen mit dem Thema Greencard. Da können Sie nicht sagen: Das ist ein anderes Thema; auf Wiedersehen. Wenn Sie das machen, entsteht dort eine ziemliche Verdrossenheit. Sie müssen dort so antworten, wie das hier gefordert wird, dass man nämlich – –

(Abg. Wieser CDU: Sind Sie mit den deutschen Arbeitnehmern nicht einverstanden, Herr Hofer?)

Wenn Sie dort den deutschen Arbeitnehmerkollegen, der neben dem Bosnier steht, fragen, sagt der: Hoffentlich lassen Sie mir meinen Kollegen, damit mein eigener Arbeitsplatz nicht gefährdet wird.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen)

So sieht es aus.

Lassen Sie uns deshalb diesen Weg beschreiten. Er wird erwartet. Ich bin auch sicher, dass er kommen wird, wobei ich auch glaube, dass das etwa in gleicher Weise und in gleicher Schnelligkeit kommen wird, wie Sie das mit dem Thema Greencard beschließen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Deuschle.