Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

(Abg. Seimetz CDU: Liebe Frau Altpeter! – Abg. Walter GRÜNE: Mein lieber Herr Kollege Sei- metz! – Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Mein Lie- ber!)

Wenn wir von dem urschwäbischen Grundsatz „Net schwätze, sondern schaffe!“ ausgehen,

(Abg. Seimetz CDU: „Schaffe“! – Abg. Alfred Haas CDU: Das ist ein badischer Grundsatz!)

dann ist es – das muss ich Ihnen an dieser Stelle heute Morgen sagen – dringend an der Zeit, mit diesem „Schaffe“ einmal zu beginnen und tatsächlich nicht nur zu „schwätze“.

(Beifall bei der SPD – Abg. Seimetz CDU: Wir sind längst dran! Das sehen Sie landauf, landab! – Zuruf des Walter GRÜNE)

Wenn wir die Potenziale und die Möglichkeiten älterer Menschen sehen, wenn wir sehen, wie viel ältere Menschen durch ihr ehrenamtliches Engagement in die Gesellschaft einbringen, muss es uns doch in erster Linie ein Anliegen sein, die Beteiligungsmöglichkeiten der älteren Menschen zu stärken. Dann muss es uns ein Anliegen sein, die Kreisund die Stadtseniorenräte in der Gemeindeordnung Baden

Württembergs zu verankern. Dies haben Sie in der Vergangenheit abgelehnt.

Wenn wir sagen: „Wir wollen eine wohnortnahe Versorgung, wir wollen, dass die älteren Menschen bis zu ihrem Tod in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können“, müssen wir in erster Linie dafür sorgen, dass Infrastruktur wohnortnah zu erreichen ist. Dann dürfen wir nicht Supermärkte auf der grünen Wiese fördern, sondern müssen wir in Zusammenarbeit der Landespolitik mit den Kommunen für eine wohnortnahe Infrastruktur kämpfen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Was machen wir denn?)

Es tut mir Leid: Ich kann diese Zusammenarbeit noch nicht erkennen, weder in der Planung noch in den landespolitischen Leitlinien.

(Abg. Capezzuto SPD: Die gibt’s nicht!)

Wenn wir wollen, dass die älteren Menschen in ihrem häuslichen Wohnumfeld versorgt werden können, gepflegt werden können, in der Regel von Angehörigen, in der Regel von pflegenden Töchtern und Schwiegertöchtern, dann muss uns daran gelegen sein, das Vor- und das Umfeld der Pflege zu stärken, wie es die Aufgabe nach dem Landespflegegesetz ist. Dann brauchen wir Beratungsstellen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Was sehe ich? Mittel gekürzt, keine neuen Maßnahmen in Sicht.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir wollen, dass die älteren Menschen, wenn sie ins Pflegeheim einziehen müssen, weil es zu Hause nicht mehr geht, ihren Bedürfnissen entsprechend versorgt werden, vielleicht so, wie sie gelebt haben, vielleicht in der Form einer Wohngemeinschaft oder eines Mehrgenerationenhauses, dann müssen wir die Pflegeheimförderung aufrechterhalten. Wir müssen sie im Hinblick auf sich verändernde Bedürfnisse weiterentwickeln. Was sehe ich? Diskussionen, die Pflegeheimförderung abzuschaffen, Herr Dr. Noll,

(Abg. Capezzuto SPD: Um Gottes willen, Dr. Noll!)

einen Antragstau, dass einem ganz schwarz vor Augen wird, keine zukunftsorientierte Politik!

(Beifall bei der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Der ist auch schon über 60! – Abg. Seimetz CDU: Die Wirklichkeit ist ein bisschen anders! – Abg. Alfred Haas CDU: Von was reden Sie denn?)

Wenn wir wollen, dass ältere Menschen in ihrem Wohnumfeld barrierefrei wohnen können, dann brauchen wir, wie Sie richtig gesagt haben, den barrierefreien Zugang zu diesen Wohnungen. Dies wurde auch für Privathäuser beschlossen. Sie haben es aber abgelehnt, den barrierefreien Ausbau dieser Wohnungen festzulegen. Was hilft mir ein barrierefreier Zugang zur Wohnung, wenn ich mich innerhalb der Wohnung dann nicht bewegen kann? So viel zum Thema Barrierefreiheit.

(Beifall bei der SPD – Abg. Seimetz CDU: Es wird niemand daran gehindert, das zu tun! – Zuruf des Abg. Pauli CDU – Abg. Alfred Haas CDU: Sie wollen alles gesetzlich regeln!)

Wenn wir wollen, dass pflegebedürftige und kranke Menschen in Würde sterben können, dann müssen wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen: durch eine zuverlässige Palliativmedizin, durch entsprechende Forschung, aber auch durch entsprechende stationäre Hospizbetten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Fischer SPD: Ja!)

Wir werden sie in Zukunft verstärkt brauchen. Was sehe ich? Kürzungen bei den Mitteln für Hospize und die Forderung, man solle sich ehrenamtlich mehr engagieren.

(Beifall bei der SPD – Abg. Alfred Haas CDU: Nicht wahr!)

Liebe Leute, man kann sich ehrenamtlich engagieren. Das ist nicht die Frage. Dafür stehen wir alle. Aber das ist nur möglich, wenn die Landespolitik die entsprechenden Rahmenbedingungen zur Verfügung stellt,

(Abg. Capezzuto SPD: Also!)

und ich muss Ihnen sagen, da sehe ich nichts als ein großes schwarzes Loch.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE – Abg. Alfred Haas CDU: Sie sollten sich mal eine Brille kaufen, Frau Altpeter, damit Sie et- was sehen!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Altpeter, Sie zeichnen hier das Bild von einem schwarzen Loch. Ich will Ihnen den gelben Horizont aufzeigen.

(Abg. Capezzuto SPD: Schön! Gelb und schwarz gibt grau!)

Ich darf am bürgerlichen Engagement anknüpfen. Ich merke zurzeit, dass Sie dabei sind, alle Bemühungen, Bedingungen einerseits für die Betreuung von Kindern, andererseits für die Betreuung von Seniorenanlagen zu schaffen, madig zu machen und zu behaupten, dazu bräuchte man ausschließlich professionelle Kräfte.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: An welcher Stelle haben wir denn etwas madig gemacht? – Abg. Kat- rin Altpeter SPD: Was regen Sie sich denn so auf?)

Es ist doch hinderlich, den Leuten das Gefühl zu vermitteln, sie seien nicht qualifiziert genug, sich bürgerschaftlich zu engagieren.

Lassen Sie uns das doch gemeinsam vernünftig regeln. Selbstverständlich brauchen wir Professionalität in der Pädagogik und bei der Betreuung von alten Menschen. Aber das kann doch ergänzt werden,

(Abg. Pauli CDU: Genau! Richtig!)

und zwar positiv ergänzt werden durch bürgerschaftliches Engagement.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Demotivieren wir doch die Leute nicht.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Sie bauen jetzt ei- nen Popanz auf!)

Kollege Seimetz hat gesagt: Jeder Zweite – und das sind insbesondere die älteren Menschen – ist bereit, sich bürgerschaftlich zu engagieren.

Jetzt zum nächsten Thema: Wo können wir etwas tun? Wo können wir Strukturen schaffen? Hier wurde gesagt, wir sorgten uns nicht um eine wohnortnahe Versorgung. Aber was machen wir denn im Rahmen des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum? Was machen wir denn im Rahmen der Städtebausanierung?

(Abg. Braun SPD: Sagen Sie doch, was Sie ma- chen!)

Wir machen genau das: Wir setzen Mittel gezielt ein, um zum Beispiel Ortskerne wieder aufzuwerten und zu stärken, damit es für alle – für Junge und Ältere – wieder attraktiv ist, mittendrin im Ortskern statt außen vor zu leben und miteinander umzugehen.

Nächstes Thema: Wenn wir sagen – das ist von allen gesagt worden –, tendenziell sei es der Wunsch der älteren Menschen, so lange wie möglich im häuslichen Umfeld zu verbleiben –

(Abg. Seimetz CDU: Das ist doch Realität!)

das gelingt immer mehr –, dann muss es doch legitim sein, bisherige Regelungen, zum Beispiel in der Pflegeversicherung, aber auch bei dem, was das Land tut, einmal zu überprüfen: Kommen sie diesem Wunsch entgegen? Da ist das Erste, dass die Pflegeversicherung so, wie sie heute existiert, tendenziell in der Tat die stationäre Unterbringung bevorzugt. Deshalb müssen wir doch einmal darüber nachdenken, ob wir nicht da, wo zu Hause gepflegt wird – durch Angehörige oder durch Ehrenamtliche –, Leistungen umschichten. Da ist der Bund gefragt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Nächstes Thema: Im Land haben wir die Pflegeheimförderung. Das ist ja das Reizthema für Sie, bei dem Sie von vornherein sagen, daran dürfe man gar nichts ändern. Jetzt sind wir aber alle der Meinung, dass die Menschen künftig zunehmend in ihrer eigenen Wohnung oder in neuen Wohnformen – in gemeinsamen Formen wie Wohngemeinschaften – betreut werden wollen.

(Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD)

Warum halten Sie dann so starr an einem Programm fest, das ausschließlich auf die klassischen Pflegeheime zugeschnitten ist? Es muss doch möglich sein, einmal darüber nachzudenken, ob wir damit nicht auch einseitig stationäre Strukturen, also Heime, unterstützen, anstatt ein bisschen mehr Hirnschmalz und dann auch Geld für die Entwicklung neuer Strukturen aufzuwenden.

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD)