Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

In der engeren Wirtschaftspolitik fördern wir die Existenzgründung und die Existenzfestigung durch Bürgschaften, Beteiligungen, Landeshilfen; das kennen Sie ja alles. Wir unterstützen zum Beispiel jetzt wieder die Grundlagenforschung über die Zukunftsoffensive. Das heißt, das Land forscht auf seine Kosten, und die Wirtschaft darf dann die Ergebnisse anwenden. Wir fördern überbetriebliche Ausbildung. Wir fördern Stadtsanierung, Landessanierung, Tourismusinfrastruktur. Das ist unter anderem deshalb wichtig, weil natürlich alle diese Programme Aufträge für Handwerk, Gewerbe und Industrie bringen.

Kurz und gut: Die Landesregierung fördert Investitionen, und sie fördert und sichert Arbeitsplätze im Land. Aber Sie behaupten heute das Gegenteil.

Wir hier im Land sind so gut, dass die Menschen uns jedes Mal wieder in die Regierung und Sie in die Opposition wählen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: So soll es bleiben! – Zuruf des Abg. Alfred Winkler SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Wirtschaftspolitik der Landesregierung verhindert Investitionen und neue Arbeitsplätze in BadenWürttemberg“: Ein bisschen, Herr Schmiedel, war ich über diese Formulierung des Themas doch verwundert. Denn es ist ja bekannt, dass Baden-Württemberg das Land mit der geringsten Arbeitslosenquote und im Übrigen auch der geringsten Jugendarbeitslosenquote ist

(Abg. Schmiedel SPD: Mannheim! – Abg. Capez- zuto SPD: Was ist mit Mannheim?)

und dass viele Menschen aus anderen Bundesländern in dieses Land kommen,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Ja!)

weil sie mit Recht meinen, dass es hier noch Arbeit gibt. Manche kommen vielleicht auch wegen der besonderen „Sicherheitslage“ dieses Landes. So kann man zum Beispiel ziemlich sicher sein, dass es hier in absehbarer Zeit keine SPD-geführte Regierung geben wird,

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Blenke CDU: Sehr gut!)

was für die Wirtschaftspolitik nicht unbedingt schlecht sein wird.

Nun könnte ich anfangen, all die Spitzenpositionen aufzuzählen, die unser Land glücklicherweise einnimmt. Ich erspare mir das. Sie kennen es. Selbst beim Wirtschaftswachstum sind wir nach einer kleinen Delle wieder mit an vorderster Stelle. Die Wirtschaftsdaten sind eigentlich überall positiv.

Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht Ihnen gar nicht um die Wirtschaftspolitik. Sie haben drei Sachfragen diskutiert, die zum Teil überhaupt nicht ins Wirtschaftsressort fallen.

So wird zum Beispiel zu dem Thema Lahr unsere verkehrspolitische Sprecherin, Frau Berroth, nachher etwas sagen.

Ich möchte zu Lahr nur so viel feststellen: Es gibt eine neue Untersuchung der Deutsche Bank Research, in der steht, dass man, insbesondere bei den Arbeitsplätzen, aufpassen muss, dass durch eine Häufung von Flughäfen – da haben wir im Oberrheingebiet natürlich einige, von Söllingen bis Straßburg, Basel/Mulhouse –, selbst dann, wenn keine staatlichen Zuschüsse nötig sind, was ich auf Dauer immer bezweifle, kein Kannibalisierungseffekt auftritt, der Arbeitsplätze kostet, anstatt dass welche geschaffen werden. Deshalb denke ich, dass das Konzept noch einmal neu überdacht werden muss. Aber dazu wird Frau Berroth noch etwas sagen.

Die Scheibe mit der Windkraft haben Sie jetzt schon so oft aufgelegt,

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Weil sie einfach stimmt!)

dass man sich wirklich nicht wundern darf, dass sie nun einen Sprung hat. Niemand von uns bestreitet, dass diese Technologie Binnennachfrage und auch Exportnachfrage erzeugen kann und erzeugt und dass das auch für die Arbeitsplätze gut ist. Das gilt aber für alle anderen erneuerbaren Energieträger ganz genauso. Das gilt für die Biotechnologie, das gilt für die Geothermie, das gilt für die Brennstoffzelle. Wenn man einmal etwas anderes nimmt: Die Kraft-Wärme-Kopplung und die Verbesserung der Wärmedämmung von Wohnungen durch Modernisierung bietet für das Handwerk und für den Mittelstand sehr viele Arbeitsplätze. Das gehört alles dazu.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Aber die Brennstoff- zellenbusse fahren jetzt in Hamburg statt in Stutt- gart!)

Es ist nicht so, dass wir aus ideologischen Gründen nur auf eine Technologie setzen, sondern wir setzen auch auf die anderen Dinge. Sie kennen das.

Übrigens zeigen auch neue Studien des DIW, dass man bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung das Thema Arbeitsplatzgewinnung nicht so euphorisch angehen darf. Dennoch unterstützen wir das.

Dass die Windkraftbranche gegenwärtig bundesweit in einer gewissen Flaute liegt, wissen Sie. Manche Vorstellungen der Kapitalanleger, die da gut verdienen wollten, sind nicht ganz aufgegangen. Das stört mich persönlich gar nicht so sehr, denn sie gehen ja mehr vom Ökologischen und weniger vom Gewinn aus, denke ich einmal.

Wie gesagt: Wir machen unsere Prioritätensetzung in Baden-Württemberg, indem wir unsere Stärken stärken. Dazu gehört nicht, dass wir Wind machen, sondern dass wir den Wind haben. Der ist bei uns in Baden-Württemberg nicht ganz so stark. Deshalb setzen wir zwar auch auf Windkraft, aber nicht an erster Stelle.

Was das Thema Kraftwerksbau anbelangt, so ist es keine Frage: Wir wollen die Wertschöpfung für neue Kraftwerke und wollen auch eine standortnahe Versorgung hier im Lande behalten. Es werden, vor allem wenn dann ein Atom

kraftausstieg kommt, bis 2030 Kapazitäten von insgesamt 7 500 Megawatt gebaut werden. Das ist die zwanzigfache Leistung des Kernkraftwerks Obrigheim. Das wollen wir schon ganz gerne im Land behalten. Dazu muss man, betriebswirtschaftlich gerechnet, im europäischen Wettbewerb konkurrenzfähig sein. Der Wirtschaftsminister rollt jedem einen roten Teppich aus, der da kommen will.

Die EnBW hat gegenwärtig zwei Kraftwerksbauten in Vorbereitung, Karlsruhe und Heilbronn; Rheinfelden wird ausgebaut, es tut sich etwas. Aber es kann sich noch mehr tun.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Nun zu Ihrem Antrag. Sie tun in Ihrem Antrag so, als hätte der VGH entschieden, dass das Großkraftwerk Mannheim eine Ermäßigung bekomme. Keineswegs hat das der Verwaltungsgerichtshof so entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof hat nur gesagt, die Ermessensentscheidung, die nach dem Wassergesetz zu treffen ist, wenn der Wasserpfennig die Wettbewerbssituation so verändert, dass ein bestimmter Schwellenwert überschritten ist, müsse auf die Wettbewerbsfähigkeit der beherrschenden Unternehmen abgestellt werden. Das bedeutet hier, inwieweit die Pfalzwerke, die EnBW und die MVV betroffen sind. Das ist übrigens außerordentlich schwer festzustellen. Das bietet gar keine Rechtssicherheit, denn die Fragen verändern sich von Jahr zu Jahr und bedürften von Jahr zu Jahr einer neuen Überprüfung.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Worum es geht – lassen Sie mich das abschließend sagen; in diesem Punkt stimmen wir wahrscheinlich sogar überein –: Wir sind der Meinung, dass der Wasserpfennig möglichst bald bei Kraftwerksvorhaben ermäßigt werden muss, weil wir ansonsten das Problem haben, dass diejenigen auf der einen Seite des Rheins wettbewerblich schlechter dastehen als die auf der anderen Seite. Da besteht, wenn ich es richtig weiß, Übereinstimmung im Kabinett.

(Zuruf des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Wichtig ist, dass wir dies rechtzeitig zum nächsten Haushalt umsetzen. Damit tun wir das, was wir für die Arbeitsplätze zu tun haben.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Was heißt das für die Haushaltspolitik?)

Das bedeutet, dass dies nach unserer Meinung einen Ausfluss im Haushalt 2007 haben muss.

(Abg. Kretschmann GRÜNE: Wie kompensieren Sie diese Ausfälle aus dem Wasserpfennig?)

Ist das eine Frage, die ich beantworten soll? – Nein.

Damit beende ich meine Ausführungen. Ich hoffe, ich habe Sie überzeugt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen, meine Herren! Wir haben heute eine Aktuelle Debatte zur Wirtschaftspolitik. Wenn man fragt: „Was treibt die Wirtschaft aktuell um?“, so muss man auf das verweisen, worüber aktuell in Berlin verhandelt wird, insbesondere auf die Frage der Mehrwertsteuer.

Wir erleben in der Wirtschaft erste Anzeichen eines beginnenden Aufschwungs, und wir sehen, dass das Problem unserer Wirtschaft die mangelnde Binnennachfrage ist. Meine Damen und Herren, in dieser Situation ist eine Mehrwertsteuererhöhung zum Stopfen von Haushaltslöchern absolut kontraproduktiv.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Drautz FDP/DVP)

Ich darf hierbei auf das Herbstgutachten des Sachverständigenrats verweisen. Darin heißt es klar und deutlich:

Der Sachverständigenrat rät aber dringend davon ab, zu Zwecken der Haushaltskonsolidierung eine Erhöhung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer im nächsten Jahr vorzunehmen.

Wir erleben in Berlin aber ganz im Gegensatz dazu eine große Koalition der Steuererhöher. Dabei gab es hier im Landtag noch im Sommer dieses Jahres Debatten, in denen von allen Seiten gesagt wurde: keine Mehrwertsteuererhöhung! Ich darf an die Debatte vom 28. Juli 2005 erinnern. Kollege Drexler wies dabei auf die Folgen einer Mehrwertsteuererhöhung hin. Er sagte:

Das heißt, zweitausend Arbeitsplätze gehen allein durch die Mehrwertsteuererhöhung verloren.

Herr Drexler wies weiter darauf hin:

Deswegen … ist es wirtschaftspolitisch falsch und ist es beschäftigungspolitisch eine Katastrophe …

(Zuruf des Abg. Drautz FDP/DVP)

Wenn wir hier über Arbeitsplätze reden, müssen wir sagen: Eine Mehrwertsteuererhöhung ohne Senkung der Lohnnebenkosten wäre eine wirtschaftspolitische Katastrophe.