Protokoll der Sitzung vom 04.10.2000

Jetzt einmal Klartext. Sie wollen ja keine Zahlen hören, wollen die Wahrheit nicht wissen. Jetzt sage ich Ihnen einmal, wie das war. Jahresdurchschnitt 1982, SPD/FDP-Regierung: Tankstellenpreise 1 Liter Super 1,388 DM, Mineralölsteuer 51 Pfennig, Mehrwertsteuer 16 Pfennig, Steueranteil 48,3 %. Jetzt kommen wir zu Ihrer Regierungszeit. Im September 1998 betrug der Steueranteil 75,9 %, und auf der Spitze des Preiskampfes jetzt in Deutschland betrug der Steueranteil 65,9 %, 10 Pfennig weniger.

(Abg. Haas CDU: Nicht Pfennig!)

10 Prozentpunkte weniger Steueranteil, lieber Freund, als zu der Zeit, als Sie regiert haben. Das ist die Realität.

(Zurufe von der CDU, u. a. Abg. Haasis: Stimmt doch gar nicht!)

Darüber können Sie sich ruhig aufregen.

Und, Herr Kollege Wirtschaftsminister – das sage ich Ihnen zum Schluss, lieber Herr Döring –, Sie üben sich noch in zu viel Loyalität zu Ihrem Koalitionspartner. Es wäre ganz gut gewesen – das hätte Ihnen als FDP-Repräsentant auch gar nichts geschadet –, wenn Sie in dieser Debatte einmal erwähnt hätten, was wirklich wahr ist: dass Sie nämlich von der Gnade des Herrn Ministerpräsidenten zwar Forschung machen dürfen, dass Sie aber bei der entscheidenden Frage, nämlich der Markteinführung von alternativen Energiequellen, beispielsweise bei der für Baden-Württemberg – wir haben doch alle Voraussetzungen – in den kommenden Jahren zentralen Frage wasserstoffbetriebener Motoren, dass Sie bei den riesigen Chancen, die wir heute beispielsweise über Wärmedämmung oder über Photovoltaik im Handwerk haben – den Leuten werden ja jetzt die Produkte aus den Händen gerissen –, wo Sie, wenn Sie die Kraft und die Macht hätten, mit gezielten Markteinführungshilfen zu reagieren, wie das früher einmal in Baden-Württemberg der Fall war, eine herausragende Chance hätten, Politik für das Handwerk und den Mittelstand in Baden-Württemberg zu realisieren, keine entscheidenden Anstrengungen unternehmen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Tatsache, dass Herr Teufel Ihnen bei den Haushaltsberatungen die Mittel in diesem Sektor regelmäßig zusammengestrichen hat, sollte sich bei Ihnen nicht in Angstbeißen gegenüber uns umsetzen,

(Heiterkeit bei der SPD)

sondern Sie sollten schon mit den Richtigen diskutieren. Deswegen sage ich: Was mir fehlt, ist eine Politik weg vom Öl, auch in Baden-Württemberg; denn das ist das Einzige, was langfristig wirkt. Weg vom Öl, das ist unsere Antwort auf die Strategie der OPEC. Und da macht – tut mir Leid – die Bundesregierung bei der Markteinführung – Sie haben selber das Dächerprogramm zitiert – wesentlich mehr. Da fehlen die komplementären Anstrengungen der

Landesregierung, nicht weil Sie es nicht wollten, sondern weil es Herr Teufel Ihnen nicht zulässt. Ich kenne doch Ihre ganzen Reden zu der Frage, dass man ein Achtfaches an Investitionen mobilisieren könnte, wenn man entsprechend in die Altbaumodernisierung ginge, was natürlich energiesparend wäre. Aber Sie kommen bei Ihren schwarzen Verbündeten nicht durch. Seien Sie deswegen so ehrlich und diskutieren Sie das hier, wie gesagt, anstelle in Angstbeißerei gegenüber der Opposition zu verfallen.

Eines, meine Damen und Herren: Wir wollen über die Fakten reden. Das ist ein stringentes Konzept der Bundesregierung. In einem Land, das Sie uns überlassen haben, haben wir extrem hohe Lohnnebenkosten,

(Abg. Haasis CDU: Wir haben Ihnen das Land überlassen? So weit sind wir noch nicht!)

extrem hohe Rentenversicherungsbeiträge. Wenn Sie in einem Land, wo Sie zum Schluss mit Ihrer glorreichen Politik sogar schon die Schwankungsreserven der Rentenkasse von einem Monat angezapft und dezimiert hatten,

(Abg. Haasis CDU: Au je!)

in einem Land, das Sie auf die Spitze der Staatsverschuldung getrieben haben, wenn Sie in einem solchen Land, das ruinös verschuldet ist, die Lohnnebenkosten absenken wollen, müssen Sie das gegenfinanzieren, und die Absenkung der Lohnnebenkosten ist gegenfinanziert. Deswegen ist es notwendig und richtig, dieses Steuerkonzept zu machen, an dem wir festhalten. Das hat etwas zu tun mit dem Erbe, das Sie uns hinterlassen haben, und das werden wir so schnell nicht los. Es geht nicht, wie die CDU und die CSU ein Land finanziell an den Rand des Ruins zu treiben und die Rentenkassen auszuplündern

(Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CDU – Abg. Weimer SPD zur CDU: Die Wahrheit ist konkret und tut weh!)

und dann, wenn der Versuch gemacht wird, die Rentenkassen zu schonen, die Lohnnebenkosten zu senken und gleichzeitig den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen, mit billiger Polemik durch die Lande zu ziehen.

Ich sage Ihnen: Sie werden erst dann wieder etwas, wenn Sie Regierungsfähigkeit beweisen. Solange Sie Schaumschlägerei demonstrieren, wird das deutsche Volk Sie nicht mehr wählen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Haas CDU: So ein Gesülze!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, nach der von den Grünen beantragten Aktuellen Debatte – sie ist ja von Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen, beantragt worden, weil Sie daraus Nektar ziehen zu können glaubten – ist eigentlich sehr deutlich geworden – was Sie auch erklärt haben –, was Ihre Strategie sein wird: Offensive. Ich sehe darin keine Offensive. Ich sehe darin ganz eindeutig die Flucht nach vorn in Sachen Ökosteuer.

(Abg. Beate Fauser FDP/DVP: Genau! – Heiter- keit – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Frau Fauser steht zu Ihnen! Aber nur Frau Fauser!)

Es ist eine Binsenwahrheit – und das wird von niemandem bestritten –, dass Einsparungen und alternative Energien auch durch höhere Ölpreise bewirkt werden. Das war in der Vergangenheit so – da ist viel gemacht worden –, das ist in der Gegenwart so, und natürlich wird da auch in Zukunft noch viel zu tun sein. Aber das darf den Blick auf zwei Dinge nicht verstellen:

Erstens: Diese Ökosteuer hat in dieser Hinsicht null Lenkungswirkung, null.

Zweitens: Die galoppierenden Preise – Energiepreise, Ölpreise – sind verheerend für die Wirtschaft und führen zu großer sozialer Ungerechtigkeit.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Sie sind verheerend für den Mittelstand. Insbesondere die arbeitsintensiven kleinen Dienstleistungsbetriebe – Einzelhandel, Handwerk, Speditionsgewerbe und natürlich auch das Hotel- und Gaststättengewerbe – leiden darunter. Sie klagen nicht aus Jux und Tollerei, sondern deshalb, weil sie betroffen sind. Sie leiden darunter, und der kleine Mann leidet auch darunter. Denn eines ist doch ganz klar – Herr Maurer, Sie haben heute Morgen verkündet, das Problem sei nicht mehr da, weil der Dieselpreis um 10 Pfennig pro Liter gesunken sei –: Wenn sich im Jahr 1999 ein einfacher Bürger in bester Sparabsicht ein Dieselauto gekauft hat, dann geschah das zu einem Zeitpunkt, als der Dieselpreis bei 99 Pfennig gelegen hat. Jetzt liegt er bei 1,60 DM, und Sie sagen: Kein Problem für den Bürger. Das darf doch nicht wahr sein!

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Wie weit entfernen wir uns von der Not der Bürger? Beim Heizöl ist die gleiche 70-prozentige Steigerung eingetreten. Heizöl für einen Haushalt kostet jetzt im Durchschnitt 1 000 DM mehr.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Wenn er von der Not der Bürger redet!)

Da kann ich doch nicht sagen: Tut mir Leid. Mich wundert, dass insbesondere Sie das sagen.

(Abg. Nagel SPD: Das ist doch Quatsch!)

Die Bürger wollen auch keine Randale machen, weil sie gerne mal Randale machen wollten wie die Franzosen oder die Belgier, sondern die Proteste erfolgen, weil die Leute ihre Nöte haben, weil für viele Pendler und Rentner die Benzinpreise und die Energiepreise so etwas darstellen wie einen modernen Brotpreis – das muss man einmal sehen – ,

(Beifall bei der FDP/DVP)

weil sie nämlich gegenwärtig oft gar keine Alternative haben, überhaupt von diesem Preis herunterzukommen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Und warum nicht?)

Fragen Sie nicht „Warum nicht?“

Es ist eine kleinkarierte Diskussion, ob der andere früher auch schuldhafterweise oder unnötigerweise die Preise erhöht hat. Das mag ja sogar sein. Warum nicht auch mal Selbstkritik? Den Bürger interessiert das aber einen feuchten Lappen, wenn Sie ihm das sagen. Er sieht die Preise jetzt. Es ist doch lächerlich, dem Bürger immer diese Spiegelfechterei vorzumachen. Das möchte ich an dieser Stelle sagen.

(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU)

Dann möchte ich noch einige Worte zur Ökosteuer sagen. Vom Thema Ökosteuer kommen Sie nicht weg. Ich setze auf die Vernunft des Vernunftkanzlers. Was ist an einer Ökosteuer vernünftig – das wurde vorhin gesagt –, deren Steueraufkommen sinken soll, mit der aber ständig erhöhte Soziallasten finanziert werden sollen? Was ist daran vernünftig? Was ist daran vernünftig, zuerst über die Ökosteuer Belastungen herbeizuführen, um diese Belastungen für die Betroffenen dann in Milliardenhöhe wieder herunterzufahren? Geben Sie das Geld doch gleich direkt in die Rentenfinanzierung.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Bür- germeisterpopulismus!)

Nein, nein! Das ist kein Bürgermeisterpopulismus, sondern es ist ein Witz,

(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Steuergelder in die Hand zu nehmen, um gerade getätigte Steuererhöhungen wieder abzufedern.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Mit einer Subventionitis, übrigens ungerecht bis dorthinaus – dem Wohngeldempfänger gönne ich, dass er entlastet wird, aber der kleine Mann beklagt sich eh schon über einen zu geringen Lohnabstand –, bleibt die Masse der Leute auf ihren Heizölkosten sitzen. Da können Sie nicht sagen, das interessiere Sie nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Es ist doch nicht polemisch, wenn ich Sie frage, was an einer Ökosteuer vernünftig ist – das wurde vorhin von Herrn Pfister auch gefragt –, die den größten CO2-Verschmutzer, nämlich den Einsatz der Kohle, ausnimmt und dafür erneuerbare Energien und auch die Schiene und den ÖPNV voll belastet. Was ist daran vernünftig?

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie haben vorhin Herrn Pfister unfreiwillig Recht gegeben, als er die Lenkungswirkung der Ökosteuer bezweifelt hat. Sie haben gesagt, die Preise seien eh so hoch, was mache denn da das bisschen Ökosteuer noch aus. Genau.