Protokoll der Sitzung vom 02.02.2006

(Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf der Abg. Katrin Altpeter SPD)

Deswegen sind wir uns einig, dass wir da selbstverständlich nicht radikal aussteigen können, sondern einen Übergang brauchen, und dass es da auch noch bestimmte Zusagen gibt, dass wir aber mittelfristig – die Zahlen sind ja genannt worden – selbstverständlich auch über den Neuansatz von Mitteln da, wo andere möglicherweise entfallen können, gemeinsam nachdenken sollten. Das ist für mich ein sehr viel größeres Thema.

Das betrifft ja jetzt immer nur die baulichen Substanzen. Wenn es um die Pflegeheimförderung geht, dann meinen die Leute immer, wir würden irgendwelche Zuschüsse des Landes für die Betreuung zahlen. Das ist ja gar nicht so. Da geht es ausschließlich um den Bau von Häusern. Das muss man den Leuten einmal klar machen.

Ich glaube, wir im Land haben noch sehr viel stärker die Pflicht, gerade unter demografischen Gesichtspunkten zu fragen: Wo werden denn die jungen Leute herkommen, die bereit sind, künftig in der Betreuung von älteren Menschen, von Kranken und von behinderten Menschen zu arbeiten, wenn es immer weniger werden? Dafür müssen wir auch ein bisschen Hirnschmalz verwenden, wenn zum Beispiel der Zivildienst eine immer geringere Rolle spielt. Wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen überhaupt einmal mit sozialen Berufen in Kontakt kommen und überhaupt einmal sehen: Es kann vielleicht auch ein Beruf für mich sein, mich mit Menschen zu beschäftigen, anstatt meinen Arbeitsplatz am Computer zu suchen. Damit will ich nichts diskriminieren. Aber das Thema „Soziale Dienstleistung“ muss dazu führen, dass das attraktive Berufe für junge Menschen sind.

(Abg. Fischer SPD: Dann müssen wir es auch im fi- nanziellen Bereich attraktiv machen!)

Das können sie nur erkennen, wenn sie überhaupt einmal in Kontakt damit kommen. Deswegen haben wir ganz bewusst – das wissen Sie – in solchen Bereichen wie dem freiwilligen sozialen Jahr eben nicht gekürzt. Das ist eine ideale Chance für junge Menschen, einmal erleben zu können: Wäre das etwas für mich, diesen beruflichen Weg einzuschlagen? Das wird nicht jeder und nicht jede machen; das ist überhaupt keine Frage. Aber dann hätten wir wirklich diejenigen sensibilisiert und herangeführt, die wir in Zukunft brauchen werden. Das Thema lautet also: Wie geht es weiter mit der Gewinnung von jungen Menschen, die dann auch bereit sind, diese Aufgaben zu übernehmen?

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Dann müssen Sie die FSJ-Mittel erhöhen!)

Die entstehenden Lücken können wir nicht durch Zuwanderung oder was auch immer auffangen. Es kann nicht sein, dass wir sagen: Dann holen wir uns das Personal aus irgendwelchen Ländern hierher.

(Abg. Fischer SPD: Wer sagt denn das?)

Nein, dafür müssen wir gemeinsam hier im Land etwas tun.

(Abg. Katrin Altpeter SPD: Was? – Abg. Capez- zuto SPD: Was? Beispiele!)

Ich denke, wir haben da schon in der Vergangenheit – –

(Abg. Capezzuto SPD: Beispiele!)

Ein Beispiel ist, dass wir entgegen dem, was Frau Altpeter immer behauptet, die Mittel für das freiwillige soziale Jahr nicht gekürzt, sondern sogar aufgestockt haben.

(Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Marianne Won- nay SPD: Aber Sie wissen doch selbst, dass das nicht ausreicht!)

Sie sind doch diejenigen, die von der Bundesebene her den Zivildienst immer weiter zurückgedrängt und keinen Ausgleich dafür geschaffen haben.

(Abg. Marianne Wonnay SPD: Herr Dr. Noll, Sie bekommen die Briefe doch auch! – Abg. Capez- zuto SPD: Dann haben wir den falschen Haushalts- plan! Das gibt es ja nicht!)

Also noch einmal: Es gibt eine Vielzahl positiver Ansätze. Das Allerwichtigste ist meiner Meinung nach, dass man nicht ständig mit gegenseitigen Vorwürfen arbeitet, sondern wirklich einmal die positiven Seiten dieser Entwicklung herausstellt, dass wir alle – Gott sei Dank – immer älter werden und meistens ziemlich leistungsfähig und gesund älter werden können. Wir sollten nicht immer nur von den Problemen her diskutieren, sondern an alle, ob Jung oder Alt, appellieren – denn auch die Jungen werden irgendwann einmal alt;

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das ist wahr!)

sie denken häufig bloß noch nicht so daran –, dass wir gemeinsam miteinander eine neue Gesellschaft eines generationenübergreifenden Zusammenlebens und des sich gegenseitig Helfens anstreben. Wir sollten nicht immer nur nach dem Staat rufen, aber der Staat muss die Strukturen dafür bereithalten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Dann werden wir, glaube ich, in Baden-Württemberg den positiven Trend bei der demografischen Entwicklung, den es hier bereits gibt, gemeinsam bewältigen können.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Seimetz CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Lösch.

(Abg. Capezzuto SPD: Stell es mal klar!)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Einige Punkte muss man, glaube ich, hier klarstellen. In der Diskussion hat niemand das Thema Alter nur unter defizitären Anzeichen diskutiert. Hier hat auch niemand das Thema „Älterwerden in Baden-Württemberg“ madig gemacht. Aber es muss doch die Aufgabe der Opposition sein, nicht alles schönzureden – das machen Sie von den Regierungsfraktionen –, sondern auch darauf hinzuweisen, wo die Schwachstellen sind. Das machen wir hier auch.

(Beifall bei den Grünen und der SPD – Zuruf des Abg. Seimetz CDU)

Niemand redet hier der Superprofessionalität das Wort. Sowohl die Kollegin Altpeter als auch ich haben ausgeführt, dass wir in Zukunft, wenn wir von bürgerschaftlichem Engagement reden, einen Mix aus Professionalität und Menschen brauchen, die bereit sind, ehrenamtlich zu arbeiten.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig! Ein Mix, ja! – Abg. Pauli CDU: Einer Meinung!)

Nichts anderes habe ich gesagt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Da sind wir einer Mei- nung! – Abg. Pauli CDU: Wir auch!)

Thema niedrigschwellige Dienste im Bereich der Demenzkranken: Sie sagen, Sie hätten nicht gekürzt. Sie haben die Mittel ab 2005 eingefroren.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Ich habe es vorhin gesagt: Die Zahl der Demenzkranken wird in Zukunft zunehmen, und dadurch wird natürlich auch der Bedarf an Menschen steigen, die Demenzkranke pflegen. Das heißt, wir brauchen unterstützende, helfende Angebote für diese Angehörigen. Jetzt sind die Mittel auf dem Stand von 2005 eingefroren. Der Bedarf wird aber zunehmen. Das heißt, wir brauchen Konzepte, Ideen und letztendlich mehr Geld, um diese ehrenamtlich Betreuenden zu unterstützen. Da fehlen die Konzepte; dazu habe ich nichts gehört.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Dafür ist in erster Linie die Pflegeversicherung da! – Zuruf des Abg. Klein- mann FDP/DVP)

Zweiter Punkt: Pflegeinfrastruktur. Sie haben den Auftrag erteilt, ein Umstiegsszenario für die Pflegeheimförderung zu entwickeln. 2010 will das Land aus der Pflegeheimförderung aussteigen. Jetzt herrscht vor allem bei den Trägern eine große Unsicherheit, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Es kann nicht sein, dass sich das Land aus der Pflegeheimförderung verabschiedet, indem es alle Investitionsmittel einstellt. Ich frage mich schon: Wie geht es weiter?

(Zuruf des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Ist es nicht sinnvoll, die Mittel zukünftig auf die Personen zu zentrieren,

(Abg. Kleinmann FDP/DVP: Das sagen wir doch schon die ganze Zeit!)

also personenzentrierte Budgets zu entwickeln, das heißt einen Umstieg von einer Objektförderung auf eine Subjektförderung zu erreichen? Das kann aber nicht von heute auf morgen passieren, Kollege Noll,

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Habe ich auch nicht ge- sagt!)

und deshalb fordern wir die Landesregierung auf, Öffnungsklauseln zuzulassen, damit wir dies in Modellvorhaben ausprobieren können.

(Abg. Edith Sitzmann GRÜNE: Sehr richtig! – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Da sind wir doch gar nicht auseinander!)

Ich spreche ja jetzt nicht die FDP/DVP allein an. Denn die FDP/DVP bewirkt in der Landesregierung auch nicht so sehr viel. Das hat man in den letzten fünf Jahren gemerkt,

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und der SPD – Lachen des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Kollege Noll. Kollege Seimetz hat alles aufgezählt, was das Land gerade macht, aber was fehlt, sind die Antworten auf die Fragen der Zukunft, auf die Fragen, wie eine vorausschauende Altenpolitik aussieht. Was tun Sie, um neue Wohnformen zu ermöglichen, und wie geht es mit der Pflegeheimförderung weiter? Sie haben alles aufgezählt, aber keine Antworten gegeben.

Deshalb sage ich unter dem Strich: Eine vorausschauende Altenpolitik für Baden-Württemberg sieht tatsächlich anders aus.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Abg. Capezzuto SPD: Also doch ein schwarzes Loch!)

Das Wort erteile ich der Ministerin für Arbeit und Soziales Frau Dr. Stolz.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP – Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Das ist ihre erste Rede als Minis- terin! – Weitere Zurufe)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hermann Seimetz, vielleicht gestattest du mir zunächst ein paar persönliche Worte. Uns verbindet heute das Außergewöhnliche der Situation. Du hast gesagt, es sei deine Abschiedsrede, und ich habe die Gelegenheit, heute mit meiner ersten Rede in meiner neuen Funktion über ein ganz zentrales Thema meines zukünftigen Zuständigkeitsbereichs zu sprechen. Herzlichen Dank dafür.