Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Zu Ihrer Frage b ist zunächst auszuführen, dass unser System der sozialen Sicherung historisch gewachsen ist. Deshalb ist für die Leistungen für behinderte Menschen nicht ein einheitlicher Träger zuständig. Dazu möchte ich anmerken: Das war auch vorher schon so. Neben den Stadt- und Landkreisen als Träger der Eingliederungshilfe erbringen die Träger der Krankenversicherung, der Rentenversicherung, der Unfallversicherung, der sozialen Entschädigung sowie die Bundesagentur für Arbeit und das Integrationsamt Hilfen für behinderte Menschen.

Um nun eine trägerübergreifende Beratung sicherzustellen, wurden die gemeinsamen Servicestellen eingerichtet. Durch die Verwaltungsreform wurden die Aufgaben der Eingliederungshilfe bei den Stadt- und Landkreisen gebündelt.

Dem Kommunalverband für Jugend und Soziales wurde eine sozialplanerische Beratungs- und Unterstützungsfunktion eingeräumt. Darüber wurde eine weiter gehende Delegation von Aufgaben seitens der Stadt- und Landkreise auf den KVJS ermöglicht. Dies haben die Stadt- und Landkreise auch genutzt, um mit dem KVJS eine Vereinbarung zur Wahrnehmung von Aufgaben in der Altenhilfe – SGB XI – sowie der Behinderten- und Jugendhilfe – SGB VIII, IX und VII – abzuschließen. Diese Vereinbarung, der alle 44 Stadt- und Landkreise beigetreten sind, beauftragt den KVJS insbesondere, gemeinsam mit den jeweiligen Standortkreisen die Pflegesätze mit den Altenpflege-, Jugend- und Behinderteneinrichtungen auszuhandeln.

Das im SGB XII verankerte Herkunftsprinzip ist zum einen wichtig, um die Aufgaben gleichmäßig zu verteilen, also die Standortkreise der Einrichtungen nicht über Gebühr zu belasten, und zum anderen hilft es, das Ausgabenbewusstsein aller Kreise zu sensibilisieren, indem die Ausgaben nicht, wie bisher, im Wege einer Umlage auf andere umverteilt werden können, sondern von jedem Herkunftskreis selbst getragen werden müssen.

Von der Eingliederungshilfe zu unterscheiden sind die Maßnahmen der beruflichen Erst- und Wiedereingliederung, die von der Bundesagentur für Arbeit vorgenommen werden, und die Leistungen zur Förderung der Beschäftigung, die das Integrationsamt erbringen kann. An den Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit und des Integrationsamts hat die Verwaltungsreform nichts geändert. Diese waren schon vorher gegeben. Im Bereich der Erst- und Wiedereingliederung wäre es im Übrigen ebenso sinnvoll gewesen, wenn der Bundesgesetzgeber die Aufgaben nach Hartz IV auf die Kommunen übertragen hätte, weil dann die Kreise auch für die berufliche Eingliederung zuständig gewesen wären.

Zusatzfrage, Herr Abg. Haas.

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen nicht bekannt,

(Abg. Kiefl CDU: Nein!)

was in den Landkreisen abläuft, dass Leute – Behinderte – in das Gesamtsystem, welches Sie jetzt im Ablauf geschildert haben, den Einstieg nicht finden, weil die Landkreise sagen, sie hätten keinen Ordnungsrahmen, nach dem zu handeln sei? Der KVJS sagt das Gleiche, die Behindertenverbände auch. Und haben Sie nicht den Eindruck, dass damit viel Zeit verloren geht, weil dabei wochenlang Akten hin und her geschoben werden?

Noch eine Nachfrage: Darf ich Sie einladen, sich im Raum Freiburg zusammen mit mir mit den Wohlfahrtsverbänden und anderen Verbänden zu treffen und mit denen und mir zusammen die Sache zu diskutieren?

Herr Abgeordneter, ich nehme Ihre Frage schon ernst. Ich weiß auch, dass es jetzt mitunter noch Probleme in der Umsetzung gibt. Die Verwaltungsreform ist aber noch kein Jahr in Kraft. Ich verspreche mir wirklich – jetzt sollten wir das Jahr einmal abwarten –, dass es dann, wenn es sich vollends eingespielt hat, dass der Behinderte in den Stadt- und Landkreisen nur

(Staatssekretärin Johanna Lichy)

eine Ansprechstelle hat, zu Synergieeffekten kommen muss. Wenn es nach diesem Jahr tatsächlich noch immer nicht klappen und funktionieren sollte, muss man da sicher nachfassen und dem auch nachgehen.

Das im SGB XII verankerte Herkunftsprinzip ist eben auch deshalb eingeführt worden, weil sich über die bisherige Umlagefinanzierung – das weiß ich wohl – tatsächlich die Kommunen oder Landkreise, die mehr stationäre Einrichtungen haben, schwer getan haben, den Herkunftsort in die Pflicht zu nehmen. Aber ich denke, es wird auf die Dauer gerechter und auch effektiver sein, wenn der Herkunftsort auch dafür Sorge tragen muss, dass die Kosten für den Behinderten dann vom Herkunftsort selbst getragen werden.

Ich war in Einrichtungen. Ich gehe aber auch gern mit Ihnen noch einmal in den Freiburger Raum, weil mir die stationären Träger dies natürlich auch so schildern. Aber jetzt ist die Verwaltungsreform erst ein gutes Dreivierteljahr, elf Monate, in Kraft. Ich denke, wir sollten das Jahr abwarten. Es ist uns aber auch ein Anliegen, dass die Probleme im Sinne der Betroffenen behoben werden.

Zu der Bundesagentur und der Frage der Eingliederungshilfen: Das war bislang schon so. Aber wie gesagt, wenn bei den Leistungen alles auf die Kommunen übertragen worden wäre, dann hätten die Behinderten nicht zwei Anlaufstellen. Aber dafür hat man auch die gemeinsamen Stellen, die auch informieren. Ich denke, die Verbände haben hier auch ihre Organisationen, sodass sich dieses Prinzip herumspricht und sich der Sand, der anfangs noch im Getriebe war, auch noch zerstreuen wird.

Aber ich berichte gern noch einmal nach Ablauf des Jahres. Wir wollen hierzu auch nachfassen, damit sich dies bessert.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Also im Januar?)

Ja.

Damit ist diese Anfrage erledigt.

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 2 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e r A b g. B i r g i t K i p f e r S P D – F l e i s c h s k a n d a l i n B a y e r n – A u s w i r k u n g e n a u f B a d e n W ü r t t e m b e r g

Frau Abg. Kipfer, Sie haben das Wort zur Verlesung Ihrer Mündlichen Anfrage.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung:

a) Welche Firmen in Baden-Württemberg wurden nach den Erkenntnissen der Landesregierung mit nicht genusstauglichem Fleisch aus Bayern, zum Beispiel von der Firma „Rottaler Geflügelprodukte GmbH“, beliefert, und wo sind die Produkte in den Handel gelangt?

b) Welche baden-württembergischen Behörden waren nach dem Bekanntwerden des Skandals wie und mit welchem Ergebnis mit dem Thema befasst?

Frau Staatssekretärin GurrHirsch, Sie haben das Wort zur Beantwortung der Anfrage.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kollegin Kipfer, liebe Kollegen und Kolleginnen! In Baden-Württemberg wurde ein Betrieb über eine niedersächsische Firma mit Produkten der Rottaler Geflügelprodukte GmbH unter dem Namen „Gelha Hühnerklein“ beliefert. Der betreffende Betrieb hat alle Produkte „Gelha Hühnerklein“ aus dem fraglichen Produktionszeitraum zurückgerufen, auch nicht betroffene Chargen. Mit diesen Produkten aus dem fraglichen Produktionszeitraum, die von dem Rückruf erfasst waren, wurden rund 130 Betriebe in ganz Baden-Württemberg beliefert.

Zu dem zweiten Teil Ihrer Frage: Nach den ersten Hinweisen aus Bayern auf widerrechtliches Verbringen von umdeklariertem Material der Kategorie III in Lebensmittelbetrieben wurden die unteren Verwaltungsbehörden gebeten, Firmen in Baden-Württemberg, die möglicherweise als Abnehmer der Ware infrage kommen, auf mögliche Lieferungen von tierischen Nebenprodukten zu überprüfen. Vonseiten der Verwaltungsbehörden konnten dabei keine direkten Lieferungen von umdeklariertem Material der Kategorie III sowie keine Handelsbeziehungen zu der betreffenden bayrischen Firma ermittelt werden.

Nachdem das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz darüber informierte, dass auch die Firma „Rottaler Geflügelprodukte GmbH“ mit umdeklariertem Material der Kategorie III beliefert worden war und dass ein Betrieb in Baden-Württemberg Lieferungen von Geflügelprodukten dieser Firma über eine niedersächsische Firma erhalten hatte, wurden durch die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde die weiteren Vertriebswege ermittelt. Restbestände waren nicht mehr vorhanden.

Durch das Regierungspräsidium wurden die für die Abnehmerbetriebe zuständigen Regierungspräsidien und die unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden unterrichtet. Durch diese wurde der Rückruf der Produkte dann auch überwacht. Noch vorhandenes Material wurde aus dem Verkauf genommen.

Zusatzfrage, Frau Abg. Kipfer.

Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, wie lange dieser Vorgang gedauert hat? Wie viel Zeit ist ins Land gegangen seit dem Bekanntwerden dessen bis hin zur Aufforderung an die Lebensmittelüberwachungsbehörden und bis zur letztendlichen Klärung, ob noch Material vorhanden war oder nicht?

Die genauen Daten kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Da müsste ich noch einmal kurz Rücksprache halten. Unmittelbar nach Bekanntwerden dieses Vorkommnisses in Bayern ist man in Baden-Württemberg tätig geworden. Vorher konnten wir das ja gar nicht tun.

Die Frage ist, wie lange es gedauert hat, bis die Überwachungsbehörden in den Lebensmittelbetrieben festgestellt haben, dass die Ware nicht mehr vorhanden war, woraus ja zu schließen ist, dass die Verbraucher diese Ware bereits gekauft und verzehrt hatten. Um diese Zeitspanne geht es.

Sie interessiert mich vor dem Hintergrund, dass wir den Wirtschaftskontrolldienst nicht mehr haben und dass die einzelnen Landratsämter bzw. Städte selbst zuständig sind.

(Abg. Fischer SPD: Das rächt sich noch!)

Mich interessiert, wie lange es dauert, bis das „unten ankommt“. Verstehen Sie? Das ist meine Frage.

Das verstehe ich. Und ich muss gestehen, dass ich Ihnen dies hier im Moment nicht sagen kann. Ich müsste schnell nachfragen.

Aber Sie sichern dann eine schriftliche Beantwortung zu?

Ja, ich sichere eine schriftliche Beantwortung zu.

Zweite Frage, Frau Abg. Kipfer.

Wenn Sie meine zweite Frage mündlich nicht beantworten können, ist dies vielleicht auch schriftlich möglich: Gibt es nach dem neuerlichen Fleischskandal, der sich in Niedersachsen in der gleichen Art und Weise abgespielt hat, Erkenntnisse in Baden-Württemberg? Das würde mich ebenfalls interessieren.

Ja. Es gab sofort Reaktionen von uns, weil wir uns überlegt haben, welche möglichen Abnehmer es geben könnte. Da kommen im Prinzip eigentlich nur Gelatine- und Kollagenbetriebe infrage. In Baden-Württemberg gibt es eigentlich nur zwei zugelassene Gelatinehersteller und einen zugelassenen Kollagenhersteller. Einen Hersteller von Geflügelseparatorenfleisch gibt es in Baden-Württemberg nach Kenntnis unserer Abteilung 3 nicht.

Die Stabsstelle für Ernährungssicherheit in Tübingen hat eine Schwerpunktaktion zur Überprüfung dieser so genannten Zwischenhandelsbetriebe veranlasst. Wir haben bislang keinerlei Rückmeldung bekommen, sodass wir – da die Sache dringlich ist – davon ausgehen können, dass es keine Verteilung gibt.

Herr Abg. Gall.

Frau Staatssekretärin, Sie hatten ausgeführt, die unteren Verwaltungsbehörden wären aufgrund der Vorfälle in Bayern und anderen Bundesländern gebeten worden, entsprechende Untersuchungen anzustellen. Meine Frage ist: Sind alle unteren Verwaltungsbehörden dieser Bitte nachgekommen?

Uns ist keine gegenteilige Erfahrung bekannt.

(Abg. Birgit Kipfer SPD: Können Sie das überprü- fen?)

Zusatzfrage, Herr Abg. Gaßmann.

Frau Staatssekretärin, Sie haben mehrmals gesagt, „man hat“ oder „es wurde“. Nun wissen wir ja, dass es keine einheitliche Lebensmittelüberwachung