Protokoll der Sitzung vom 26.10.2000

(Zuruf von der SPD: Wie heißt der Abgeordnete? – Gegenruf des Abg. Döpper CDU: Er stellt sich vor!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestern gab es eine Presseerklärung aus Nordrhein-Westfalen: Gemeinsame Erklärung der Partner im Ausbildungskonsens NRW: Jeder junge Mensch, der ausgebildet werden will, wird ausgebildet. Der Ausbildungskonsens NRW wird fortgeführt. Er war zwar ursprünglich nur auf fünf Jahre, bis 2001, geschlossen worden. Wie Arbeitsminister Schartau heute in Düsseldorf mitteilte, ist die Fortsetzung jetzt nach einem Spitzengespräch aller Partner beschlossen worden. Auch künftig werden sich die Anstrengungen der Konsenspartner auf die Gewinnung neuer Ausbildungsplätze und Betriebe sowie verstärkt auf die Besetzung offener Ausbildungsstellen konzentrieren.

Meine Damen und Herren, es wäre schön, wenn wir in Baden-Württemberg etwas Ähnliches hätten.

(Lachen des Abg. Haas CDU)

Aber trotz aller Appelle an Dialogbereitschaft, trotz aller Appelle, unsere Kräfte zusammenzufassen, die Kräfte der verschiedenen Akteure, was Berufsausbildung und auch Förderung der überbetrieblichen Bildungsstätten – das ist das Thema – anlangt – es wäre schön, wenn wir so etwas hinkriegen würden –, ist das leider nicht so. Außer Parolen gibt es leider keine Umsetzung.

(Abg. Haas CDU: Sie sollten wissen, dass wir zu wenige Auszubildende haben!)

Meine Damen und Herren, wir müssen auch in BadenWürttemberg neue Ausbildungsplätze gewinnen. Dazu müssen wir es zuerst schaffen, die Unternehmen und Betriebe, die bereits heute ausbilden, bei der Stange zu halten, damit sie weiter ausbilden und neue Ausbildungsplätze schaffen.

Da ist dann die Frage: Welche Beiträge leistet das Land Baden-Württemberg, um dies tatsächlich zu tun? Dazu gehört natürlich auch – zu den neuen Anforderungen nenne ich Ihnen ein paar Stichpunkte – der Teil überbetrieblicher Bildungsstätten, die ein wichtiges Element, ein Mosaik in der Berufsausbildung darstellen. Auch hier müssen wir unseren Teil beitragen und das so pflegen, dass die Betriebe, für die das eigentlich Sinn macht, davon auch etwas abkriegen.

Wir haben es – das ist vorhin bereits diskutiert worden – auch mit veränderten Berufsbildern zu tun, mit völlig neuen Anforderungen. Gerade die neuen Anforderungen sind wieder ganz wichtig für den Bereich überbetrieblicher Bildungsstätten. Ich will nur geschwind einen kurzen historischen Ausflug machen. Entstanden sind sie in den Siebzigerjahren. Da war die Qualität der Berufsbildung stark infrage gestellt, duale Ausbildung. Da haben die Wirtschaft und Gott sei Dank auch die staatliche Seite so reagiert, dass sie überbetriebliche Bildungsstätten mit unterstützt haben. Die Großindustrie ist dazu übergegangen, Lehrlingswerkstätten zu gründen. Damals – das gilt auch heute – war die Zielsetzung, überbetriebliche Bildungsstätten so auszustatten, dass kleine Betriebe, die allein nicht in der Lage wären, eine Ausbildung hinzubekommen, und mittlere Betriebe tatsächlich in die Lage kommen, auszubilden, weil dann nämlich die entsprechende Unterstützung kommt.

Das ganze Ding wurde häufig über Kammern und Innungen zusammengefasst, also sehr industrienah, und wurde in der Regel von den Betrieben und Unternehmen selber finanziert, zum Zweiten vom Bund und zum Dritten vom Land. Jetzt sind wir beim eigentlichen Thema, nämlich bei der Finanzierung der Bildungsstätten.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das war das Vor- wort!)

Das war sozusagen das Vorwort. Ich werde jetzt ein Zwischenresümee ziehen, im zweiten Teil konkret auf BadenWürttemberg gucken und Ihnen aufzeigen, wie sich hier die Finanzierung in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre verändert hat, und dem gegenüberstellen, wie das war, als die SPD in der Regierungsverantwortung dafür stand.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen mein Zwischenresümee, und danach diskutieren wir. Sie haben es geschafft, in der Zwischenzeit auch zu diesem Bereich zwei Zukunftsinitiativen aufzubauen. Das war die Jugendoffensive oder wie Sie es genannt haben, und es war die Zukunftsinitiative Handwerk. Sie haben es geschafft, in dieser Zeit die regulären Haushaltsmittel auf null zu fahren, und

Sie haben es geschafft, über zwei Initiativen die Förderung, die Sie hineingesteckt haben, unterm Strich geringer zu halten, als das vorher im regulären Haushalt der Fall war. Das drückt das Armutszeugnis aus, mit dem sich die Regierung konfrontieren lassen muss. Sie macht große Sprüche, bläst sich ziemlich auf, und unterm Strich fehlen die Fakten.

Im zweiten Teil will ich versuchen, das ein bisschen zu filetieren.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Keitel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kollege hat zu dem Antrag der SPD das Bündnis in Nordrhein-Westfalen angesprochen und hat es hoch gelobt.

(Zuruf der Republikaner: Er hat es auch nötig, da etwas zu machen!)

Herr Hausmann, hier in Baden-Württemberg hat die Wirtschaft zusammen mit den Schulen – gerade eben haben wir miteinander über das Berufsschulwesen diskutiert – und den Kommunen große Anstrengungen unternommen, um die Problematik fehlender Ausbildungsplätze zu meistern. In keinem Land wird so viel für Ausbildungsplätze getan wie hier in Baden-Württemberg. Ich könnte Ihnen Regionen aufzählen, in denen Sie im Moment eine Ausbildungssituation haben, bei der nicht der Ausbildungsplatz, sondern in weiten Bereichen der Lehrling fehlt. Das ist die Wirklichkeit in diesem Land, und deswegen war Ihr Eingangsstatement zu Nordrhein-Westfalen völlig fehl am Platz.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind uns darüber einig, dass im Konsens des dualen Ausbildungswesens die überbetriebliche Ausbildung ein ergänzender Teil der Ausbildung im Betrieb ist.

Ich will auch gar nicht bestreiten, dass wir in den letzten Jahren angesichts der Haushaltskonsolidierungen und angesichts von Einschnitten auch in diesem Bereich nicht alles so auf den Weg bringen konnten, wie wir es uns politisch vielleicht vorgestellt hätten. Das ist überhaupt keine Frage, und ich bin gerne bereit, mit Ihnen zu diskutieren, aber Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass im Doppelhaushalt 2000/2001 große Anstrengungen gemacht werden und über das zweite Zukunftsinvestitionsprogramm 20 Millionen DM zusätzlich für berufliche Bildung verwandt und ganz gezielt in die überbetriebliche Ausbildung gesteckt werden. Im Nachtrag sind 5 Millionen DM dazugekommen. Ich gebe gerne zu, dass wir im Moment einen gewissen Nachholbedarf – ich habe ihn gerade angesprochen – im Bereich der Modernisierung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten haben. Ich will an dieser Stelle aber auch einmal deutlich machen, dass ich das als einen ergänzenden Bereich sehe. Wenn wir uns auf diesen ergänzenden Bereich konzentrieren, werden wir mit den Mitteln, die wir im Moment im Haushalt haben, hinkommen. Wir haben gestern über das neue Zukunftsinvestitionsprogramm diskutiert. Darin sind 30 Millionen DM allein für die überbetriebliche Ausbildung vorgesehen.

Das Handwerk hat in einer Darstellung zusammengefasst, was wir in den nächsten sechs Jahren an Mitteln für die überbetriebliche Ausbildung brauchen. Es sind laut Handwerk 70 Millionen DM durch das Land Baden-Württemberg zu investieren. Wenn ich die Zahlen, die ich genannt habe, hochrechne, kommen wir pro Jahr auf eine Summe von 10 Millionen DM. Auf sechs Jahre hochgerechnet sind es 60 Millionen DM. Wir sind also nahe an den Wunschvorstellungen des Handwerks. Ich verstehe deshalb Ihre Bemerkungen überhaupt nicht. Und Ihr Antrag erweckt den Eindruck, als ob wir in Baden-Württemberg die Bundesfördermittel nicht kofinanziert hätten. Das stimmt nicht. Das ist nicht der Fall – in keinem Fall! Lesen Sie die Stellungnahme zu dem Antrag nach. Die Landesregierung hat das, was Sie dem Land Baden-Württemberg unterstellen, in eindeutiger Klarheit widerlegt.

Meine Damen und Herren, ich will noch zwei, drei weitere Bemerkungen dazu machen, die mir wichtig erscheinen.

Überbetriebliche Ausbildung muss sich im Konsens mit dem Handwerk, mit dem Mittelstand und mit der Wirtschaft vollziehen. Ich akzeptiere nicht – und das auch in Richtung der Landesregierung –, dass wir die überbetriebliche Ausbildung durch höhere Umlagen auf Kosten der Betriebe modernisieren. Deswegen muss klar sein, dass diese Landesmittel gezielt in diesen Bereich gegeben werden.

Ich will eine zweite Bemerkung machen: Die überbetrieblichen Ausbildungsstätten haben in der Zwischenzeit im allgemein weiterbildenden Bereich einen großen Teil aufgebaut, den ich akzeptiere und unterstütze. Aber es kann nicht sein, dass wir vor Ort in zwei, drei Konkurrenzbereichen wie IHK, Handwerkskammer, Volkshochschulen die gleichen Angebote doppelt oder dreifach machen, all diese Angebote mit Landesmitteln fördern und dann auch noch kommerziellen Anbietern im gleichen Bereich wettbewerbsverzerrende Rahmenbedingungen schaffen. Damit bin ich allerdings nicht einverstanden.

(Beifall bei der CDU)

Eine letzte Bemerkung zur überbetrieblichen Ausbildung: Ich will ganz deutlich sagen, dass sie mir wichtig ist. Sie ist notwendig, aber sie kann nicht dazu führen, dass die Zeit, die die Auszubildenden im Betrieb verbringen, immer kürzer wird. Es kann nicht sein, dass wir die Ausbildungszeit im Betrieb weiter kürzen. Ich denke, dass wir da an einem Punkt angelangt sind, den wir nicht mehr weiter unterschreiten dürfen. Die jungen Leute müssen auch im Betrieb bleiben.

(Abg. Mühlbeyer und Abg. Döpper CDU: Rich- tig!)

Ich wehre mich aus der Wirtschaft heraus, dass man den Handwerksbetrieben unterstellt, sie seien nicht auf dem modernsten technischen Stand.

(Abg. Ursula Kuri CDU: Ja!)

Auch in unseren Handwerksbetrieben ist in der Zwischenzeit schon lange, lange moderne Technik eingezogen; sie wird dort angeboten. Unsere Jugendlichen in Baden-Würt

temberg erfahren eine Ausbildung im dualen Arbeitsbereich, die bundesweit vorbildlich ist. Auch deswegen verstehe ich Ihren Antrag überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP)

Das Wort hat Frau Abg. Schlager.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir anerkennen, Herr Keitel, dass die Landesregierung in den nächsten Jahren ihre selbst gesteckten Ziele im Bereich der ÜBA erreichen will. Wir müssen aber feststellen, dass sie in den letzten fünf Jahren weit, weit unter der selbst aufgelegten Messlatte durchgelaufen ist. Der Wirtschaftsminister hat immer gesagt, dass wir pro Jahr etwa 10 Millionen DM bräuchten.

(Abg. Keitel CDU: Das ist klar!)

Wenn wir Jahre hatten, in denen es 2 Millionen DM, 5 Millionen DM oder auch einmal 7 Millionen DM waren, dann bedeutet das, dass wir jetzt eine Zeit hinter uns haben, in der wir quasi eine Art Modernisierungsstau haben auflaufen lassen. Im regulären Haushalt sind noch Mittel in der Größenordnung von 1 Million DM enthalten. Das heißt, wenn es je eine Panne mit den Privatisierungserlösen geben sollte, dann wird das für die Modernisierung der überbetrieblichen Ausbildungsstätten eine Katastrophe.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Nein!)

Das bedeutet: Stellen Sie doch einen soliden Teil in den regulären Haushalt ein, und dokumentieren Sie damit, dass Sie eine Grundfinanzierung, ein Minimum aus dem regulären Haushalt leisten wollen; denn die überbetrieblichen Einrichtungen sind ja nicht dazu da, die Auszubildenden aus den Betrieben abzuziehen oder den Betrieben zu unterstellen, dass sie das nicht richtig könnten oder nicht modern ausgestattet seien. Für kleine Betriebe mit zwei oder drei Leuten wäre es aber ein Unsinn, wenn sie die ganze Palette an modernen Geräten und Betriebsmitteln vorhalten müssten. Es ist schon ein Vorteil, wenn jemand, der in einem kleinen Betrieb ausgebildet wird, in den überbetrieblichen Einrichtungen alles lernt, was man in dem Beruf können muss.

(Zuruf des Abg. Keitel CDU)

Deswegen sind die überbetrieblichen Ausbildungen ganz wichtig, um die kleinen Betriebe ausbildungsfähig und ausbildungswillig zu halten; sonst sind sie nämlich überfordert, und dann hören sie auf damit. Dann hätten wir allesamt nichts davon.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen sowie des Abg. Seltenreich SPD – Zuruf des Abg. Keitel CDU)

Wir hatten in den letzten Jahren zwei Probleme hier im Land zu verzeichnen: Die ausgewiesenen Mittel waren durchweg zu wenig, und sie waren nicht mehr im regulären Haushalt und sind von daher nicht genügend abgesichert.

Wir fordern daher die Landesregierung auf, die überbetriebliche Ausbildung im Land wichtig zu nehmen, ihren Beitrag für die Ausbildung junger Menschen anzuerkennen und sie entsprechend finanziell abzusichern.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD)

Das Wort hat Herr Abg. Hofer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke auch, dass wir uns heute Abend nicht mehr davon überzeugen müssen,

(Abg. Keitel CDU: So!)