Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

ein ganzheitliches Schulbudget im Gespräch, um diesen Betreuungszuschuss...

Ich denke, damit kommt man dann wirklich auf den Punkt. Die Vereinbarungen, die im Moment gerade angedacht sind, scheitern alle an einem: Wenn man die Mittel nicht zur Verfügung stellt, um Sportvereine in den Stand zu versetzen, Angebote in der Schule zu machen, und auch die Schulen nicht ausstattet, diese Angebote nachzufragen, dann funktioniert das Ganze nicht. Das findet zudem auf der Basis statt, dass Sportunterricht in der Schule sowieso ausfällt – jede vierte Stunde; ich habe es erwähnt.

Zweitens – da diskutieren wir seit Jahren über das gleiche Thema –: In weiten Bereichen, vor allem in der Grundschule, wird Sport fachfremd unterrichtet. Gerade mit denjenigen Kindern, die von der ersten bis zur vierten Klasse motorische Vorbildung und Weiterbildung brauchen würden, arbeiten immer noch Leute, die davon aufgrund ihrer Ausbildung nicht viel verstehen. Die Forderung ist schon sehr alt, dass diese Lehrkräfte richtig ausgebildet werden müssen. Aber leider ist in den neun Jahren, seitdem ich hier im Landtag bin, zu diesem Thema nichts passiert.

(Abg. Fleischer CDU: Das stimmt doch nicht! Frau Rudolf, das stimmt doch hinten und vorne nicht!)

Es gilt also, die Ausbildung zu verbessern und die Sportvereine in die Lage zu versetzen, dass sie an den Schulen zusätzlich zum Sportunterricht Angebote machen können. Außerdem müssen die Sportstätten in Baden-Württemberg so instand gesetzt werden, dass Schulen und Sportvereine Angebote machen können und dort Schulsportunterricht vernünftig stattfinden kann.

(Abg. Fleischer CDU: Schauen Sie doch mal die Sportstätten an! Jetzt haben wir gerade den kom- munalen Sportstättenbau umgestellt!)

Über das Thema Schwimmbäder müssen wir uns sowieso noch einmal gesondert unterhalten, Herr Fleischer. Die Diskussionen nehmen landauf, landab zu. Wenn unsere Kinder in Baden-Württemberg nicht mehr schwimmen lernen, erhöht das die Unfallgefahr. Ich möchte nicht hier stehen und darüber diskutieren müssen, wie viele Kinder ertrunken sind, weil sie in unseren Schulen nicht schwimmen gelernt haben.

(Lachen der Abg. Röhm und Dr. Vetter CDU – Beifall bei der SPD – Abg. Fleischer CDU: Sie sollten aber nicht an der falschen Stelle dramatisie- ren!)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Rastätter.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern Morgen hatten wir eine Debatte über den übermäßigen Fernsehkonsum von Kindern mit dessen fatalen Folgen. Es gibt die Erkenntnis, dass übermäßiger Fernsehkonsum Kinder dick, dumm und unglücklich macht. Wir waren uns fraktionsübergreifend einig, dass Kinder mehr Aktivitäten brauchen, dass sie aktiver werden müssen. Kinder müssen kommunikativer werden und damit erfolgreicher und glücklicher.

(Abg. Hillebrand CDU: Glücklicher! – Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Was wäre bei dem Gedanken, Kinder aktiver zu machen, nicht naheliegender als der Ansatz, dass Kinder mehr Sport treiben sollten?

(Abg. Röhm CDU: Logisch!)

Wo erreichen wir alle Kinder? Wir erreichen fast alle Kinder im Kindergarten, und wir erreichen alle Kinder in der Schule – bis zum Ende ihrer Schulzeit. Hier können wir tatsächlich etwas erreichen. Hier können wir etwas für Kinder tun. Wir alle kennen die positiven Auswirkungen des Sports für die gesundheitliche Prävention sowie für die kognitive Entwicklung, die Sozialkompetenz und die Teamfähigkeit von Kindern. Das alles sind Ziele, die wir auch über den Sport erreichen können – vor allem die gesundheitliche Prävention. Die meisten zivilisationsbedingten Krankheiten könnten durch mehr Sport und durch eine gesündere Ernährung drastisch reduziert werden. Ich glaube, wir sind uns über die Bedeutung des Sports und den hohen Stellenwert, den er erhalten muss, wirklich einig.

Wir haben jetzt die Ergebnisse der Sprint-Studie. Kollegin Rudolf und auch Kollege Döring haben darauf hingewiesen, welche erschreckenden Erkenntnisse über den Schulsport in Deutschland diese Studie erbracht hat. Es macht keinen Sinn, Herr Kultusminister Rau, wenn Sie als Erstes reflexartig sagen: „Das alles gilt aber nicht für unser Bundesland, für Baden-Württemberg. Das gilt für die anderen Länder. Warum haben wir nur kein Ranking? Dann wüssten wir das.“ Man sollte vielmehr diese Gelegenheit nutzen, wirklich zu analysieren, wie die Situation ist und welcher Handlungsbedarf besteht, und dann die erforderlichen Verbesserungen in Baden-Württemberg auch zügig durchführen.

(Beifall bei den Grünen)

Ich möchte dazu einige Notwendigkeiten umreißen.

Erstens: Der Landessportverband hat den Vorschlag gemacht, nicht mehr bei der pauschalierten Förderung zu bleiben, sondern zum Teil wieder zur Projektförderung zurückzukehren, diese Projektförderung dann aber mit Sportstätten für Schule – Stichwort Kombilösung für Schul- und Vereinssport – zu koppeln. Wir können es uns nicht mehr leisten, die Förderung separat zu betreiben – dazu reichen die Mittel nicht –, sondern alles muss künftig auch für den Schulsport genutzt und eingesetzt werden.

(Abg. Fleischer CDU: So ist es!)

Das ist das Erste.

(Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP/ DVP – Abg. Fleischer CDU: Sehr gut!)

Zweitens: Wir brauchen auch an der Grundschule ausgebildete Fachlehrerinnen und Fachlehrer. Sicher wäre es richtig, wenn die Grundschullehrerinnen und -lehrer auch in der Ausbildung schon besser für den Bereich Sport befähigt würden als heute, aber wir brauchen auch wirklich qualifizierte und gute Sportlehrer für den Sportunterricht, und zwar gerade an der Grundschule. Denn an der Grundschule wird die Basis für die Bewegungsentwicklung und für eine spätere Spezialisierung gelegt, und dort entscheidet sich auch, ob eine lebenslange Begeisterung für Sport entsteht. Deshalb müssen hoch qualifizierte Sportlehrerinnen und Sportlehrer an die Grundschule.

Drittens: Herr Kultusminister Rau, die Richtung, 200 Minuten Sport an jeder Grundschule anzustreben, ist natürlich richtig. Ich sage aber: Wir brauchen mehr, nämlich die tägliche Sportstunde, und das sind dann nicht 200 Minuten, sondern 500 Minuten in der Woche. Das können wir natürlich nur erreichen, wenn wir der Grundschule wirklich mehr Zeit geben. Wenn wir die echte Halbtagsgrundschule einführen, ist eine tägliche Sportstunde möglich. Diese ist aber nur in einer Kooperation mit Vereinen möglich. Da möchte ich noch einmal auf das zurückkommen, was Frau Kollegin Rudolf schon gesagt hat, die auf die Broschüre des Landessportverbands verwiesen hat. Natürlich geht das nicht zum Nulltarif und ausschließlich durch das Ehrenamt.

(Abg. Fleischer CDU: Doch, auch! Der Landes- sportverband sagt auch: Mit viel Ehrenamt!)

Wir haben heute schon im Zusammenhang mit der Ganztagsschule darüber gesprochen: 4 € für einen Übungsleiter an der Grundschule. Wo wollen Sie denn die vielen hernehmen? Wo sollen sie denn herkommen?

(Abg. Dr. Caroli SPD: Ja, wo sind sie denn?)

Diese Leute arbeiten doch tagsüber. Also können wir das nur – das hat der Landessportverband ja auch aufgezeigt –

(Abg. Fleischer CDU: Wenn Sie bei 40 000 nur 5 % nehmen, haben Sie den Bedarf gedeckt!)

durch Dienstleistungsverträge mit jungen Diplomsportlehrern, die beim Verein eingestellt werden und die dann an die Schulen gehen können. Das geht aber nur, wenn die Schulen Honorarmittel bekommen. Ohne Honorarmittel, mit denen diese Sportlehrer bezahlt werden können, wird es nicht laufen.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Ohne Moos nix los!)

Meine Damen und Herren, wir sehen, wir haben Handlungsbedarf. Ich möchte noch einen Punkt erwähnen. Sie haben auf das Problem an den Hauptschulen hingewiesen. Aber Hauptschüler können ihre Leistungen im Sport gar nicht mehr nachweisen, Herr Kollege Döring, weil es nämlich einen Fächerverbund gibt, für den eine nivellierende Gesamtnote erteilt wird. Das wird von den Sportlehrern, aber auch den Lehrerverbänden massiv kritisiert. Das bringen wir in den Schulausschuss. Auch ein Hauptschüler muss eine Eins im Sport bekommen können.

(Zustimmung des Abg. Dr. Döring FDP/DVP – Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, ich darf Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich komme zum Schluss.

(Abg. Dr. Döring FDP/DVP: Sie wollen doch die Noten ganz abschaffen! – Vereinzelt Heiterkeit)

Darüber können wir reden, aber dann muss das für alle Noten gelten, nicht nur für den Sport.

(Abg. Zimmermann CDU: „Hat sich bewegt“/„Hat sich nicht bewegt“! – Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Das Wort Vorbilder ist angesprochen worden. Sportlehrer und Sportlehrerinnen, Lehrer und Lehrerinnen müssen wirklich in diesem Bereich eine Vorbildfunktion übernehmen. Sie müssen die Lust auf Bewegung, die Lust auf Leistung an der Schule glaubwürdig vermitteln; denn das Ziel des Sportunterrichts ist nicht Wissen, sondern das Ziel des Sportunterrichts ist dann erreicht, wenn die Kinder und Jugendlichen nach der Schule lebenslang Freude und Begeisterung am Sport haben und weiterhin Sport ausüben.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: So wie wir!)

Dann haben wir das Ziel erreicht, denn dann werden sie das auch ihren Kindern wieder vermitteln.

(Abg. Zimmermann CDU: Waren Sie im Sommer in Jamaika? – Glocke der Präsidentin)

Bitte kommen Sie zum Ende!

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP – Abg. Fleischer CDU: Der Anfang und der Schluss waren richtig, aber in der Mitte hat es gehakt!)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Rau.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der FDP/ DVP-Fraktion sehr dankbar, dass wir heute eine Debatte zum Thema Schulsport führen können. Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen.

Ich möchte, bevor ich zu den vorbereiteten Ausführungen komme, doch zum Thema „Sport in der gymnasialen Oberstufe“ gleich etwas klarstellen, damit es keine Irrtümer mehr gibt.

(Abg. Dr. Döring FDP/DVP: Sehr gut!)

Es gibt in der Kultusministerkonferenz eine Arbeitsgruppe, die Vereinbarungen zur gymnasialen Oberstufe insgesamt überarbeiten oder Vorschläge dafür machen soll. In dieser Arbeitsgruppe existiert ein Aktenvermerk des Sekretariats, in dem auch zum Thema „Sport – optional oder verpflichtend?“ Abwägungen getroffen werden. Aber es hat zu keiner Zeit irgendein Bundesland den Vorschlag bei der KMK

unterbreitet, dass Sport nicht mehr in der gymnasialen Oberstufe unterrichtet werden soll und nicht mehr Prüfungsfach sein kann.