Protokoll der Sitzung vom 17.05.2000

Dritter Punkt – ein ganz wichtiger –: Auch die Massenmedien als Wertevermittler versagen. Dazu gibt es eine neue Studie von Peter Michael Kösters, der auf Untersuchungen in Vechta, Westfalen, in der 7. und 8. Klasse verweist, wo genau dieser Zusammenhang herauskommt.

Viertens, meine Damen und Herren, auch wenn das für Sie unbequem ist: Wir haben es mit einem Scheitern der Integration in der jetzigen Form zu tun. Die Pfeiffer-Studie über Jugendgewalt in Stuttgart und in anderen Städten hat das gezeigt.

Auch wenn die Ergebnisse beunruhigend sind, will ich sie noch ganz kurz nennen: der hohe Anteil der Nichtdeutschen mit zwei Dritteln an den Tätergruppen.

Eine weitere wichtige Aussage ist, dass der häufigste Tatort die Straße ist, dann die Disco, aber dann schon die Schule.

Auch der höchsten Staatsanwältin in Baden-Württemberg, Frau Vogt-Binné, macht der sehr hohe Anteil junger Ausländer an diesen Gewalttaten sehr viel Sorge.

Um auch die sehr interessante Frage, die auch Pfeiffer aufgeworfen hat, ob man schon von einer Ethnisierung der Jugendgewalt flächendeckend reden kann, zu beurteilen, brauchen wir die von uns geforderte umfassende Studie zur Jugendgewalt in Baden-Württemberg.

Jetzt komme ich noch, Herr Präsident, zu ein paar Forderungen; da bin ich gleich durch. Es sind fünf Forderungen.

Erstens: Bei Offizialdelikten – –

Herr Abg. Deuschle, Sie können nicht nach Ende der Redezeit fünf Forderungen aufstellen. Das geht nicht.

(Unruhe und Zurufe, u. a. Abg. Kleinmann FDP/ DVP: Also eine genehmigen wir!)

Ich habe noch eine Minute. Es wird noch eine Minute gehen, Herr Präsident.

(Anhaltende Unruhe – Zuruf des Abg. Dr. Salo- mon Bündnis 90/Die Grünen)

Erstens: Bei Offizialdelikten, zum Beispiel schwerer Körperverletzung, muss von Lehrern und Schulleitungen Strafanzeige erstattet werden.

Zweitens: Konsequente Anwendung des Täter-Opfer-Ausgleichs.

Drittens: Bessere Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte im Umgang mit Gewaltsituationen.

Viertens: Mehr Mut zur Erziehung bei Lehrern. Es muss auch wieder gesagt werden, was richtig und was falsch ist.

Und fünftens und letztens: In extremen Fällen Abschiebung von ausländischen Gewalttätern. Ich erinnere an den Fall Mehmet.

Mein Fazit für die erste Runde: Die Jugendlichen und ihre Eltern haben ein Recht auf eine sichere Schule, frei von Angst und Gewalt.

(Beifall bei den Republikanern)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Wacker.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur wenige wesentliche Bemerkungen zu diesem Thema, zumal ja mittlerweile umfassende Untersuchungen und umfassende Handlungsempfehlungen zu diesem Thema vorliegen. Insofern sehe ich nicht die unbedingte Notwendigkeit, dass wir heute dieses Thema im Rahmen einer Aktuellen Debatte noch einmal diskutieren.

Ich möchte Ihnen, meine Herren von den Republikanern, einfach einmal vier Punkte in Ihr Stammbuch schreiben, damit Sie vielleicht lernen, dieses Thema nicht zu emotionalisieren, und damit Sie auch lernen, endlich einmal auf den sachlichen Boden zu kommen.

(Abg. Dr. Schlierer REP: Freie Rede! – Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Erstens: Gewalt in der Schule ist kein schulisches Phänomen, sondern Gewalt in der Schule wird dadurch erzeugt, dass die Gewalt in die Schulen hineingetragen wird.

Zweitens: Schwierige familiäre Verhältnisse sind nicht die alleinige Ursache von Gewalterscheinungen. Aus diesem Grund darf man die Familie nicht zum Sündenbock dieses Themas machen.

(Abg. Krisch REP: Das macht doch keiner! – Abg. Deuschle REP: Das macht doch niemand! Sie müssen der Debatte zuhören und nicht schon vor- her Ihre Rede schreiben!)

Drittens: Wir haben zwar bei den Gewalterscheinungen leicht ansteigende Zahlen sowohl in der Quantität als auch in der Qualität. Was bei diesen Zahlen aber besonders auffällt – auch dies sollten Sie zur Kenntnis nehmen –, ist, dass wir einen Rückgang bei den nicht deutschen Tatverdächtigen haben,

(Abg. Deuschle REP: Auf 40 %! – Abg. Käs REP: Steigern können sie sich ja kaum mehr! – Abg. Deuschle REP: Von 42 auf 40 %!)

und zwar sowohl nach den Daten, die aus der Polizeilichen Kriminalstatistik hervorgehen, als auch nach den Erfassungen der Schulverwaltung.

Viertens – und das ist der entscheidende Punkt –: Wir haben eine Gesamtzahl der Delikte, gemessen an der Gesamtzahl der Schüler, bei Jugendlichen von lediglich 0,24 %.

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)

Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. Diese Zahlen belegen, dass der weitaus überwiegende Teil von Kindern und Jugendlichen nicht gewaltanfällig ist, sondern dass es sich hier, Gott sei Dank, nach wie vor um Ausnahmeerscheinungen in unserer Gesellschaft handelt.

Auffällig sind natürlich verschiedene Ursachen, die zu diesem Problem führen. Natürlich sind Migranten anfällig, die sich nicht integrieren lassen oder die nicht integriert werden können. Gewalterscheinungen in der Familie können eine der Ursachen sein. Schlechte Zukunftsperspektiven können ebenfalls eine der Ursachen sein. Wenn mehrere dieser Gründe zusammenfallen, dann sind Jugendliche eben gefährdet. Deswegen brauchen wir einen gesamtpolitischen Ansatz. Deswegen hat die Landesregierung einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorgelegt. Auch die Handlungsempfehlungen der Jugendenquetekommission haben wichtige Ansätze aufgezeigt; denn die wichtigen Lebensräume sind einmal die Schule und dann die Familie. Dort sind die Kinder und Jugendlichen erreichbar.

Deswegen müssen wir in Kooperation versuchen, Lösungsansätze zu entwickeln. Ich nenne hier nur in Stichworten einmal das Jugendsachbearbeiterprogramm der Polizei, wo man Informationsarbeit in den Schulen leisten kann, wo sich viele Schulen bei dieser Arbeit engagiert zeigen, wo aber natürlich auch noch andere Schulen gewonnen werden müssen, sich verstärkt in diesem Bereich zu engagieren.

Weiter zählen dazu die Aufstockung der Mittel für die Sprachförderung, das Programm der Jugendsozialarbeit an Brennpunktschulen oder das Informationsprogramm, die Handreichung „Elternarbeit zur Gewalt in den Medien“, die jetzt vom Sozialministerium erarbeitet wird. Das sind Maßnahmen, die sich sehen lassen können. Wenn wir die Zahlen im Ländervergleich beurteilen – nicht nur im Ländervergleich innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch im Ländervergleich innerhalb Europas –, dann, glaube ich, können wir sagen, dass diese Maßnahmen mittlerweile greifen.

Ich denke, wenn es uns gelingt, die Familien einzubinden und die Schulen, die ohnehin vieles tun, verstärkt zu gewinnen, dann werden wir dieses Thema ohne Probleme auf lange Sicht in den Griff bekommen. Wie gesagt, und das ist der Schlusssatz meiner Ansprache, ohne dieses Thema überbewerten zu wollen: Wir haben einen Bruchteil von Jugendlichen in unserer Gesellschaft, die gewaltanfällig sind.

(Abg. Deuschle REP: Einen wachsenden!)

Bitte machen Sie nicht die Jugend insgesamt zum Sündenbock unserer Gesellschaft.

(Abg. Deuschle REP: Haben wir doch gar nicht gemacht!)

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Braun.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um es gleich zu sagen: Das Thema „Gewalt an Schulen“ ist uns sehr wichtig. Wir nehmen dieses Thema sehr ernst.

(Abg. Deuschle REP: Also!)

Jedes einzelne Delikt ist ein Delikt zu viel. Aber wir müssen auch die Schule im Dorf lassen. Das, was Sie hier gezeichnet haben, Herr Deuschle, ist weit von der Wirklichkeit entfernt. Sie machen die jungen Leute zum Problem. Die Wirklichkeit sieht anders aus.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Krisch REP: Gehen Sie einmal in die Schulen, Herr Kol- lege!)

Die Fakten: Die Polizeiliche Kriminalstatistik, die dieser Tage von den Innenministern in Bund und Ländern veröffentlicht worden ist, sagt klar: Die Zahl der Tatverdächtigen unter den Jugendlichen sinkt. Die Zahl der Tatverdächtigen unter den Kindern sinkt. Die Zahl der Tatverdächtigen unter den Nichtdeutschen sinkt. Das ist die Realität.

(Abg. Deuschle REP: Stimmt doch gar nicht!)

Schauen Sie die Schulen an, fokussieren Sie die Schulen, dann stellen Sie fest: Die Zahl der Delikte beträgt, gemessen an der Gesamtzahl der Schülerinnen und Schüler, 0,24 %.

(Abg. Krisch REP: Hohe Dunkelziffer! – Abg. Deuschle REP: Gemeldete Daten! Sie müssen das einmal beachten!)

Kollege Wacker hat dies gerade ebenfalls angeführt. Nur damit klar ist, worüber wir reden. Die Jugendlichen sind besser als ihr Ruf, Herr Deuschle.