Protokoll der Sitzung vom 01.02.2006

Im Ziel sind wir uns einig. Unser Weg ist aber ein anderer.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Meine Damen und Herren, das Wort erteile ich Herrn Abg. Kleinmann.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Das Thema ist ja im Schulausschuss sehr ausführlich behandelt worden. Es gibt zwei Argumentationsstränge. Den einen haben Sie, Frau Queitsch, schon genannt: Überall verbieten wir das Rauchen in öffentlichen Gebäuden, und ausgerechnet an den Schulen verbieten wir es nicht generell.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Doch!)

Jetzt lass doch bitte einmal, ja?

(Heiterkeit der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Es gibt ein grundsätzli- ches Rauchverbot!)

Das ist im Grunde genommen ein Totschlagargument, denn das stimmt ja. Auf der anderen Seite wissen wir aber alle: Es bringt ja nichts, nur das Rauchen zu verbieten, sondern man sollte den Mädchen und Jungen auch deutlich machen: Das Rauchen braucht man nicht zum Erwachsenwerden, wie Sie, Frau Queitsch, das so nett ausgeführt haben. Man gefährdet damit seine eigene Gesundheit. Man sollte deshalb ein Umdenken in den Köpfen erreichen, sodass freiwillig auf das Rauchen verzichtet wird. Genau zwischen Scylla und Charybdis, also zwischen diesen beiden Argumenten, sagen wir: Überlassen wir die Entscheidung den Schulen selbst. Sie können eine sinnvolle Aufklärung – sei es in Biologie oder in einem anderen Fach – betreiben und so zu einem Umdenken beitragen. Sie können aber auch das Rauchen gänzlich verbieten oder Raucherecken einräumen. Wir wollen – so sagen wir es unisono hier in diesem hohen Hause – mehr Autonomie und mehr Eigenständigkeit der Schulen. Daher sollten die Schulen darüber vor Ort selbst entscheiden.

Herr Kollege Röhm hat darauf hingewiesen: Die Berufsschulen bilden da ein ganz großes Problem. Es sind nicht nur die Berufsschulen, ganz gewiss nicht. Ich will nicht herunterspielen, was an anderen Schulen läuft. Aber bei den Berufsschulen ist es ein ganz großes Problem, weil wir da auch sehr viele ältere Schüler haben. Folglich: Lasst dies die Schulen vor Ort regeln. Im Gebäude darf ja ohnehin nicht geraucht werden. Das kann keine Schule genehmigen. Allerdings gibt es Lehrerzimmer, in denen noch geraucht wird.

(Abg. Röhm CDU: Schüler nicht!)

Ja, Schüler nicht. Aber es gibt noch Lehrer, die rauchen.

Die Frage ist natürlich auch, wie das Rauchen auf den Schulhöfen gehandhabt wird. Sie, Frau Queitsch, haben das passive Rauchen erwähnt. Es geht darum, ob man das Rauchen dort weiterhin zulassen soll oder nicht. Auch hier bin ich der Meinung: Wenn man sich auf wenige Ecken konzentriert, erreicht man mehr, als wenn man das Rauchen gänzlich verbietet und die Schüler dann über die Straße gehen. Vor dem nächsten Edeka-Laden wird dann geraucht und die Kippe dort weggeschmissen. Das gibt auch großen Ärger und bringt letztlich nicht sehr viel.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Zuruf der Abg. Margot Queitsch SPD)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben bei der Ersten Beratung relativ ausführlich über das Thema „Rauchfreie Schulen“ diskutiert. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Man muss sie heute nicht mehr alle wiederholen.

Trotz aller freiwilligen Maßnahmen, Aufklärungs- und Präventionsangebote ist der Nikotinkonsum an den Schulen gestiegen und das Einstiegsalter besorgniserregend gesunken. Deshalb muss gehandelt werden, weil die bisherigen Maßnahmen und Konzepte das zunehmende Rauchen nicht verhindern konnten.

Nur ein umfassendes Bündel von gesetzlichen und präventiven Maßnahmen kann zum Erfolg führen. Zu diesem Bündel gehören sowohl die Verstärkung der Prävention und der Aufklärungsarbeit an den Schulen und im Elternhaus als auch eine Änderung des Schulgesetzes, wonach ein Rauchverbot für alle an der Schule Beschäftigten – Lehrkörper und Schülerschaft – gilt.

Dass ein Rauchverbot allein das Problem nicht löst, ist klar. Das hat auch niemand behauptet. Aber es ist ein vielversprechendes Instrument. Verbote allein bringen nichts. Aber wenn sie mit Aufklärungs- und Präventionsangeboten einhergehen, dann sind sie in der Tat erfolgversprechend. Das nennt man Policy-Mix. Das heißt, das eine tun und das andere nicht lassen. Was spricht denn dagegen, alle zur Verfügung stehenden Instrumente dafür einzusetzen, dass Jugendliche nicht anfangen zu rauchen?

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der SPD – Abg. Röhm CDU: Aber warum rauchen sie an der Realschule, obwohl es verboten ist? Warum rauchen sie trotzdem?)

Gut. – Das Hauptgegenargument, das immer genannt wird, ist, dass die Schüler ja dann den Schulhof verlassen und irgendwo anders rauchen. Dem kann man entgegensetzen: Rauchen jenseits des Schulhofs ist unattraktiv. Das zeigen alle Untersuchungen.

(Abg. Wintruff SPD: Sie dürfen den Schulhof gar nicht verlassen!)

Am Anfang folgen sie noch in Scharen, aber mit der Zeit ist es so, dass sich nur noch die hartnäckigen Raucherinnen und Raucher an einem Platz um die Ecke treffen oder in einer Unterführung stehen. Die Untersuchungen zeigen, dass in rauchfreien Schulen weniger Schülerinnen und Schüler rauchen.

Also, wie gesagt: Die Untersuchungen zeigen, dass Rauchen, wenn ein absolutes Rauchverbot herrscht, unattraktiv ist. Man fängt nicht so leicht damit an, wenn man dafür um die Ecke gehen muss. Nur die Hartnäckigen machen es dann. Auf jeden Fall steigt die Schwelle für Schülerinnen und Schüler, überhaupt mit dem Rauchen anzufangen.

Ich finde, man kann ein generelles schulisches Rauchverbot schon im Schulgesetz verankern; denn Schulen haben ganz klar eine gesellschaftliche Verantwortung und auch die

Chance, einen Beitrag zur Entwicklung zu einer gesunden und rauchfreien Lebensweise zu leisten. Alle Expertinnen und Experten unterstützen das: das Landesgesundheitsamt, der Landeselternbeirat, die Bundeselternkonferenz und viele andere, auch CDU-regierte, Bundesländer.

Noch einmal: Es ist klar, Verbote allein reichen nicht aus. Aber alle freiwilligen Maßnahmen haben bisher versagt. Deshalb müssen wir alle Instrumente nutzen, die wir zur Verfügung haben. Einzelne wird es immer geben, die Verbote missachten, aber trotzdem helfen Verbote, das Rauchen einzuschränken. Es wird ja auch niemand auf die Idee kommen, Geschwindigkeitsbeschränkungen abzuschaffen, weil es Raser gibt, die sich nicht daran halten.

Abschließend: Verbote allein lösen das Problem nicht, aber sie erschweren den ersten Griff zur Zigarette. Deshalb bitte ich Sie erstens, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Zum Zweiten möchte ich Sie daran erinnern, dass wir uns für eine Initiative aussprechen, um ein Rauchverbot in allen öffentlichen Gebäuden und nicht nur in Schulen zu erreichen. Das haben wir ja auch in der letzten Sitzung schon angesprochen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, das Wort erteile ich Herrn Staatssekretär Wacker.

(Oh-Rufe – Beifall bei Abgeordneten aller Fraktio- nen – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Jungfernrede!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der ersten Lesung wurde sehr ausführlich über dieses Thema debattiert, und auch im Schulausschuss haben wir in aller Ausführlichkeit die Pround Kontraargumente vorgetragen. Insofern darf ich mich mit Blick auf die Uhr auf wenige Argumente beschränken.

Zunächst einmal haben wir Konsens darüber, dass wir gemeinsam fast alle möglichen Maßnahmen in die Wege leiten wollen, um das Rauchen in den Schulen und im Umfeld der Schulen einzudämmen. Einige wenige Aspekte darf ich noch einmal herausgreifen.

Wir haben zweifelsohne eine besorgniserregende Entwicklung. Wir wissen, dass das Einstiegsalter gesunken ist und dass immer mehr junge Menschen zur Zigarette greifen. Hierüber liegen Untersuchungen auf dem Tisch, und die Ergebnisse sind auch bekannt.

Wir wissen auch, wo die Ursachen liegen. Die Ursachen liegen natürlich nicht in der Schule, sondern sind im frühen Kindesalter zu suchen. Wesentlich hierbei ist der Einfluss von Bezugspersonen, wobei Eltern eine große Rolle spielen. Es ist nachgewiesen: Wenn Eltern rauchen, ist dies für Kinder verführerisch. Deswegen liegt der Griff zu den Zigaretten bei Kindern näher, wenn Eltern oder auch Geschwister rauchen. Eine Befragung von Hauptschülern hat ergeben, dass Kinder mit rauchenden Geschwistern doppelt so häufig zur Zigarette greifen wie Kinder mit nicht rauchenden Geschwistern.

Kinder lernen am „Modell“ und lernen dabei nicht nur an positiven Beispielen, sondern auch an negativen Beispielen. Deswegen müssen wir uns darauf konzentrieren, möglichst viele Maßnahmen zu ergreifen, um nicht nur die Kinder selbst zu erreichen, sondern auch das Umfeld.

Deswegen haben Lehrkräfte eine besondere Verantwortung und eine Vorbildfunktion einzunehmen.

(Abg. Röhm CDU: Das tun wir doch!)

Wenn Lehrkräfte im Lehrerkollegium darüber streiten und dort die Nichtraucher die Raucher davon überzeugen, freiwillig gänzlich auf das Rauchen im Schulgebäude zu verzichten, ist das eine wesentlich wirkungsvollere Maßnahme, Kollege Seimetz,

(Abg. Seimetz CDU: Warum schauen Sie mich da an?)

als dies durch ein Gesetz von oben in die Wege zu leiten. Das würde eher dazu führen, dass die Raucherinnen und Raucher das Schulgelände verlassen und sich Nischen und Ecken suchen, um dieser Sucht heimlich Folge zu leisten.

Meine Damen und Herren, es ist nicht so einfach, auf Vergleiche mit anderen Bundesländern hinzuweisen. Kollegin Queitsch hat das ja angesprochen. Man muss hier fairerweise sagen, dass es sowohl im internationalen als auch im nationalen Bereich Vergleiche gibt. Deswegen bin ich dankbar, dass ich seit wenigen Stunden auf fundierte Daten des Kultusministeriums zurückgreifen darf.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

Deswegen darf ich diese wiedergeben: Auch in Deutschland gibt es unterschiedliche Regelungen. Es ist richtig, dass in sieben Bundesländern ein absolutes Rauchverbot an Schulen in die Wege geleitet wurde. Andere Bundesländer, zum Beispiel Schleswig-Holstein, das Saarland und NordrheinWestfalen, lassen aber Ausnahmen zu. Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen versuchen – weil sie einen ähnlichen Weg gehen wie Baden-Württemberg –, durch Überzeugungsarbeit und einen Diskurs an den Schulen einen gemeinsamen Weg zu finden, auf das Rauchen zu verzichten.

Kollege Röhm hat auf verschiedene Präventionsmaßnahmen hingewiesen. In der Grundschule hat die Suchtprävention in den Bildungsplänen besonderes Gewicht. Es geht um die Steigerung und die Verfestigung von Lebenskompetenzen junger Menschen. Es gibt viele entsprechende Programme von schulischen Partnern: „Fit und stark fürs Leben“, „Faustlos“ oder „Klasse 2000“ sind Programme, die die Schulen darin unterstützen, Präventionsmaßnahmen in die Wege zu leiten.

Ich darf die Suchtbeauftragten erwähnen, die an den Regierungspräsidien angesiedelt sind. Ich denke an die Suchtberatungsstellen, die ebenfalls einen wichtigen Kooperationsauftrag mit den Schulen haben. Ich darf die Fachstelle „Gesunde Schule“ erwähnen, die erst kürzlich am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg eingerichtet wurde.

Meine Damen und Herren, auch vor dem Hintergrund der Geräuschkulisse in diesen Minuten darf ich zu später Stunde in wenigen Sätzen versuchen, die Ziellinie zu erreichen.

(Staatssekretär Wacker)

Wir wollen natürlich gemeinsam eine rauchfreie Schule. Wir wollen dieses Ziel allerdings nicht nur auf dem Papier erreichen, sondern wollen in der nächsten Legislaturperiode eine Gesetzesinitiative in die Wege leiten, die alle öffentlichen Räume umfasst. Dies darf sich nicht nur auf die Schule beschränken.

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Sehr richtig!)

Wenn ich darauf hinweise, dass wir in vielen bildungspolitischen Debatten immer wieder gemeinsam einfordern, den Schulen mehr organisatorische und pädagogische Selbstständigkeit zu geben, dann dürfen wir in diesem Bereich nicht gerade das Gegenteil einfordern.