International ist bei dieser Kommission nur, dass man in der Schweiz, in Frankreich, in den USA und in Schweden suchen musste, um genügend atomfreundliche Wissenschaftler zu finden, die einem jegliches Gutachten, das man haben möchte, schreiben.
Vielleicht ist es aber bei Ihnen auf der Regierungsbank auch schon international, wenn außer Schwäbisch noch Hessisch und Bayerisch dazukommt. Vielleicht meinen Sie, man befinde sich dann schon im internationalen Bereich.
Der Gründungsgedanke war – so steht das drin –, den hohen, international anerkannten Sicherheitsstandard der süddeutschen Kernkraftwerke zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Damals dachte man noch, man sei in Süddeutschland im Bereich der Kernkraft unter den Blinden der Einäugige. Wenn man sich das aber heute betrachtet und sich vor allem die Vorfälle im Kernkraftwerk Philippsburg Block II ansieht, muss man sagen: Zumindest wir in Baden-Württemberg sind in der Atomaufsicht völlig blind.
Das Mindeste wäre gewesen, dass die ILK hierzu ein paar Meinungen geäußert hätte. Aber es war nichts. Null, Fehlanzeige! Die ILK hat hierzu nichts gesagt.
Dieser fatale und jämmerliche Umgang der Landesregierung mit den eigenen Fehlern beschädigt nachhaltig den Ruf unseres Landes als Standort von Spitzentechnologie.
Damit ist dies auch ein Problem des Ministerpräsidenten, der den Umweltminister schon deshalb gewähren lässt, weil er erstens selbst für die personelle Fehlbesetzung in der Atomaufsicht maßgeblich verantwortlich ist und weil er zweitens wahrscheinlich in ganz Deutschland keine so verbohrten atomtreuen Nuklearschläfer wie Müller und Keil mehr findet.
Herr Abg. Knapp, ich darf Sie noch einmal bitten, zum Ende zu kommen. Sie haben Ihre Redezeit bereits um zwei Minuten überzogen.
Halten Sie sich einfach an unsere Vorschläge: Berufen Sie Herrn Prêtre nicht! Das ist aber bereits geschehen; da hat man für Sie gehandelt. Kündigen Sie die ILK auf! Schmeißen Sie den von Ihrem Chef Teufel eingesetzten Atomaufseher Keil hinaus, und nehmen Sie von sich selbst den Druck, dem Sie nicht standhalten, indem Sie Ihr Amt verlassen!
(Beifall bei der SPD und der Abg. Theresia Bauer GRÜNE – Abg. Kurz CDU: Nicht ein Satz zur Sa- che!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Tag für Tag liest man, dass der Minister stärker unter Druck kommt. Da ist es schon bemerkenswert, dass die CDU-Fraktion hier quasi geschlossen auszieht. Normalerweise müsste die CDU-Fraktion doch ihren Minister stützen. Sie tut genau das Gegenteil: Sie ignoriert ihn. Das spricht Bände.
Ich kann nach allem, was wir in den letzten vier Wochen erleben durften, nur sagen: Heute gibt es bedeutend mehr Gründe für einen Rücktritt von Minister Müller, als das noch vor vier Wochen und als das am 24. Oktober der Fall war.
Ich will nur einmal wiederholen: Vier Wochen hat es bekanntlich gedauert, bis der oberste Atomaufseher dieses Landes erstmals einen Schimmer davon bekommen hat, dass das Ereignis bei dem von der EnBW betriebenen Kernkraftwerk Philippsburg kein harmloses Ereignis, sondern ein ausgewachsener Störfall war. Und nicht etwa der zuständige Abteilungsleiter Keil hat den Minister darüber informiert, sondern er hat es in der Homepage seines politischen Intimfeinds Trittin lesen dürfen. Allein das ist ein Skandal, denke ich.
Dann wird er von Herrn Trittin zu einem so genannten aufsichtlichen Gespräch nach Berlin bestellt, und das stellt sich mittlerweile auch etwas anders dar, als Sie das hier im Plenum geschildert haben. Wenn man den Artikel in der „Stuttgarter Zeitung“ unter der Überschrift „Zwei Stunden Nachhilfe zu den Risiken der Kernkraft“ richtig liest, bekommt man den Eindruck, dass eine mehr oder weniger ahnungslose Combo, an der Spitze der Minister, in Richtung Bundeshauptstadt unterwegs war, der man in zwei Stunden eine Art Crashkurs über die Grundzüge des geltenden Atomrechts geben musste. Das ist der zweite Skandal.
Wenige Tage später, meine Damen und Herren, erfährt Herr Abteilungsleiter Keil, dass die erforderlichen vier Flutbehälter von Block II in Philippsburg zum Zeitpunkt des Wiederanfahrens nicht im vorgeschriebenen Umfang mit Kühlmittel gefüllt waren, und das nicht nur einmal, sondern seit 17 Jahren.
Keil wusste mit Sicherheit auch, dass der TÜV in der ganzen Zeit sämtliche Augen zugedrückt haben muss.
Obwohl er das wusste – jetzt nimmt die Tragödie ihren weiteren Lauf –, hat Herr Keil den Minister nicht informiert, sondern hat ihn wiederum im Blindflug fliegen lassen. Auf der Pressekonferenz drei Tage später – man konnte das alles nachlesen – fällt kein Wort über diese Angelegenheit. Alles wird „verschwiemelt“. Das ist klar. Was soll der Minister auch sagen? Er weiß ja nichts. Keil hat ihn ja nicht informiert.
Dann ruft Herr Goll den Minister an und sagt ihm: Ihr bekommt jetzt den endgültigen Abschlussbericht. Der Minister wusste gar nicht, worüber. Er musste erst einmal Herrn Keil fragen. Als er sich darüber am nächsten Tag im Kabinett aufgeregt hat, hat Herr Teufel – das ist auch eine taktische Meisterleistung – gesagt: Wir halten das Ganze unter der Decke, und du hältst die Klappe; wir decken dich.
Wenn ich an die Sitzung von vor drei Wochen zurückdenke, muss ich sagen: Ich habe gesehen, wie alle dem Minister zu seinem abgewehrten Rücktritt gratuliert haben. Ihm stand ja der Angstschweiß auf der Stirn. Wahrscheinlich haben sie ihm zugeflüstert: Gut, dass wir dichtgehalten haben. Die waren ja alle kreidebleich.
Herr Minister, aus heutiger Sicht ist mir eigentlich völlig egal, ob Sie gelogen haben oder versucht haben, die Öffentlichkeit darüber hinwegzutäuschen, dass es Ihnen peinlich war, dass die Keil-Gruppe im Haus früher Bescheid wusste als Sie und Sie nicht mehr Herr im Haus sind. Ich kann nur sagen: Aus der Sicht der politischen Verantwortung ist mir das egal. Aber schon einer der Gründe, der eine oder der andere, reicht normalerweise für einen Ministerrücktritt aus. Sie haben Ihr Haus nicht im Griff.
Wie sehr die Keil-Abteilung Sie am Nasenring durch das Ministerium führte und bis heute führt, das kann man auch eindrücklich an der Prêtre-Nummer sehen. Das ist alles herausgekommen, obwohl Sie nicht wussten, was Herr Prêtre geschrieben hat. Das steht alles in der „Atomwirtschaft“ geschrieben. Die „Atomwirtschaft“, das ist die „Prawda“, die Bibel der ganzen Atomwirtschaft, wie der Name „Atomwirtschaft“ schon sagt. Das liest jeder von denen; das haben die auf dem Nachtkästle liegen. Nur Ihr Ministerium wusste nichts; das heißt, das Ministerium schon, nur Sie nicht! Herr Keil wusste das natürlich. Da muss man einmal nachlesen, wer den Prêtre überhaupt als Atomaufsicht installieren wollte, damit er sich selbst kontrolliert. Das war doch Herr Keil.
Herr Müller, haben Sie eigentlich überhaupt eine Ahnung, was in Ihrem Haus läuft? Ich glaube, nicht.
Jetzt, nachdem es einfach nicht mehr haltbar war, zieht Herr Prêtre zurück. Sie hätten ihn zurückziehen müssen. Was Sie trotzdem machen, das ist Salamitaktik. Denn er ist immer noch Chef der ILK, dieser Internationalen Länderkommission Kerntechnik, Chef von diesem Verein, der bislang überhaupt nichts dazu beigetragen hat, auch nur irgendetwas in diesem Land aufzuklären.
Ich will nur drei Punkte nennen: Die Diskussion um die Entwendung hochradioaktiver Substanzen aus der Karlsruher WAK: Kein Ton. Nichts! Die Diskussion um mögliche Terrorangriffe auf Kernkraftwerke: Nichts! Fehlanzeige! Störfälle in Philippsburg: Nichts! Totale Fehlanzeige!
Das Einzige, was funktioniert hat, ist die Atomaufsicht in Berlin; in Ihrem Haus findet keine Atomaufsicht statt.
Ich kann nur sagen: Katastrophaler als in der Art, wie Sie in Bezug auf die Bewältigung der Affäre rund um Philippsburg, die Zustände in der Atomaufsichtsabteilung des Ministeriums, beim TÜV und bei Ihrem Obergutachter Prêtre bislang agiert haben, geht es nun wirklich nicht mehr.
Ich fordere Sie deshalb zum wiederholten Mal auf: Räumen Sie in der Atomaufsicht Ihres Ministeriums auf! Machen Sie Schluss mit dieser Gurkentruppe ILK! Die kostet eine Million, bringt aber überhaupt nichts. Was soll das eigentlich? Schicken Sie drittens den TÜV Süddeutschland als Gutachter für die kerntechnischen Anlagen in BadenWürttemberg endlich so lange in die Wüste, bis bei ihm wieder ein halbwegs akzeptables Grundverständnis dafür herrscht, was eigentlich seine Aufgabe ist!
Und schließlich letztens: Da bekommt man ja schon selber Skrupel; in gewisser Weise tun Sie mir eigentlich Leid.
Sie haben vor einigen Monaten einmal selbst gesagt, Politiker stolperten in den meisten Fällen gar nicht über die Affären selbst, sondern über das Handling, über das Umgehen mit diesen Affären. Wenn man das, was in den letzten drei bis vier Wochen nach Ihrem letzten Auftritt alles war, jetzt einmal Revue passieren lässt, muss man sagen: Wenn Sie morgens in den Spiegel schauen sollten und das noch einigermaßen genießen wollen, dann können Sie nur eines machen: Treten Sie zurück, machen Sie den Weg frei für einen neuen Minister und eine neue Atomaufsicht, die ihrem Namen dann auch Ehre macht! Denn das, was wir hier als Atomaufsicht haben, ist keine Atomaufsicht, sondern eine Atomwegsicht.