Protokoll der Sitzung vom 04.10.2000

Sie sitzen so tief im Loch, dass Sie sich scheinbar an jeden Strohhalm klammern. Herr Stratthaus hat neulich in einer Fernsehdebatte als letztes Argument zu diesem Thema zu mir gesagt, weil ihm nichts mehr einfiel: „Die Ökosteuer muss weg, weil die Leute sie nicht wollen!“

(Abg. Haasis CDU: Gutes Argument!)

Dazu kann ich nur sagen: Jawohl, dann schaffen wir alle Steuern ab, denn keiner will eine Steuer zahlen.

Danke schön.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Oettinger.

Herr Präsident, meine verehrten Damen, meine Herren! Herr Kollege Salomon hat die Frage in den Mittelpunkt gerückt, wie wir es mit der Entfernungspauschale halten. In der Tat, die Frage ist berechtigt.

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Wem sagen Sie das! Jetzt sind wir gespannt!)

Mit zwei wichtigen Argumenten bekommen Sie die Antwort hierauf.

Erstens: Die Entfernungspauschale nutzt nur Bürgern, die auch Steuern bezahlen.

(Abg. Deuschle REP: Eben!)

Es gibt aber Bürger, die ein Auto haben und es brauchen, aber keine Steuern zahlen. Deswegen ist die Einführung der Entfernungspauschale und ist die Erhöhung der steuerlich absetzbaren Autokosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz dort sozial ungerecht, wo jemand notwendigerweise Auto fährt, aber keine Steuern zu bezahlen hat:

(Abg. Maurer SPD: Was heißt das jetzt?)

zum Beispiel Rentner, Hunderttausende an der Zahl, und Studierende. Es gibt ja auch Jusos, die ein Auto haben und gern damit fahren. Kurzum: Mit der Erhöhung der Entfernungspauschale machen Sie nur einen Teil Ihres Fehlers wieder gut. Der Fehler selbst bleibt trotzdem auf dem Tisch.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Hofer FDP/ DVP – Abg. Brechtken SPD: Sind Sie jetzt dafür oder dagegen?)

Jetzt kommt ein zweiter Punkt hinzu. Noch immer sind Sie alle dem Land Baden-Württemberg verpflichtet und nicht allein dem Bund. Der Bund ist für die Rentenkassen verantwortlich und saniert die Rentenkassen durch höhere Bundeszuschüsse mit. Er bekommt die vollen Einnahmen aus der Ökosteuer, nur an der Umsatzsteuer sind Länder und Kommunen anteilig beteiligt. Das heißt, den Profit, den Nutzen von dieser unseligen falschen Stufensteuer hat derzeit allein der Bund. Aber Ihre Entlastung, die jetzt als Wohltat vorgenommen werden soll, die Entfernungspauschale, senkt die Einkommen- und Lohnsteuer, und daran sind die Länder und Kommunen wesentlich beteiligt. Das heißt, Sie machen hier einen Vorschlag, der zulasten des Landes Baden-Württemberg geht, und werden damit Ihrem Mandat in keiner Weise gerecht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Ihr profitiert doch an der gestiegenen Umsatzsteu- er!)

Wir profitieren überhaupt nicht an den 6 Pfennig, an den 30 Pfennig keinen Pfennig.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Aber an der Umsatzsteuer!)

An der Umsatzsteuer anteilig, aber zu 90 % geht die Steuersteigerung beim Benzin in die Kassen von Eichel. Die Entlastung jedoch erfolgt zu 40 % zulasten von Stratt

haus und des Landes Baden-Württemberg. Deswegen werden Sie Ihrer landespolitischen Verantwortung nicht gerecht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich sage Ihnen deutlich: Die Entfernungspauschale ist an sich ein sinnvolles Instrument, weil der Steuergesetzgeber sich aus der Frage, mit welchem Gefährt man zum Arbeitsplatz fährt, heraushalten soll. Wenn es aber um diesen Umtausch geht – Ökosteuer ideologisch hochhalten, Einnahmen des Bundes sichern, Kasse von Eichel sanieren – und die Länder die Ausgleichssumme mitbezahlen, dann ist dies nicht der richtige Weg. Deswegen: Entfernungspauschale im Prinzip ja, aber nicht zur Abmilderung der wirtschaftlichen Schäden, die durch die Ökosteuer und durch Ihre Unbeugsamkeit verursacht sind.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Maurer.

Lieber Kollege Oettinger, jetzt weiß ich immer noch nicht, ob Sie der Erhöhung der Entfernungspauschale zustimmen werden oder ob Sie sie ablehnen werden.

(Abg. Haas CDU: Setzen Sie die Ökosteuer aus! – Abg. Brechtken SPD: Vielleicht weiß er es selber nicht!)

Vielleicht können Sie uns das noch mitteilen.

(Zuruf des Abg. Keitel CDU)

Ich weiß nicht, ob Sie es nicht verstehen wollen. Ich versuche, es Ihnen noch einmal zu erklären.

(Abg. Haas CDU: Da brauchen Sie nichts zu erklä- ren!)

Es geht überhaupt nicht um Ideologie, sondern es geht um eine vernünftige volkswirtschaftliche Strategie. Wir können die deutsche Steuergesetzgebung nicht von den Preissprüngen des OPEC-Kartells und der Konzerne abhängig machen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wenn ich Ihren Vorschlägen folgen würde, dann müssten wir die Spitzenfinanzbeamten des Bundes an die Zapfsäulen stellen, damit sie die Preisentwicklung verfolgen können, und müssten alle zwei Monate die Steuern herauf- oder heruntersetzen, je nachdem, was die OPEC und was die Mineralölkonzerne gerade gemacht haben.

(Abg. Haas CDU: So ein Geschwätz! So ein Quatsch!)

Das ist doch Irrsinn. So kann man doch keine Steuerpolitik gestalten, dass man sagt: Wenn der Benzinpreis gerade hochgetrieben worden ist, dann senken wir die Steuern; wenn er gerade fällt, dann erhöhen wir sie wieder.

(Zuruf von der CDU: Schwachsinn!)

Das ist das, was Sie uns vorschlagen. Dies ist absoluter Unsinn.

Ich sage Ihnen, was Sie einfach einmal begreifen müssen – das begreift ja auch beispielsweise der Volkswirtschaftsexperte der Deutschen Bank –, noch einmal: Wenn wir jetzt, nachdem wir diese Preisstrategie der OPEC und der multinationalen Konzerne hatten, die wir Gott sei Dank in der Spitze schon gebrochen haben, Ihrem Unfug folgen würden, dann wäre das Ergebnis, dass am zweiten Tag, nachdem wir den Spritpreis steuerlich entlastet haben, genau in demselben Umfang die Preise erhöht würden. Das wäre die Folge.

(Abg. Deuschle REP: Herr Maurer, Sie haben doch keine Ahnung!)

Das Ergebnis wäre: Die Bürgerinnen und Bürger hätten davon überhaupt nichts. Kassieren würden die OPEC und die Betreiber des Netzes. Auf der anderen Seite hätten wir noch den Steuerausfall, den Sie ja offensichtlich wollen, und müssten dann noch die Lohnnebenkosten anheben, um die Renten zu finanzieren. Das ist der Quatsch, den Sie uns hier vorschlagen. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Dr. Birk CDU: Maurer ist bei der OPEC! Maurer ist der Vertreter der OPEC in Ba- den-Württemberg!)

Das machen im Übrigen auch die anderen Länder nicht mit. Das machen die Vereinigten Staaten nicht mit – den einzigen Sündenfall gab es in Frankreich –, das machen die anderen europäischen Regierungen nicht mit, egal, wie sie geführt sind, und sie machen es genau aus diesem Grund nicht mit.

Sagen Sie unserem Volk endlich einmal die Wahrheit. Die Wahrheit ist zum Beispiel, dass der Halbjahresgewinn von Royal Dutch/Shell höher war als das gesamte Kfz-SteuerAufkommen in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist die Wahrheit.

(Abg. Haasis CDU: Aber nicht in der Bundesrepu- blik!)

Das ist die Wahrheit, weil die halt mitverdienen, wenn sie eigene Fördermöglichkeiten haben.

Deswegen noch einmal: Wir weigern uns, Ihrem Blödsinn nachzulaufen und das Geschäft der OPEC zu betreiben. Wir reagieren vielmehr so, dass die besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen tatsächlich entlastet werden. Ich sage Ihnen voraus: Bei der Erhöhung der Entfernungspauschale wird die Mehrheit der unionsregierten Länder am Ende genauso zustimmen, wie sie bei der Steuerreform zugestimmt hat.

(Abg. Haasis CDU: Herr Präsident, ist eine Zwi- schenfrage erlaubt?)

Möglicherweise bleibt Erwin wieder als Letzter im Loch sitzen und folgt der Parteiparole. Aber die Erhöhung der Entfernungspauschale wird beschlossen werden. Das sage ich Ihnen. Darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Maurer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Am Schluss, Herr Präsident.

Jetzt einmal Klartext. Sie wollen ja keine Zahlen hören, wollen die Wahrheit nicht wissen. Jetzt sage ich Ihnen einmal, wie das war. Jahresdurchschnitt 1982, SPD/FDP-Regierung: Tankstellenpreise 1 Liter Super 1,388 DM, Mineralölsteuer 51 Pfennig, Mehrwertsteuer 16 Pfennig, Steueranteil 48,3 %. Jetzt kommen wir zu Ihrer Regierungszeit. Im September 1998 betrug der Steueranteil 75,9 %, und auf der Spitze des Preiskampfes jetzt in Deutschland betrug der Steueranteil 65,9 %, 10 Pfennig weniger.