Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

(Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Donnerstagsreden!)

in Sonntagsreden über Europa. Wir sollten öfter über Europa reden. Wir hatten in den Neunzigerjahren die Tradition, uns am Europatag, am 5. Mai, im Landtag einen ganzen Tag diesem Thema zu widmen. Ich frage mich: Wann hat dieser Landtag den letzten Europaabgeordneten gesehen? Wir sollten die Kontakte auf allen Ebenen intensivieren, weil Europa eben immer wichtiger wird.

Danke schön.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Reinhart CDU: Demnächst kommt Maurer!)

Das Wort erhält Frau Abg. Dr. Stolz.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es geht um die Forschung in Europa, aber lassen Sie mich mit Baden-Württemberg beginnen – im Sinne des Selbstbewusstseins, das Herr Salomon gerade angesprochen hat. Baden-Württemberg ist Spitze. Wir von der CDU stellen das ja immer gerne fest, auch wenn die Opposition das nicht immer gerne hört.

(Abg. Theurer FDP/DVP: Sie hätten uns einschlie- ßen können! – Unruhe)

Baden-Württemberg ist eine der forschungsintensivsten europäischen Regionen. Hier wird jährlich der höchste Anteil des Bruttosozialprodukts für Investitionen in Forschung und Entwicklung ausgegeben. Baden-Württemberg ist das hochschulreichste Land der Bundesrepublik, und in BadenWürttemberg befinden sich etwa ein Viertel der renommierten außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Bundesrepublik.

Umgekehrt ist für Europa Baden-Württemberg eine erste Adresse. Ich darf hier nur den EU-Forschungskommissar Philippe Busquin zitieren:

Baden-Württemberg ist unter den deutschen Bundesländern einer unserer besten Kunden. Dank seines hohen eigenen Forschungsbudgets können EU-Mittel gut kofinanziert werden.

Insofern begrüßen wir von der CDU-Fraktion, dass BadenWürttemberg aufgrund seiner nachgewiesenen Kompetenz eine eigene Position zum 6. Forschungsrahmenprogramm der EU erarbeitet. Nach den guten Erfahrungen mit dem 5. Forschungsrahmenprogramm entsprach dieses Memorandum auch dem einhelligen Willen aller Fraktionen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Es ist gut, dass das Land Baden-Württemberg die Wortführerschaft der Länder zu diesem Thema in den überregionalen Gremien gegenüber der Bundesregierung und der Europäischen Kommission innehat.

(Beifall bei der CDU – Abg. Dr. Reinhart CDU: Sehr gut!)

Wir können alles, und dies besonders gut.

Es ist begrüßenswert, dass eigene Positionen formuliert werden und damit die Interessen, die uns wichtig sein müssen, Berücksichtigung finden.

Ganz wichtig: Unsere Wirtschaftsstruktur wird nicht nur von global operierenden Firmen, sondern zugleich und vor allem auch durch kleine und mittlere Unternehmen geprägt. So ist wichtig, dass gerade die kleineren und mittleren Unternehmen in dieses Forschungsrahmenprogramm spezifisch einbezogen sind und die Chance einer Förderung erhalten. Dies erfordert zum einen, dass eigene Mittel für deren Innovation und Forschung bereitgestellt werden, aber zum anderen auch, dass die Instrumente nutzerfreundlich ausgestaltet werden und nicht schon wegen des immensen Antragsaufwands gar nicht erst zum Einsatz kommen können. Von Antragstellungen darf nicht abgeschreckt werden. Das von Baden-Württemberg vorgeschlagene Antragsverfahren soll dies verhindern; es soll die kleinen und mittleren Unternehmen sogar ermutigen.

In diesem Zusammenhang ist auch begrüßenswert, dass Baden-Württemberg darauf Wert legt, dass vor dem Aufbau neuer zentraler Strukturen bei der Forschungsförderung auf funktionierende Strukturen der Regionen zurückgegriffen wird. Denn auch im Forschungsbereich sollte es so sein, dass man mit Europa nicht primär Bürokratentum und Papierflut, sondern eine zukunftsweisende Idee verbindet. Für den Forschungsbereich kann das nur heißen, einen europäischen Forschungsraum zu schaffen, in dem die herausragenden Forschungskapazitäten in Wissenschaft und Wirtschaft miteinander vernetzt werden und in dem für die zentralen Herausforderungen zukunftsweisende Problemlösungen entwickelt werden.

Der europäische Gipfel hat festgestellt, dass die Forschung ihren Beitrag zum globalen Wettbewerb Europas in der Welt leisten muss, und das ist richtig. Dieses Ziel muss sich allerdings darin widerspiegeln, dass entsprechende Mittel bereitgestellt werden.

(Abg. Dr. Reinhart CDU: So ist es!)

Es ist richtig, dass das Memorandum anmahnt, zusätzliches Geld nicht nur für die Verwaltung der Forschung, sondern primär für die Forschung selbst zur Verfügung zu stellen.

(Zuruf des Abg. Theurer FDP/DVP)

Es ist zu hoffen, dass diese Sicht in die endgültige Beratung in den nächsten Wochen Einzug findet. Der Stellenwert, den Baden-Württemberg der Forschung zuerkennt, sollte auch hier beispielgebend sein.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der FDP/ DVP – Abg. Theurer FDP/DVP: Sehr gut!)

Wenn von den zentralen Herausforderungen der Zukunft die Rede ist, dann ist weiterhin begrüßenswert, dass die Themenschwerpunkte des Programms ausgeweitet werden und das Programm wichtigen Feldern der Zukunft offen sein wird. Wichtige Themen wie Agrarforschung, Energieforschung, Verkehrsforschung, vor allem in einer nachhaltigen Betrachtung, werden gefördert werden.

Weiterhin soll sich gerade die Lebensforschung nicht nur auf die Genomik und die Biotechnologie beziehen, sondern das gesamte Spektrum der lebenswissenschaftlichen Forschung soll in seiner gesamten medizinischen und biowissenschaftlichen Breite in das Programm einbezogen werden. Ich nenne hier beispielhaft die Altersforschung, deren Weiterentwicklung angesichts der demographischen Entwicklung eine Herausforderung ist.

Weiterhin ist begrüßenswert, dass das Memorandum einfordert, dass die Themenbereiche nicht ausschließlich technologisch definiert werden, sondern auch sozioökonomische und ethische Aspekte als übergreifende Anforderungen festgeschrieben werden. Ein herausragendes Beispiel ist die embryonale Stammzellenforschung. Hier bedarf es eines europäischen Konsenses über die Forschungsförderung.

Meine Damen und Herren, am 10. Dezember wird im Forschungsrat der EU ein gemeinsamer Standpunkt zum 6. Forschungsrahmenprogramm verabschiedet werden. Wesentliche Punkte des Memorandums der Landesregie

rung werden übernommen werden. Dies ist eine Chance für die baden-württembergischen Einrichtungen der Forschung und Wirtschaft, sich rechtzeitig auf kommende Veränderungen der Förderung einzustellen und auch eingestellt zu werden.

Es ist im Übrigen erwähnenswert und auch begrüßenswert, dass sich Bundesforschungsministerin Bulmahn beim Land Baden-Württemberg für die Unterstützung gegenüber dem Bundeskanzler und der Europäischen Kommission bedankt hat. Das spricht nicht nur für das Memorandum, sondern auch – ich gebe das gerne zu – für die Frau Ministerin.

Kollege Reinhart hat zu Recht auf die grundsätzliche Problematik der schwindenden Einflussnahme der Länder gegenüber Europa hingewiesen. Mit der Durchsetzung der Aufnahme wichtiger Gesichtspunkte des Memorandums in das europäische Forschungsprogramm hat Baden-Württemberg wesentlich Einfluss genommen, und wir können selbstbewusst sein, ohne Sonntagsreden halten zu müssen, Herr Salomon.

Ich denke, die Opposition kann sich den anerkennenden Worten der CDU zu dem Memorandum zustimmend anschließen. Das hat sie gestern zumindest bei einem Tagesordnungspunkt schon erfolgreich geübt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erhält Herr Abg. Wichmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem hier heute die Zitate der Ur-Ur-Ur-Großväter der CDU im Raum verhallt sind, möchte auch ich mit einem Zitat anfangen, das ein bisschen zur Debatte passt. Von Hegel stammt der Ausspruch:

Der beste Beweis für die Absicht ist die Tat.

(Abg. Dr. Caroli SPD: Was?)

Der beste Beweis für die Absicht ist die Tat.

(Abg. Dr. Salomon GRÜNE: Und Hegel war Sozi- aldemokrat?)

Hegel war zumindest einer unserer Vorläufer.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Salomon GRÜNE)

Aber ich will jetzt nicht über die Tradition der Sozialdemokratie sprechen, sondern über das 6. Forschungsrahmenprogramm. Da muss ich schon sagen – der beste Beweis für die Absicht ist die Tat –: Es kam relativ spät in den Ausschuss, und heute, wenn wir darüber sprechen, hat das Europäische Parlament schon die Abschlussfassung dessen, was da drinsteht, beschlossen. Es ist eine Unterlage von im Moment 165 Seiten mit insgesamt 360 Änderungsanträgen, deren Lektüre nicht unbedingt vergnügungsteuerpflichtig ist.

In diesem Zusammenhang relativiert sich dann auch das relativ gute Memorandum der CDU-Landesregierung mit einem Umfang von 8 Seiten.

(Heiterkeit bei der SPD)

Richtig erscheint uns, dass die Landesregierung die Doktorandenausbildung als wichtig erachtet und in den Mittelpunkt gestellt hat und dass sie die Hochschulen nach wie vor als entscheidendes Zentrum für Nachwuchsförderung und Ausbildung bezeichnet. Darauf, dass sich die Landesregierung dafür ausspricht, im Bereich der Lebenswissenschaften die Beschränkung auf Genomik und Biotechnologie aufzugeben, ist die Kollegin schon eingegangen.

Was fehlt – übrigens in einem Hochforschungsland wie Baden-Württemberg –, ist: Es gab kein Wort über die grüne Gentechnologie. Ich kann Sie beruhigen: Es steht im Bericht drin. Zumindest in der mittel- und langfristigen Planung eines solchen Programms sollte man das aufgrund der hiesigen Infrastruktur aber mit aufnehmen.

Wir finden es gut, dass die Landesregierung sagt, wir sollten weiterhin problemorientierte Ansätze aufgreifen, das heißt, dass horizontale Forschungsmaßnahmen, die interdisziplinär ablaufen, Eingang in dieses Forschungsprogramm finden.

Weniger gut finden wir, dass die Landesregierung die Förderung der geforderten Exzellenznetzwerke auf fünf Jahre beschränken will. Wir sind der Auffassung, dass man die Frage dieser Exzellenznetzwerke überhaupt einmal diskutieren muss.

(Beifall des Abg. Dr. Caroli SPD)

Denn wir haben hier Großforschungseinrichtungen, die nur in vorgegebenen Themenfeldern arbeiten und die mit einem immensen Verwaltungsaufwand eine Forschung betreiben, deren wissenschaftlicher Nutzen, verglichen mit kleinen und innovativen Lösungsansätzen von europaübergreifenden Gruppen, nicht mithalten kann, die aber jede Menge Geld binden und nach dem Vorschlag für das 6. EU-Forschungsrahmenprogramm jeweils mit mehreren Millionen Euro ausgestattet werden.