Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Wenn wir hier über Arbeitsplätze reden, müssen wir sagen: Eine Mehrwertsteuererhöhung ohne Senkung der Lohnnebenkosten wäre eine wirtschaftspolitische Katastrophe.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, dieser Vorwurf geht genauso an die CDU. Herr Mappus, Sie werden sich sicherlich noch erinnern: Wir hatten hier eine Debatte am 1. Juni 2005. Damals teilten Sie hier mit:

Dass in den nächsten zwei bis drei Jahren diese Debatte mit uns nicht stattfindet …

Sie erwähnten sogar, das sei sowohl das Votum der Partei als auch der Fraktion. Aber was ist daraus geworden? Jetzt wollen Sie die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte erhöhen, wovon ein Prozentpunkt zur Senkung der Lohnnebenkosten dienen soll. Darüber wird in Berlin zurzeit verhandelt.

Wenn Sie Ihre damalige Meinung ernst nehmen, wenn Sie erkennen, dass diese Mehrwertsteuererhöhung zum Stopfen

von Haushaltslöchern wirklich eine Katastrophe ist, dann sollten Sie und Ihre Partei in Berlin vorstellig werden, um zu erreichen, dass die entsprechenden Steuerpläne noch geändert werden.

Wir Grünen jedenfalls sagen klar: Eine Mehrwertsteuererhöhung, die nicht zur Senkung der Lohnnebenkosten genutzt wird, belastet den Wirtschaftskreislauf, vernichtet Arbeitsplätze und ist wirtschaftspolitisch falsch.

Wir sagen auch: Der „Reichensteuer“, über die diskutiert wird, kann man nur unter einer Bedingung zustimmen:

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

dass nämlich eine klare Trennung zwischen hohen Einkommen von Privatpersonen und von Betrieben vorgenommen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Hofer FDP/DVP)

Andernfalls belastet eine solche Steuer mittelständische Betriebe, und wir verlieren in diesem wichtigen Bereich Arbeitsplätze. Das machen wir nicht mit. Wir fordern die Parteien, die die große Koalition in Berlin bilden, auf, hiergegen in Berlin aktiv vorzugehen.

(Zuruf des Abg. Mack CDU)

Meine Damen und Herren, ich will nach diesem Ausflug zu dem aktuellen Thema Mehrwertsteuererhöhung auch ein paar Bemerkungen zur Landespolitik machen.

(Abg. Mappus CDU: Das ist aber nett!)

Wir alle wissen: Die Landesregierung macht kaum eigene Wirtschaftspolitik. Aber dort, wo sie wirklich einmal Geld bereitstellt, erfolgt das auch noch an der falschen Stelle. Ich möchte als Beispiel hierfür die Messepolitik nennen.

(Abg. Mappus CDU: Ui!)

Das Land fördert die Regionalmessen mit insgesamt 65 Millionen €, und es fördert die Messe auf den Fildern allein aus dem Landeshaushalt mit 240 Millionen €.

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

Damit werden Überkapazitäten geschaffen. Diese führen dazu, dass die Preise im Messebereich verfallen. Die Kommunen verschulden sich, weil sie durch den „goldenen Zügel“ angeregt werden, Regionalmessen zu erweitern und zu bauen. Die Filderlandschaft wird verbaut, und es gibt einen Messe-Kannibalismus. Das heißt, die große Messe, an der das Land beteiligt ist, zieht neue Messen an, weil sie ja ausgelastet werden muss. Das alles sind negative Folgen für das Land. Wir Grünen sagen, der Ausbau von Messen ist keine Aufgabe des Landes. Die Messesubventionspolitik der Landesregierung schadet den öffentlichen Haushalten und unserer marktwirtschaftlichen Ordnung. Das ist eine verfehlte Politik für die Wirtschaft des Landes.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hofer FDP/DVP: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, ich möchte einen dritten Bereich ansprechen: die aktuell hohen Ölpreise. Sie sind zwar in den letzten Wochen etwas gesunken. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es aber wichtig, dass wir uns auch damit beschäftigen. Ich möchte dazu nur eine Zahl nennen: Ein Dollar mehr für das Barrel Öl bedeutet bundesweit insgesamt 1 Milliarde € mehr für Ölimporte. Das heißt, wenn eine Rohölpreissteigerung um 20 Dollar kommt – wir haben das gehabt, und es ist zu erwarten, dass das in Zukunft wieder so kommt –, dann bedeutet das 20 Milliarden € mehr, die aus der Bundesrepublik in Ölländer fließen werden. Das ist Geld, das für die Binnennachfrage und für Investitionen fehlt. Deshalb brauchen wir eine Politik weg vom Öl, um das Geld im Land zu halten, um die Binnennachfrage zu stärken und Kaufkraft zu ermöglichen.

(Abg. Mappus CDU: Deshalb haben Sie die vierte Stufe Ökosteuer gemacht!)

Herr Mappus, ich sehe gerade, meine Redezeit ist zu Ende. Ich werde zu diesem Punkt in der zweiten Runde weitere Ausführungen machen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erteile ich dem Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Herrn Dr. Mehrländer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abg. Schmiedel hat Zeugen dafür aufgeführt, dass die Wirtschaftspolitik des Landes Investitionen verhindere, die neue Arbeitsplätze schaffen.

(Abg. Stickelberger SPD: Gute Zeugen!)

Ich nenne Zeugen – die gibt es reichlich –, die dem Land und der Landesregierung gute Daten attestieren: zum Beispiel die EU-Kommission, die uns als Hightechregion ersten Ranges in Europa bezeichnet.

(Abg. Mappus CDU: Verheugen zum Beispiel! Der gehört nicht zur CDU! – Gegenruf des Abg. Drex- ler SPD: Aber nicht zu dem Thema, über das der „Spiegel“ gesprochen hat!)

Auch Herr Verheugen. Weiter die Bertelsmann-Stiftung und der „Focus“. Vorige Woche hat ein Spitzengespräch von Unternehmerpersönlichkeiten beim Herrn Ministerpräsidenten im Beisein von Ministern stattgefunden. Auch dort haben diese herausragenden Unternehmerpersönlichkeiten dem Land gute Daten attestiert,

(Abg. Drexler SPD: Da war keiner dabei!)

von der niedrigsten Arbeitslosenquote über die niedrigste Insolvenzquote, höchste Patentanmeldungen, sehr hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung – die höchsten, nicht nur im Ländervergleich – bis hin zum Wirtschaftswachstum, das erfreulicherweise hier im Lande höher ist als im Bundesgebiet.

Was ist jetzt das Ziel? Ich möchte die Gelegenheit nutzen, das etwas zu vertiefen. Was muss getan werden? Was wird

getan? Ziel muss sein, das hohe Niveau, das ich gerade beschrieben habe, zu halten

(Abg. Drexler SPD: Auszubauen!)

und auch die Dynamik fortzuführen, sogar zu steigern. Denn hohes Niveau zu halten, ist sehr schwierig. Aber das müssen wir im Interesse der Menschen unseres Landes tun.

Auf der einen Seite haben wir die starke Exporttätigkeit der baden-württembergischen Firmen zu sehen, die aber gerade im Bereich Maschinenbau, Fahrzeugbau, Elektrotechnik durch den globalisierten Wettbewerb unter Druck gerät. Natürlich gibt es ein Wachstum solcher Firmen auch in den Schwellenländern. Die bilden eine immer stärker werdende Konkurrenz. Daher müssen wir im Bereich der Investitionsgüterindustrie, also auch im Maschinenbau, die Abhängigkeit von den weltweiten Branchenzyklen sehen. BadenWürttemberg ist eben das Land mit den meisten Maschinenbauunternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Gefahr einer Verlagerung solcher Unternehmen aufgrund von Kostenunterschieden, aber auch aufgrund der Erschließung ausländischer Märkte muss da auch gesehen werden.

Was ist da zu tun? Was tun wir? Was tut die Landesregierung? Wir müssen – das ist ein ganz wichtiger Punkt; den möchte ich an die erste Stelle setzen – unsere gemeinsamen Anstrengungen von Wirtschaft und Land darauf richten, unsere Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf höchstem Niveau fortzuführen. Gerade haben wir im Wirtschaftsministerium mit immerhin 2,6 Millionen € in diesem Jahr die anwendungsorientierten Fraunhofer-Institute gefördert. „Anwendungsorientiert“ ist wichtig, weil das die Nähe zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zeigt. Erfreulicherweise sind 20 % aller Fraunhofer-Institute in der Bundesrepublik Deutschland bei uns angesiedelt. Wir haben die meisten von ihnen. Auch das ist sehr wichtig.

Wir kümmern uns um die Markterschließung ausländischer Märkte gerade für kleine und mittlere Unternehmen. Gerade ist der Wirtschaftsminister mit 28 Unternehmern in Südamerika, Brasilien und Argentinien,

(Zuruf der Abg. Theresia Bauer GRÜNE)

um den Weg und die Märkte gerade für mittlere und kleine Unternehmen zu öffnen und auch bei den politisch Verantwortlichen in den anderen Ländern für Direktinvestitionen hier im Land zu werben. Das darf nämlich keine Einbahnstraße sein, sondern wir brauchen auch Direktinvestitionen hier in Baden-Württemberg.

Dazu gehört auch ein ausgewogener Energiemix. Es ist kein Geheimnis, dass die Landesregierung sich für längere Laufzeiten für Kernkraftwerke ausspricht, für den Neubau von Kraftwerken für Steinkohle und Gas, natürlich für den Ausbau der regenerativen Energien, für die Kooperation zwischen EnBW und Stadtwerken sowie auch für eine Kooperation mit SüdWestStrom, weil wir sichere, umweltbewusste und preiswerte Energie brauchen.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

(Staatssekretär Dr. Mehrländer)

Das gilt auch, Herr Abg. Dr. Witzel, vor dem Hintergrund des steigenden Ölpreises, der sicherlich nicht mehr auf das Niveau zurückgehen wird, das er früher einmal hatte.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Dann muss man aber auch mehr Konsequenzen ziehen, als Sie es tun!)

Wir sind auf einem guten Weg.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja!)