Ich stelle fest, Herr Kiesswetter: Der Herr Justizminister hat keinen Ton mehr von Schließung der kleinen Amtsgerichte gesagt. Er hat auf den Vorhalt von mir die Behauptung, dass diese Schließung beabsichtigt sei, jedenfalls heute hier nicht aufrechterhalten.
Von rechter Seite ist etwas anderes gekommen, was auch wieder nicht stimmt. Wenn eine Schließung kleiner Amtsgerichte erfolgen sollte, dann müsste das GVG geändert werden – das wissen Sie, Herr Justizminister –, und dazu würden wir die Länder brauchen. Wo ist denn die Ländermehrheit für so etwas? Es ist doch unseriös, was Sie hier verbreiten. Es gibt keine Ländermehrheit für die Schließung kleiner Amtsgerichte. Deshalb sollten Sie es auch zukünftig sein lassen,
Wenn Sie Zahlen genannt haben, dann haben Sie permanent bei den Erledigungszahlen genauso wie bei den Berufungszahlen nie berücksichtigt, dass es Streitwertgrenzen gibt.
84 %, weil Sie eine Streitwertgrenze haben. Da kann es doch gar keine Berufung geben. Das ist doch klar, dass die in erster Instanz erledigt werden.
(Abg. Kiesswetter FDP/DVP: Es stimmt doch gar nicht, was Sie sagen! Beim Landgericht gibt es Be- rufungen! Das ist doch ganz klar!)
Ach, Herr Kiesswetter, Sie wissen, dass eine ganze Menge der Verfahren per Vergleich erledigt werden oder sich
Sie haben in den letzten zehn Jahren den Streitwert bei den Amtsgerichten von 700 DM auf 1 500 DM erhöht.
Das heißt, nicht alle Streitigkeiten, die auch in der Sache selbst eigentlich wichtig sind und einer einheitlichen Rechtsprechung zugeführt werden müssten, können einer einheitlichen Rechtsprechung zugeführt werden, weil der Streitwert dies verhindert. Das wollen Sie, und das nennen Sie bürgernah. Sie nennen es bürgernah, wenn ein Richter – interessant übrigens – seine Fälle schnell erledigt: Prozessführer rein. Der Richter sagt: „Ich habe keine Zeit. Was wollen Sie? Zwei Minuten gebe ich Ihnen.“ Raus, Urteil. Das ist Bürgernähe?
Das ist überall dort der Fall, wo die Richter mit Arbeit überlastet sind. Es gibt nahezu kein einziges Amtsgericht mehr, bei dem die Amtsrichter nicht mit totaler Arbeitsüberlastung zu kämpfen haben.
Wenn Sie Bürgernähe wollen, dann müssen Sie dem Amtsrichter Zeit geben, auf die Argumentation der Bürger einzugehen. Er muss echt verhandeln können.
Das macht dann auch die Autorität des Richters und die Richterpersönlichkeit aus. Das ist Rechtskultur, die damit geschaffen werden soll, und nicht Durchgangsverfahren.
Ich möchte zum Schluss nur darauf hinweisen: Herr Justizminister, Sie sind heftig im Austeilen von Vorwürfen. Ich erinnere Sie an die Strukturreform des Amtsnotariats. Das ist übrigens zu Beginn der Legislaturperiode auch in die Koalitionsvereinbarung geschrieben worden, Herr Rech – nur damit wir uns da nicht etwas vergeben. Sie haben zuerst die Landesbetriebe propagiert. Wir haben Gespräche geführt und Ihnen klarzumachen versucht, dass das unmöglich funktionieren kann. Sie haben sich, wie Sie selbst sagen, argumentationsresistent gezeigt. Sie sind stillschwei
gend von diesen Landesbetrieben abgerückt; keiner redet mehr davon. Stille Beerdigung war die Folge. Sie haben dann von dem freien Notariat geredet. Herr Rech war ein Vorkämpfer des freien Notariats.
Im Moment gibt es überhaupt keine Notariatsreform. Die badischen Notare haben noch immer die gleichen Probleme wie vor fünf Jahren, und sie freuen sich sehr darüber. Sie sind zu deren hundertjährigem Jubiläum schon gar nicht mehr gegangen. Das haben Sie nicht mehr gewagt, weil diese Sie gewissermaßen massakriert hätten ob der Unfähigkeit, auch nur ansatzweise eine Strukturreform beim Amtsnotariat herbeizuführen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Noch einmal zwei oder drei Gedanken, auch zu dem, was der Minister gesagt hat, der hier den verfahrensrechtlichen Vorteil hat, ohne jede Zeitbeschränkung argumentieren zu können. So etwas kennen wir natürlich in der Zivilprozessordnung nicht, Herr Minister. Deswegen wäre es ganz interessant, wenn wir uns vielleicht einmal vor Gericht treffen könnten. Dann könnte man es im Detail und in der Praxis austauschen.
Zum Thema Gerichtsaufbau: Der erste Punkt, der hier, denke ich, auch eingeführt werden muss, ist, dass wir ja in den anderen Gerichtszweigen, sei es das Arbeitsgericht, sei es das Sozialgericht, seien es die Familiensachen, schon die Dreistufigkeit haben, Kollege Bender. Deswegen verstehe ich gar nicht,
weshalb Sie gerade an dieser Stelle in eine solche Aufregung verfallen, wobei – das muss man ja dazusagen, Herr Minister und Kollege Bender – es nicht erstes Ziel ist, jetzt die Dreistufigkeit umzusetzen.
Ich will aber nicht verheimlichen und will auch gar nicht in Abrede stellen, dass es tatsächlich ein Schritt dahin sein soll, die Dreistufigkeit zu ermöglichen.