Protokoll der Sitzung vom 15.12.2005

Ich will einmal ein Beispiel aus demselben Land BadenWürttemberg bringen. Kürzlich hatte ich jemanden im Petitionsverfahren, der im Alter von sechs Jahren als Flüchtling ins Land kam und hier schon seit über 20 Jahren lebt. Er wollte einen Antrag bei der Härtefallkommission stellen, worauf ein Vermerk zurückkam: „Das kann nicht sein; er ist vorbestraft wegen versuchten Betrugs“, also einer nicht steuerlichen Straftat. Dem bin ich nachgegangen und habe gefragt, welche Straftat da vorliegt, die verhindert, dass sich der Betreffende an die Härtefallkommission wenden kann. Das konnte mir keiner sagen. Nach weiteren Recherchen hat sich herausgestellt: Im Alter von 15 Jahren hatte der Junge eine Schwarzfahrt im Zug gemacht.

(Zuruf des Abg. Fleischer CDU)

Das war „versuchter Betrug“. Und hier werden Schäden von 17 Millionen € gegen ganz geringe Geldauflagen eingestellt, und der nicht steuerliche Straftatbestand wird nicht einmal verfolgt, dem wird nicht nachgegangen. Da kann ich nur sagen: So viele offene Fragen lassen einen letztlich sprachlos zurück.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Lassen Sie mich die Beziehungen zwischen den Herren Schmider und der Politik insgesamt noch einmal kurz an Einzelfällen darstellen: Die Wahlkampffinanzierung bei Bürgermeisterwahlen: Wahlkampffinanzierung Eidenmüller, FDP.

(Abg. Rust SPD: Was, FDP?)

Da bekommt ein Jurist 30 000 DM für seinen Wahlkampf gespendet und spendiert – ein beachtlicher Betrag für eine Oberbürgermeisterwahl – mit der Folge, dass er bis heute nicht begriffen hat, dass es sich dabei um eine Schenkung gehandelt hat, die er hätte anmelden müssen. Er musste dazu gezwungen werden.

Oder der zweite Fall, die OB-Kandidatur des Kandidaten Wendt von der CDU, der sich nahezu seinen gesamten Wahlkampf – 160 000 DM – von einer Person, von einem Unternehmen bezahlen ließ.

(Abg. Drexler SPD: Ungeheuerlich! – Abg. Rust SPD: Das gibt’s doch nicht! – Abg. Seimetz CDU: Nur kein Neid, Herr Kollege!)

Keinen einzigen Pfennig hat er selber bezahlt, aber er hat immerhin den Anstand besessen, das öffentlich zu machen – er ist von selber darauf gekommen –, als er gemerkt hat, dass hier Gelder von jemandem geflossen sind, der strafrechtlich erheblich in Erscheinung getreten ist.

(Abg. Seimetz CDU: Wie viel bekam die SPD von ihm? – Weitere Zurufe von der CDU)

Er hat die Sache nachprüfen lassen. Vorbildlich.

Auch da kann ich nur sagen: Dies alles ist ein Blick auf die „Sittengeschichte Baden-Württembergs im ausgehenden 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zwischen der CDU und der FDP/DVP einerseits und der Wirtschaft andererseits“.

(Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Sei- metz CDU: Wie viel hat die SPD gekriegt?)

Dass da ein oberflächlicher Betrachter einmal von „sizilianischen Verhältnissen“ sprechen kann, kann man nachvollziehen.

(Widerspruch bei der CDU – Gegenruf des Abg. Dr. Caroli SPD: Das tut weh! – Zuruf von der CDU: Sie beleidigen die Sizilianer zum wiederhol- ten Male! – Unruhe)

Dass im Rahmen dieser Untersuchungen letztlich auch die Umfrageaffäre ans Tageslicht gekommen ist, meine Damen und Herren, war kein blanker Zufall. Nein, das ist Ausdruck einer Sittengeschichte. Da hat sich etwas eingeschlichen. Darauf musste man natürlich kommen, weil sich das großflächig in dieser Form abgespielt hat.

(Zurufe von der CDU – Unruhe)

Irgendwann einmal musste das ans Tageslicht kommen. Das war kein Zufall. Da ist durch diesen Ausschuss ein System aufgedeckt worden.

(Zurufe der Abg. Pauli und Zimmermann CDU – Abg. Seimetz CDU: Die SPD hat die Spende auch angenommen! – Gegenruf des Abg. Drexler SPD: Bei uns gab es keine Anrufe! Wir sind doch rechts- treu! Ihr seid rechts, aber nicht treu! – Unruhe)

Wir reden von Baden-Württemberg, weil der Betrug in Baden-Württemberg stattgefunden hat und nicht in Rheinland-Pfalz, meine Damen und Herren.

Ich komme zur Vorgeschichte, damit noch einmal klar wird, worum es bei der Umfrageaffäre ging. Sie erinnern sich vielleicht noch – ob Ihnen das noch etwas sagt? – an die „Titanic“-Affäre im Frühjahr 1999, als der Kollege Dr. Döring in einer Spaßzeitschrift stand, die ihm angeboten hatte, ein Erbe anzutreten, und die die Auszahlung absichtlich etwas verzögert hat,

(Zuruf der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

was seinem Image im Februar 1999 nicht gut getan hat.

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)

Dann war natürlich klar, dass der Wunsch bestand, dieses Image in Form einer Imagekampagne, die die besonderen Fähigkeiten herausstreicht, zu verbessern. Das leuchtet natürlich auch ein, besonders vor dem Hintergrund, dass – zwischen Frühjahr 1999 und Mai 1999 – kurz danach der Bundesparteitag der FDP anstand, wo der Kollege Döring als stellvertretender Bundesvorsitzender kandidieren wollte. Dieses gesamte Zusammenspiel passt eindeutig und hat letztlich auch dazu geführt, dass Frau Morlok diese Spende an die FDP als Betriebsausgabe steuerlich geltend gemacht hat. Wieder ein Blick auf die Sittengeschichte hier in Baden-Württemberg!

Wir haben im Ergebnis – jetzt muss ich es kurz machen – vier Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage zu verzeichnen. Die Vorteilsnahme des Kollegen Döring ist nur deswegen nicht zur Anklage gekommen, weil die Unterlagen im Nachtkästchen der Frau Haussmann am 18. Juni 2004, drei Tage nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist, gefunden worden sind. Sonst hätten wir es mit einer zweiten Problematik zu tun gehabt, die womöglich dazu geführt hätte, dass die Zwölfmonatsfrist beim Kollegen Dr. Döring überschritten worden wäre mit der Folge, dass er sämtliche Pensionsansprüche verloren hätte.

(Abg. Zimmermann CDU: Das ist schon ärgerlich!)

Meine Damen und Herren, dass im Rahmen dieser Geschichte noch die so genannte Laubfroschaffäre ans Tageslicht gekommen ist,

(Lachen bei der SPD)

wo beim Herrn Hunzinger die Sache mit dem Absender passiert ist, das möchte ich nochmals für das Protokoll zitieren, falls nicht jeder diese Sittengeschichte von vorne bis hinten durcharbeiten kann: „Laubfrosch AG, Im Grünen 6, 70176 Stuttgart“. Die Folge war: Frau Dederer hat ihren Sitz im Ausschuss niedergelegt, und die CDU hat am 18. Oktober dieses Jahres beantragt, die Bewertung, die sich mit diesem Komplex befasst, aus dem Papier zu nehmen.

(Abg. Drexler SPD: Das ist ja unglaublich!)

Wenn Sie sich also darüber informieren wollen, müssen Sie sich rechtshistorisch beschäftigen.

(Zuruf des Abg. Zimmermann CDU)

Meine Damen und Herren, der Ausschuss war erfolgreich.

(Zuruf von der SPD: Das war erfolgreich!)

Zwei Minister sind zurückgetreten. Die Gefahr aber, dass so etwas wieder vorkommt, meine Damen und Herren, ist nicht ganz gebannt.

(Abg. Zimmermann CDU: Was hat das den Steuer- zahler gekostet?)

Kopierkosten ins Verhältnis zu setzen zu dem Rücktritt zweier Minister, die zu Recht ihre Ämter aufgegeben haben, ist wirklich der Hammer.

(Abg. Drexler SPD: Der Herr Zimmermann ist nicht ganz dicht! Das wissen wir ja! – Gegenruf des Abg. Zimmermann CDU: Für das Protokoll hätte ich das gern!)

Ganz zum Schluss aber, meine Damen und Herren, weil ich schon überzogen habe: Die Frage muss sich doch stellen, ob in Baden-Württemberg so etwas auch in Zukunft möglich ist. Das ist doch die zentrale Frage. Auch ein Blick in diese Sittengeschichte zeigt: Auf einer Präsidiumssitzung der FDP im Jahr 2004 hat Rechtsanwalt Prasser, der Dr. Döring vertreten hat, gesagt – ich zitiere wortwörtlich –:

Ich kann mich erinnern, dass von einigen Präsidiumsmitgliedern Verärgerung geäußert wurde, dass die Justizministerin nicht anwesend sei, und auch Äußerungen dergestalt fielen, sie solle für ein schnelles Ende der Ermittlungen Sorge tragen, schließlich habe sie ein Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft.

Aus einer Präsidiumssitzung der ehemaligen Rechtsstaatspartei FDP! Da sage noch jemand, dass so etwas nicht auch in Zukunft möglich sei.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den Grünen)

Stichwort SWR!

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche viel Spaß bei der Lektüre der neuen Sittengeschichte.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und den Grünen – Abg. Zimmermann CDU: So ein Niveau! Das muss ein bedeutender Anwalt sein, der da gespro- chen hat!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist unstreitig: Bei der Bearbeitung des Falles „FlowTex“ wurden von den ermittelnden Behörden Fehler gemacht. Ich sage dies, ohne es zu verallgemeinern. Häufig waren es Fehlleistungen einzelner Beamter. In einem Falle läuft noch ein strafrechtlich nicht abgeschlossenes Verfahren. Darüber hinaus – wir haben es gehört – hat es auch Organisationsmängel gegeben, insbesondere, was die Kooperation der Ermittlungsbehörden anbelangt. Solche Fehler und Missstände ungeschminkt und offen darzutun und Vorschläge zu machen, wie man in Zukunft ähnlichen Fehlleistungen begegnen kann – ganz ausschließen oder verhindern lassen werden sie sich nie –, war eine wichtige Aufgabe des Untersuchungsausschusses, und das ist auch ein ganz wesentlicher Teil des gemeinsamen Schlussberichtes von CDU und FDP/DVP.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Bei aller Bedeutung dieser Untersuchungsergebnisse möchte ich aber auch noch einmal an den Kern der Arbeit erinnern, an das, was im März des Jahres 2002 der Hauptgrund