Protokoll der Sitzung vom 30.11.2005

Letztes Jahr hat die Selbstständigenrate im Land eine neue Rekordmarke erreicht. Der Trend zu kleinstbetrieblichen Formen und Einpersonenbetrieben setzt sich ungebrochen fort. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass dieser Trend zumindest nicht allein durch eine Gründung aus der Not heraus angetrieben wird. Interessant ist auch, dass andere Bundesländer höhere Zuwachsraten in diesen Bereichen verzeichnen.

Im Berichtszeitraum hat die Zahl selbstständiger Frauen in Baden-Württemberg um 7 % zugenommen. Wie auch Kollegin Netzhammer schon meinte, ist das eine hervorragende Entwicklung. Das ist zu begrüßen. Zu erwähnen ist allerdings, dass die Zunahme von einem relativ niedrigen Niveau aus erfolgte.

(Abg. Capezzuto SPD: Jetzet! Genau!)

Die Gruppe der Migranten wird als Selbstständigengruppe mit der größten Wachstumsdynamik ausgewiesen. Trotzdem liegt die Selbstständigenquote von Ausländern in Baden-Württemberg um ein Drittel unter dem Bundesdurchschnitt. Warum dies so ist, beantwortet der Bericht.

Unter dem Strich bleibt also festzuhalten: Wir müssen unser Augenmerk vor allem weiter auf die kleinen mittelständischen Betriebe und die Selbstständigen richten.

Die neueste Konjunkturprognose in Baden-Württemberg ist positiv. Die Konjunkturerholung im Land schreitet voran. Wenn unser Koalitionspartner im Land jetzt noch für eine kraftvolle Ordnungs- und Reformpolitik in Berlin sorgt, muss uns vor der Zukunft nicht bange sein.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Wintruff SPD – Abg. Win- truff SPD: Bravo!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Mittelstand ist die Basis unserer Wirtschaft. Er verdient daher Unterstützung. Der Mittelstand schultert auch die Hauptlast bei der Ausbildung unserer Jugendlichen. Dafür darf ich an dieser Stelle zunächst einmal ein herzliches Dankeschön sagen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der FDP/DVP)

Die Landesregierung hat jetzt einen Mittelstandsbericht für die Jahre 2000 bis 2004 vorgelegt. Zu vielen Details könnte man etwas sagen. Ich will nicht auf alles eingehen, sondern verweise auf die Diskussion im Ausschuss. Ich möchte mich an dieser Stelle auf zwei Punkte beschränken.

Zum einen gibt es das Problem der Finanzierung. In den letzten Jahren gab es eine Debatte um Basel II. Klar ist, dass die Finanzreform Basel II im Grundsatz richtig ist, aber die Debatte um diese Finanzreform hat zu viel Verunsicherung geführt. In vielen Fällen wurden notwendige Kredite nicht vergeben. Das traf auch viele mittelständische Betriebe, die sich nicht anderweitig Geld besorgen konnten.

Zwischenzeitlich hat sich diese Debatte etwas entspannt. Die Regelungen, die getroffen wurden, sind auch mittelstandsfreundlicher gefasst worden, als es ursprünglich aussah. Zu leiden haben in dieser Beziehung aber noch immer insbesondere die kleineren Betriebe, die schlecht an Geld kommen, weil das Volumen, das sie brauchen, für viele Banken zu gering ist.

Deshalb ist es sicherlich eine wichtige Aufgabe für den Wirtschaftsminister und die Landesregierung, dafür zu sor

gen, dass auch kleine Betriebe die Kredite bekommen, die sie brauchen. Das ist zum einen eine Forderung an die Banken im Allgemeinen, zum anderen aber auch an die MBG und die L-Bank. Wir fordern diese Institutionen auf, spezielle Programme für kleine Unternehmen aufzulegen, also die Verfahren für Mikrodarlehen zu erleichtern. Ich glaube, es wäre für viele Unternehmen ein wichtiger Schritt, wenn in dieser Hinsicht Erleichterungen kämen.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Veronika Netzham- mer CDU: Das ist Teil der Koalitionsvereinba- rung!)

Frau Netzhammer, da Sie jetzt auf Bundesebene abschweifen,

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Nicht „ab- schweifen“, sondern das ist so!)

darf ich gleich zu meinem zweiten Punkt kommen, der Novellierung der Handwerksordnung. Das war ja eine Debatte, die auf Bundesebene geführt wurde, und wir haben auch hier strittig diskutiert. Ich weiß noch genau, wie Sie oder Ihre Kolleginnen und Kollegen diese Reform angegriffen haben.

(Zuruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

Wir hatten damals klar gesagt, durch diese Reform der Handwerksordnung komme mehr Wettbewerb in diesen Bereich.

(Abg. Capezzuto SPD: Ein voller Erfolg! – Zuruf der Abg. Veronika Netzhammer CDU)

Qualität wird zunehmend ein wichtiges Kriterium. Wir haben auch gesagt, diese Novellierung der Handwerksordnung eröffne neue Chancen.

Wenn Sie sich jetzt den Bericht Ihrer Landesregierung anschauen, erkennen Sie: Er bestätigt, was wir damals gesagt haben. Die Vorteile der Reform der Handwerksordnung sind in der Weise eingetreten, wie wir es beschrieben haben. Es ist eine Dynamik in den Markt gekommen, und es wird zunehmend auf Qualität geachtet. Der Meisterbrief gilt als Qualitätssiegel. Das alles sind Punkte, die wir damals angesprochen haben.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Deswegen wird evaluiert!)

Auch die neuen Chancen für das Handwerk sind in dem Bericht nachgewiesen. Es gibt Angebote aus einer Hand. Der Kunde will ja nicht ein einzelnes Gewerk – eine Dachrinne oder einen Dachziegel –,

(Abg. Capezzuto SPD: Die Zeiten sind vorbei! – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Einen einzelnen Dachziegel will er sicher nicht!)

sondern er möchte ein neues Dach. Dafür müssen verschiedene Handwerker zusammenarbeiten. Solche Angebote aus einer Hand werden jetzt erleichtert.

Ich kann ein Fazit ziehen: Dieser Bericht der Landesregierung bestätigt, dass die Novellierung der Handwerksord

nung, die hier im Land von Ihnen so stark angegriffen wurde, eine richtige Reform war. Das ist auch ein Gutes an diesem Bericht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Dr. Mehrländer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Mittelstandsberichte werden immer für einen Zeitraum von fünf Jahren erstellt. Wenn man sich jetzt die beiden Berichte aus den Jahren 2000 und 2005 ansieht und diese gegenüberstellt, fällt eben auf, dass sich die Situation gerade für die kleineren Mittelständler grundlegend geändert hat.

(Abg. Drautz FDP/DVP: Und das hat Capezzuto nicht kapiert! – Gegenruf des Abg. Capezzuto SPD: Dazu hast du aber auch nicht beigetragen, dass ich es kapiere, wenn ich es nicht kapiert hät- te!)

Von 1992 bis 1998 haben gerade die Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigten 3 000 zusätzliche Arbeitsplätze aufgebaut, während die Großbetriebe und die größeren Mittelständler immerhin fast 300 000 Arbeitsplätze verloren haben. Aus dem jetzigen Mittelstandsbericht geht hervor, dass die größeren Betriebe im aktuellen Berichtszeitraum von 2000 bis 2004 Arbeitsplätze geschaffen haben und die Betriebe mit bis zu 50 Beschäftigen insgesamt 31 000 Arbeitsplätze verloren haben.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Das ist, Herr Abg. Capezzuto, eine realistische, nüchterne Analyse. Die hat Minister Pfister vorgetragen, und da hat er nichts schlechtgeredet, sondern nur diese Analyse vorgetragen. Aus dieser Analyse ergeben sich Maßnahmen, die jetzt durchgeführt werden müssen.

Jetzt will ich aber nicht auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abstellen, sondern auf etwas anderes hinweisen: Natürlich ist es gerade für die kleineren Unternehmen schwieriger, in Arbeitsplätze im Ausland zu investieren oder Produktionsprozesse zu automatisieren. Die haben auch viel stärker als die großen Betriebe mit Bürokratisierungen zu kämpfen. Sie haben auch viel größere Schwierigkeiten mit dem komplizierten Steuerrecht, und sie leiden – vor allem das Handwerk – viel stärker unter der schwächeren Binnennachfrage, die wir derzeit haben. Auf die Binnennachfrage sind sie jedoch angewiesen. Denn kleine Unternehmen sind sehr standortbezogen. Die können nicht ausweichen.

Deswegen ist es eben so wichtig, sich sowohl seitens der Landesregierung als auch seitens der Bundesebene aktiv gerade um die kleinen Mittelständler zu kümmern.

Nun will ich ganz kurz aufführen, in welche Richtung wir da gehen: Wenn ich, was ich immer wieder tue, mit kleinen Mittelständlern rede, geht es immer um Bürokratieabbau.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Fischer SPD)

In dieser Hinsicht sind wir tätig. Wir haben einen Ombudsmann für Bürokratieabbau eingerichtet; wir haben mehrere Aktivitäten auf den Weg gebracht. Das ist eine ständige Aufgabe. Ich möchte Ihr Augenmerk aber auch darauf richten, dass inzwischen rund 80 % aller Vorschriften des deutschen Wirtschaftsrechts auf Vorgaben der EU zurückzuführen sind. 80 %! Auch hierzu haben wir Vorschläge gemacht und bitten die neue Bundesregierung, diese Vorschläge aufzugreifen und in Brüssel vorzubringen und durchzusetzen.

Zum Bürokratieabbau gehört auch – das hat Minister Pfister gerade in den letzten Wochen noch einmal thematisiert – die Überprüfung der Bankaufsicht, insbesondere durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin. Es ist erfreulicherweise gelungen – das hat noch der alte Bundestag geschafft –, die Schwelle für die Offenlegung der Verhältnisse von kleinen Unternehmen von 250 000 € auf 750 000 € zu erhöhen. Das ist ein ganz wichtiger Schritt, und ich bin froh, dass das der Bundestag noch geschafft hat.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Ja! Unter Rot-Grün!)

Der Bundestag.

(Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Ich sage nur, welche Regierung das veranlasst hat! – Abg. Capezzuto SPD: Lob! – Vereinzelt Heiterkeit)

Ja, Lob. Ich schiebe noch ein Lob nach. Das geht aber nicht auf Rot-Grün, sondern schon auf die neuen Regierungsfraktionen zurück: Die haben nämlich in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass eine Bewertung der Arbeit der BaFin erfolgen soll.

(Abg. Veronika Netzhammer CDU: Genau! Das ist positiv! – Abg. Dr. Witzel GRÜNE: Dieses Anlie- gen kann auch von uns unterstützt werden!)

Das ist hochdringlich. Das möchte ich ausdrücklich loben, und ich hoffe, dass daraus auch die entsprechenden Schlüsse gezogen werden.

Nächster Punkt: Der Landtag hat vor wenigen Wochen über Public Private Partnership diskutiert. Gerade daraus erhoffen wir uns Vorteile für den Mittelstand und insbesondere die Bauwirtschaft und das Bauhandwerk. Bei den ersten beiden Projekten, die jetzt auf der Schiene sind – Grundsteinlegung für das Verwaltungsgebäude Bodenseekreis, Spatenstich für ein Wellnessbad in Leimen –, sind mittelständische Unternehmen zum Zuge gekommen.