Protokoll der Sitzung vom 19.07.2000

Die beiden Ausgabepunkte, die Sie etatisiert haben, halte ich für korrekt.

Man kann darüber streiten, ob Sie die Kosten für die Aufarbeitung des Orkans Lothar schon beim regulären Haushalt ganz hätten etatisieren können. Aber sachlich ist es korrekt, die entsprechenden Mittel bereitzustellen, um die Auswirkungen der Naturkatastrophe so schnell wie möglich zu bereinigen.

Wir begrüßen auch die Einsicht der Landesregierung, zusätzliche Lehrer einzustellen. Allerdings kommt uns die Korrektur der Missstände an unseren Schulen zu spät. Wir brauchen im kommenden Schuljahr neue Lehrer, und das kommende Schuljahr fängt schon im September dieses Jah

res an. Wir brauchen schon im September eine Verbesserung der Situation an unseren Schulen, weil es dort heute schon brennt. Mir ist es gänzlich Wurst, wie die Zahlen aussehen, ob die Bildungsausgaben in Baden-Württemberg höher oder geringer als in anderen Ländern sind. Wenn Sie vor Ort in den Schulen nachschauen, stellen Sie fest: Es brennt bei der Ausbildung unserer Kinder, es wird nicht genügend Unterricht erteilt, Klassen werden in unzumutbaren Größen zusammengelegt, Kurse werden gestrichen, in AGs und Ergänzungsbereichen wird nicht mehr unterrichtet. Das geht nicht in einem Land, in dem die Bildung das wichtigste Gut ist, das wir unseren Kindern mitgeben können. Deswegen brauchen wir mehr Lehrer, und zwar sofort.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir brauchen auch einen verstärkten Einsatz der regenerativen Energien in unserem Land. Auch Sie haben doch das Ziel, bis zum Jahr 2010 den Anteil der regenerativen Energien zu verdoppeln. Das braucht unsere Wirtschaft als Motor für eine gute, moderne und zukunftweisende Entwicklung bei den regenerativen Energien. Wir brauchen das auch, um den geplanten Atomausstieg Zug um Zug auffangen zu können. Hierfür muss der Anteil der regenerativen Energien vergrößert, verdoppelt werden.

Meine Damen und Herren, die Überschüsse und die Mehreinnahmen in einem Nachtrag zu etatisieren, bedeutet gleichzeitig eine Zinskorrektur. Die haben Sie, Herr Finanzminister, uns unterschlagen. Wir haben als Minimum ungefähr 130 Millionen DM Zinskorrekturen für nicht in Anspruch genommene Kredite. Diese Summe für Lehrer und für eine Steigerung des Anteils der regenerativen Energien auszugeben, ist das Gebot der Stunde. Das, was hier an Zinsen eingespart wird, kann für vernünftige Investitionen in diesen Bereichen ausgegeben werden. Auch darüber werden wir uns bei den Ausschussberatungen unterhalten müssen.

Insgesamt stelle ich fest: Wir werden im Finanzausschuss viele Fragen beraten müssen. Hoffentlich haben wir dazu genügend Zeit. Hoffentlich wird uns der Finanzminister auch die Unterlagen zur Verfügung stellen. Anderenfalls werden wir sie ihm vorlegen.

(Abg. Brechtken SPD: Sehr gut! Aber nur gegen Honorar!)

Wir müssen dazu kommen, den Spar- und Konsolidierungskurs auf keinen Fall zu beenden. Dazu erwarte ich von Ihnen Sparvorschläge. Denn wir werden nicht nur mit den Rückstellungen für die Reform der Einkommensteuer und der Unternehmensteuer zurande kommen, sondern wir brauchen eine dauerhafte strukturelle Veränderung. Dies bedeutet Einsparungen in vielen Bereichen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Erdrich-Sommer hat Recht: Dieses Land Baden-Württemberg ist wirklich Spitze. Das gilt für die entscheidenden Politikbereiche, das gilt für die ökonomischen Voraussetzungen, für die Wirtschaftssituation in Baden-Württemberg. Wir sind deutscher Meister, was Arbeitsplätze und die Schaffung neuer Arbeitsplätze angeht. Wir sind deutscher Meister, wenn es darum geht, Ausbildungsplätze zu schaffen. Wir sind deutscher Meister, wenn es darum geht, Existenzgründungen zu schaffen. Das alles ist in der Tat besser als in anderen Bundesländern.

(Zuruf des Abg. Walter Bündnis 90/Die Grünen)

Wir sind in der Frage der inneren Sicherheit weit vorn, auch vor den anderen Bundesländern, und dies gilt letzten Endes auch für den Bildungsbereich.

(Abg. Zeller SPD: Das ist doch nicht wahr! Das stimmt doch nicht!)

Nachdem Sie schon Zahlen auf den Tisch legen, kann ich Ihnen ohne weiteres vorrechnen: Seit 1996 sind die Ausgaben für Bildung gemessen am Gesamthaushalt prozentual und absolut gestiegen. Das hängt damit zusammen, dass in dieser Regierung durch verschiedene Privatisierungsbemühungen gerade auf den Bildungsbereich ein besonderer Schwerpunkt gelegt worden ist.

Deshalb ist es richtig, wenn hier – im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben – noch einmal gesagt wird: Das Land Baden-Württemberg setzt bei der Bildungspolitik, der Ausbildung für die jungen Menschen, den Zukunftschancen für die jungen Menschen einen ganz besonderen Schwerpunkt, und den lassen wir uns von Ihnen auch nicht kaputtreden, damit das klar ist.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Brechtken SPD: Ihr sollt handeln, nicht kaputtreden!)

Ich will vorweg sagen: Die FDP/DVP hat diesen Nachtragshaushalt von der ersten Stunde an gewollt, und ich will ihn immer noch. Es ist gut, dass dieser Nachtragshaushalt auf dem Tisch liegt, damit das ganz klar ist.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Ich habe überhaupt kein Verständnis für Ihre Sophisterei, Herr Kollege Brechtken, die Sie da jetzt abgelassen haben. Ich möchte mal wissen, was Sie uns um die Ohren geschlagen hätten, wenn wir Teile der rund 2,2 Milliarden DM – das ist die Gesamtsumme, um die es geht – gewissermaßen an diesem Parlament vorbei durch überplanmäßige oder außerplanmäßige Ausgaben ausgegeben hätten. Sie, die Opposition, wären doch die Ersten gewesen, die davon gesprochen hätten, dass das Parlament missbraucht werde, dass das Recht des Parlaments missbraucht werde,

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Zu Recht!)

und Sie hätten doch von sich aus diesen Nachtragshaushalt gefordert. Jetzt ist der Nachtragshaushalt da, und es ist

richtig und notwendig, dass er da ist. Das will ich Ihnen jetzt noch begründen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ernst, wir danken dir! – Abg. Brechtken SPD meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Pfister – –

Nein, ich möchte im Augenblick nicht. Später.

Ich möchte Ihnen sagen, dass dieser Nachtragshaushalt aus meiner Sicht fünf wichtige Punkte hat. Einen habe ich angesprochen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ja, dass es den gibt! Das ist der erste!)

Es geht in der Tat auch um mehr Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Ich finde, ein Parlament wie dieses muss doch jubeln, wenn ein Beitrag für mehr Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit geleistet wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Lachen des Abg. Brechtken SPD)

Zweiter Punkt: Wir brauchen weitere Mittel zum Ausgleich der Schäden durch den Sturm Lothar. Das scheint in der Zwischenzeit unumstritten zu sein.

(Abg. Dr. Puchta SPD: War es schon immer! Schon beim Urhaushalt!)

Dritter Punkt: Wir sichern mit diesem Nachtragshaushalt die Unterrichtsversorgung nicht nur in diesem Jahr 2000, sondern auch im kommenden Schuljahr.

Viertens: Wir treffen mit diesem Nachtragshaushalt Vorsorge für das, was auf Baden-Württemberg im Jahr 2001 an Belastungen – Stichwort Steuerreform – zukommen wird.

Fünftens schließlich wird mit diesem Haushalt auch konsequent die Haushaltskonsolidierung durch diese Landesregierung, diese Koalition fortgesetzt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Wenn Kollege Maurer – er ist jetzt leider nicht da – im Vorfeld dieser Haushaltsberatungen gemeint hat, hier würde eine chaotische Haushaltswirtschaft betrieben, dann kann ich nur sagen:

(Abg. Brechtken SPD: Recht hat er!)

Nicht dieser Haushalt ist chaotisch, sondern die Äußerungen und die Politik, die insbesondere von der SPD und von den Grünen hier veranstaltet wird, sind es.

(Beifall bei der FDP/DVP – Lachen des Abg. Brechtken SPD)

Wir haben uns darauf geeinigt – das will ich noch einmal ausdrücklich unterstreichen –, einen schlanken Nachtrag vorzulegen, das heißt einen Nachtrag, in dem wirklich nur

das unabdingbar Notwendige verankert wird. Wir beschränken uns im Wesentlichen ganz bewusst auf nur zwei Ausgabenpositionen, um auf diese Weise auch klarzumachen: Wir wollen auch nicht vor einer Landtagswahl das Füllhorn ausschütten, sondern wir wollen mit diesem Nachtragshaushalt auch deutlich machen, dass die Politik der Konsolidierung unserer Haushalte fortgesetzt wird, wie wir sie im letzten Jahr begonnen haben und auch konsequent fortsetzen werden, bis zu dem Zeitpunkt, ab dem zum ersten Mal seit vielen Jahren in Baden-Württemberg wieder die Situation erreicht sein wird, dass wir keine zusätzliche Nettokreditaufnahme vornehmen müssen, sondern die Nettokreditaufnahme auf null gestellt werden kann. Die FDP/DVP hat – das wissen Sie – vor genau einem Jahr diese Marschrichtung ausgegeben. Wir haben gesagt: Bis zum Jahr 2005/06 muss dieses Ziel erreicht werden. Diese Politik ist in der Zwischenzeit von der gesamten Regierung übernommen worden. Das kann man sagen. Der Finanzminister hat das dankenswerterweise noch einmal bestätigt.

(Abg. Dr. Puchta SPD: Er lacht ja!)

Mit diesem Haushalt, meine Damen und Herren, werden wir dieses Ziel nicht nur erreichen, sondern wir werden die Rückführung der Nettokreditaufnahme auf null mit diesem Haushalt sogar besser erreichen, weil wir zu den 300 Millionen DM,

(Abg. Dr. Puchta SPD: Aber doch nicht eingerech- net!)

die wir sowieso schon im Haushalt eingestellt haben, jetzt weitere 350 Millionen DM einstellen können

(Abg. Dr. Puchta SPD: Woher denn? Woher habt ihr sie denn? – Zuruf des Abg. Brechtken SPD – Zuruf der Abg. Marianne Erdrich-Sommer Bünd- nis 90/Die Grünen)

und auf diese Art und Weise das Ziel der Konsolidierung unserer Haushalte noch besser erreichen können.