Protokoll der Sitzung vom 21.02.2006

Jetzt passen Sie auf: Der Bundesrat hat mit Koch und Steinbrück beschlossen, die Regionalisierungsmittel sofort um 12 % zu kürzen. Das war Beschluss des Bundesrats. Daran war kein Grüner beteiligt. Was ist passiert? Wir haben einmalig 2 % verloren und sind jetzt wieder auf dem alten Niveau. Das heißt, wir haben aus 12 % Kürzung, von Schwarz-Rot beschlossen, durch unseren Widerstand in der Bundesregierung 0 % gemacht, weil wir gesagt haben: Das machen wir nicht mit.

Genauso war es bei den geplanten Kürzungen im Investitionsbereich. Koch und Steinbrück haben gesagt: Wir streichen nur bei der Schiene, weil das Subventionen sind, und Straßenbau ist Investition. Wir haben erreicht, dass die Kürzungen exakt 50 : 50 zwischen Straße und Schiene aufgeteilt wurden. Dazu gab es eine Vereinbarung zwischen unserer Fraktionschefin und Herrn Müntefering, die den Bundesratsbeschluss insoweit korrigiert hat.

Wir haben etwas erreicht, und jetzt verlangen wir von Ihnen, dass Sie auch für den öffentlichen Verkehr einstehen und dass Sie in Berlin intervenieren.

(Abg. Dr. Schüle CDU: Bundeshaushalt!)

Denn jetzt regieren Sie in Berlin. Deswegen ist es Ihre Verantwortung, diese Kürzungen zu verhindern. Das sind Sie dem Land und dem öffentlichen Verkehr und dem Klimaschutz verdammt noch einmal schuldig!

(Beifall bei den Grünen – Glocke des Präsidenten)

Herr Abg. Palmer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Gustav-Adolf Haas?

Wenn es die Redezeit verlängert, Herr Präsident.

Bitte schön, Herr Abg. Haas.

Herr Kollege Palmer, Sie haben gegenüber der „Badischen Zeitung“ am 17. Februar dieses Jahres und darüber hinaus im Bereich des Hochschwarzwalds behauptet, die wirklich sehr stark frequentierte Bahnstrecke Titisee–Neustadt–Donaueschingen sei von der Stilllegung bedroht. Auf welche verbindliche Quelle haben Sie sich dabei beziehen können? Gibt es dazu einen Beschluss?

Ich möchte Ihnen nur noch sagen, dass Sie mit dieser Behauptung, die nach meiner Recherche völlig unbegründet war, der Region und dem ÖPNV massiv geschadet haben.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

Herr Kollege Haas, was dem Schienenverkehr im ländlichen Raum massiv schadet, ist der geplante Börsengang der Deutschen Bahn. Es gibt eine Arbeitsgruppe „Blue Chip“ bei der Bahn, die für den Fall des Börsengangs Streckenstilllegungen über 6 000 Kilometer als wirtschaftlich notwendig erachtet. Das betrifft alles Strecken im ländlichen Raum. Das Kriterium für die Streichung ist eine Fahrgastzahl von weniger als 1 500. Der Abschnitt Neustadt–Donaueschingen fällt unter dieses Kriterium. Deswegen ist diese Strecke bedroht, falls Ihre Partei es nicht schafft, in Berlin den Börsengang der Netzsparte der Bahn zu verhindern. Dafür wünsche ich Ihnen wirklich viel Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP – Abg. Drexler SPD: Das war doch überhaupt keine Antwort! – Abg. Ursula Haußmann SPD: Luftballone! – Glo- cke des Präsidenten)

Herr Palmer, ist eine Zusatzfrage möglich?

Bitte schön.

Bitte schön, Herr Abg. Haas.

Herr Kollege, wissen Sie, dass das nicht allein eine Strecke im Bereich des Nahverkehrs, sondern eine Fernverkehrsstrecke von Freiburg bis München ist und solche Strecken nicht zur Kürzung anstehen? Informieren Sie sich bitte, bevor Sie eine solche Luftblase loslassen.

Herr Kollege, wissen Sie, dass kein einziger Fernverkehrszug auf dieser Strecke verkehrt? Es sind nur Regionalexpresszüge und Regionalbahnen. Und wissen Sie, dass der Zugverkehr nach München eingestellt wurde? Diesen Zug, den Sie ansprechen, gibt es gar nicht mehr. Der so genannte Kleber-Express wurde gestrichen. Das sollten auch Sie wissen.

(Abg. Gustav-Adolf Haas SPD: Sie können doch von Freiburg nach München fahren! So etwas Blö- des!)

Also halten wir fest: Stimmen Sie gegen den Börsengang der Bahn, dann können diese Stilllegungen verhindert werden. Andernfalls wird genau dieses Szenario Wirklichkeit werden. Dann werden Sie sich noch umschauen.

Nach dieser Intervention möchte ich darstellen, was die Folgen einer Kürzung der Regionalisierungsmittel um 12 % sind. Sie würde bedeuten, dass uns ab dem Jahr 2008 mindestens 80 Millionen € fehlen. Das entspricht 10 Millionen Zugkilometern. Das heißt, jeder sechste Zug in BadenWürttemberg müsste gestrichen werden, um dieses Kürzungsvolumen zu erbringen.

(Abg. Schmiedel SPD: Mein Gott, ist das ein Angsthase!)

Sie können zur Kompensation nicht die Fahrpreise erhöhen, weil die Einnahmen bei der Deutschen Bahn verbleiben; das würde Ihnen gar nichts bringen. Hingegen wollen Sie an Stuttgart 21 festhalten. Sie könnten tatsächlich im Landeshaushalt rund 40 Millionen € an Investitionen pro Jahr einsparen, wenn Sie dieses Projekt aufgeben würden. Beides wollen Sie nicht tun. Also bleiben Ihnen nur die Streckenstilllegungen. Diese Stilllegungen würden ja ganz gut mit den Reduzierungen bei den Regionalisierungsmitteln zusammenpassen. Das ist ungefähr die gleiche Dimension. Nur das bleibt Ihnen dann als Ausweg.

Deswegen sind diese Schwarz-Rot-Stift-Pläne ein Kahlschlagprogramm für den Bus- und Bahnverkehr in BadenWürttemberg. Sie zerstören jede Hoffnung auf einen erfolgreichen und effektiven Klimaschutz.

(Abg. Stickelberger SPD: Jetzt aber!)

Meine Damen und Herren, diese Sache muss in den Bundesrat. Sowohl der Börsengang der Bahn als auch Entscheidungen über die Regionalisierungsmittel unterliegen der Zustimmungspflicht des Bundesrats. Deswegen kann ich nur noch einmal fragen: Wann wird Frau Vogt in Berlin intervenieren?

(Abg. Scheuermann CDU: Frau Vogt ist nicht mehr im Bundestag! Die Dinge sind vorbei!)

Wann wird Herr Oettinger in Berlin intervenieren? Wann werden Sie klar machen, dass Sie im Bundesrat diese Kürzungen nicht mittragen und damit verhindern?

Meine Damen und Herren von der SPD, Sie sammeln Unterschriften für eine Beibehaltung des Atomausstiegs. Das Atomausstiegsgesetz ist immerhin ein in Kraft befindliches Gesetz, das nur mit Ihrer Zustimmung in Berlin geändert werden kann.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Dafür Unterschriften zu sammeln ist ja schon einmal erstaunlich. Jetzt tun Sie doch einmal etwas für ein – –

(Lachen bei der SPD – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Warum sammeln Sie eigentlich Un- terschriften?)

Weil wir daran glauben, dass Gesetze gelten.

(Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Dann brauchen Sie doch auch keine Unterschriften zu sammeln!)

Warum sammeln Sie Unterschriften gegen Kabinettsbeschlüsse Ihrer eigenen Regierung, durch die das Gegenteil

dessen droht, was Sie für richtig halten? Und wann stimmen Sie unseren Anträgen im Ausschuss zu und intervenieren in Berlin, damit die Mittel für den öffentlichen Verkehr erhalten bleiben? Ihr ganzes Verhalten ist außerordentlich unglaubwürdig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Grünen – Zurufe von der SPD, u. a. Abg. Drexler: Das Säkularisierungsgesetz gilt auch noch!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Scheuermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Palmer, die Antwort auf eine Ihrer Fragen ist einfach: Eine Intervention von Frau Vogt nützt nichts mehr. Sie hat weder im Bundestag noch im Bundesrat eine Stimme und wird sie aller Voraussicht nach auch nicht bekommen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Boris Pal- mer GRÜNE)

Herr Palmer, ich habe doch vorhin bei meinem ersten Auftritt hier gesagt: Ich halte das Haushaltsstrukturgesetz für im Bundesrat zustimmungspflichtig.

(Abg. Drexler SPD: So ist es!)

Ich gehe davon aus, dass sich die Landesregierung nicht vollständig den Ast des Nahverkehrs, auf dem sie sitzt, durch eine Zustimmung absägt.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Wie wär’s, Sie wür- den etwas fordern?)

Das war meine Aussage.

Ich mache weiter, damit hier nichts zurückbleibt: Wir in Baden-Württemberg haben die Regionalisierungsmittel auf Euro und Cent für Nahverkehrsausgaben verwandt. Damit auch das einmal klar ist: Zusätzlich kommen jedes Jahr aus dem Landeshaushalt noch etwa 1,3 Milliarden € für den ÖPNV in Baden-Württemberg.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Das möchte ich se- hen! Sagen Sie mir bitte, wo das Geld ist!)

Das ist ganz einfach: Es sind etwa 450 Millionen € nach § 45 a des Personenbeförderungsgesetzes und ein Zuschuss von etwa 100 Millionen € für die Schülerbeförderung.

(Abg. Boris Palmer GRÜNE: Bis 1,3 Milliarden € ist es noch weit!)

Ja, jetzt lassen Sie mich noch ein bisschen überlegen, vielleicht fällt mir der eine oder andere – –