Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

hinauf bis 89 % in Konstanz. Für die Universitätsstädte, die ich genannt habe, kann man also schon einmal Entwarnung geben, Herr Gaßmann.

Ähnlich eindeutig ist die Situation in Heilbronn, Pforzheim, Reutlingen und Ulm. Diese Städte sind wegen ihres guten Wohnungsmarktes schon früher bei der Aktualisierung aus der Verordnung herausgenommen worden. Die Werte liegen dort noch bei weit über 93 %. Das ist also kein Problem. Sie können schon einmal anfangen, etwas abzulegen, Herr Gaßmann.

Nun reduziert sich das Problem also auf die Städte Karlsruhe, Stuttgart und Mannheim. Bei Mannheim – das haben Sie ausgeführt – hat man sogar noch ein bisschen Klimmzüge gemacht, um dem Gemeinderat entgegenzukommen, und hat gesagt: Wir nehmen euch in den Geltungsbereich der Verordnung auf. Niemand in diesem Landtag käme auf die Idee, jetzt zu sagen: Wir sind anderer Meinung als der Gemeinderat in Mannheim. Sie wären der Erste, der sagen würde: Wie könnt ihr denn eine andere Meinung haben als der Gemeinderat von Mannheim!

(Abg. Nagel SPD: Da haben Sie einmal ausnahms- weise Recht, Herr Hofer!)

Sehen Sie, und es wird noch besser.

Jetzt wird noch eines gemacht, auf das ich Sie hinweisen möchte. Für die Kommunen wird vernünftigerweise ein Einschätzungskorridor bei 90 bis 93 % festgelegt. Denn die quantitativen Merkmale einer Unterversorgung geben nicht das Gesamtbild wieder. Es müssen qualitative Merkmale hinzukommen, die von Ort zu Ort sehr verschieden sein können.

Deshalb verlangen Sie in Ihrem Antrag richtigerweise, die Situation auf Teilmärkten zu beobachten: Wohnungs- und Sozialstruktur, Einkommensverhältnisse, ob der Bereich im Stadtkern liegt oder außerhalb. Das kann nur vor Ort sinnvoll geschehen. Sie sind doch diejenigen, die bei jeder Verwaltungsreform sagen: Die örtlichen Gegebenheiten muss man vor Ort – regional und kommunal – beurteilen. Dann muss das hier auch so sein.

Deshalb reduziert sich das alles auf die Stadt Stuttgart. Lassen Sie mich das abschließend sagen.

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Ich habe ja noch eine Minute.

In Stuttgart ist der Gemeinderat aufgrund der örtlichen Verhältnisse in dem Bereich, in dem er selber entscheiden kann, mit ganz knapper Mehrheit zu dem Ergebnis gekommen, dass er ein solches Zweckentfremdungsverbot nicht für erforderlich hält. Dagegen sind Sie, Herr Gaßmann, vom Mieterbund vor Ort zu Felde gezogen, das ist ja ganz klar. Das ehrt Sie auch. Aber Sie haben sich beim Gemeinderat nicht durchgesetzt.

Jetzt, meine Damen und Herren, kann es doch nicht sein, dass man die Frage, auf welcher Ebene etwas entschieden wird, danach beurteilt, ob man mit einer Entscheidung zufrieden ist – wie in Mannheim – oder ob man mit ihr unzu

frieden ist, wie in Stuttgart. Das kann doch wohl nicht sein. Das widerspricht jeglicher Vernunft.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Abg. Dr. Lasotta CDU: Damit würde das Parlament ja instrumentalisiert werden! Das geht doch nicht! Das wäre ein Bärendienst von der SPD!)

Wenn wir dann noch davon ausgehen, meine Damen und Herren, dass bei jeder Änderung eine Aktualisierung stattfindet, dann kann, denke ich, Herr Gaßmann, die Kampfmontur abgelegt werden, und was darunter hervorkommt, ist nicht mehr von großer Bedeutung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU – Abg. Mack CDU: Guter Mann! – Abg. Al- fred Haas CDU: Die Uneinigkeit der SPD-Fraktion in dieser Frage ist jetzt deutlich geworden!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! In den Großstädten gehen zunehmend Wohnungen verloren, insbesondere große Wohnungen, weil sie umgewandelt werden, zum Beispiel in Büros oder Arztpraxen.

(Abg. Scheuermann CDU: Arbeitsplätze!)

Das reduziert den Wohnraum in den Städten und drängt Familien aus den Zentren hinaus.

(Abg. Dr. Lasotta CDU: Dann dürften die Arztpra- xen gar nicht mehr überleben können!)

Wer für lebenswerte Städte eintritt, der muss dafür sorgen, dass Familien bezahlbare Wohnungen finden, also Familien, die keine modernen Wohnungen zahlen können. Wer die Zweckentfremdung befördert, der wirkt dem klar und deutlich entgegen.

Herr Haas, gerade die CDU laviert in dieser Frage und äußert sich mal so, mal so. Ich möchte das an den beiden Städten, die Herr Hofer genannt hat, verdeutlichen.

Es gibt ja ein Kriterium dafür – darüber kann man auch diskutieren –, wann der besondere Wohnungsbedarf vorliegt und wann nicht. Schauen wir uns einmal die Stadt Mannheim an, die dieses Kriterium nicht erfüllt. Da entdeckt die CDU in Mannheim – es stehen immmerhin OBWahlen vor der Tür – mit einem Mal ihr Herz für die Mieter und pocht vehement darauf, dass das Zweckentfremdungsverbot kommt. Sie hat sich durchgesetzt – ich sage: zum Glück. Aber hier in Stuttgart, wo das Kriterium erfüllt ist, da stimmt die CDU anders herum, da geht es nicht in die Verordnung rein. Die Möglichkeiten der Zweckentfremdungsverordnung werden nicht genutzt.

Die CDU laviert herum, hier so und dort so. Ich fordere eine einheitliche Linie im Sinne der Mieter in den Ballungsräumen.

(Zuruf: Das kann nur für alle Städte gleich sein!)

Deshalb unterstützen wir Grünen den Antrag der SPD, die Gebietskulisse für das Zweckentfremdungsverbot und den erweiterten Kündigungsschutz auszuweiten.

(Abg. Capezzuto SPD: So ist es!)

Denn andernfalls würde man eine Politik machen, die die Immobilienspekulanten und Schnäppchenjäger begünstigt. Die Familien, die die hohen Neubaumieten nicht bezahlen können, würden ins Umfeld verdrängt, und die Städte würden dann veröden.

Ich darf für diese Forderung noch ein paar Gründe ergänzend zu dem, was Herr Gaßmann sagte, anführen. Wir haben derzeit sozial gebundene Wohnungen in den Ballungsräumen. Im Jahr 2000 waren im Land 160 000 Wohnungen sozial gebunden und hatten verträgliche Mieten. Dieser sozial gebundene Wohnungsbestand wird aber in den nächsten Jahren dramatisch abnehmen. Dadurch wird sich gerade für Familien in den Ballungsräumen die Wohnraumsituation verschärfen. Die Zahlen entnehme ich dem Bericht der Wohnungskommission des Landes: Bis zum Jahr 2006, also innerhalb von sechs Jahren, wird sich dieser Bestand an Sozialwohnungen etwa auf die Hälfte, also auf 80 000, reduzieren, und bis zum Ende dieses Jahrzehnts wird der Bestand auf etwa 40 000 sinken.

Das Problem bezahlbarer Wohnungen wird sich in den nächsten Jahren dramatisch verschärft stellen, insbesondere auch deshalb, weil das Land im Bereich des sozialen Mietwohnungsbaus derzeit nichts, zumindest fast nichts tut. Sehr wenig sind die 350 Wohnungen im Landeswohnungsbauprogramm. Damit wird der Abbau von Sozialmietwohnungen in keiner Weise kompensiert werden können.

(Abg. Hauk CDU: Sie haben doch alle Rahmenge- setze so geändert, dass kein Interesse mehr besteht, dass jemand überhaupt Wohnungen baut! Das ist das Problem! – Beifall bei Abgeordneten der CDU – Widerspruch bei der SPD und den Grünen)

Wenn wir mehr Geld für das Landeswohnungsbauprogramm fordern, sagen Sie: Wir haben kein Geld, es sind Sparzwänge da usw. Jetzt gibt es in diesem Bereich eine Möglichkeit, preiswerten Wohnungsbestand zu sichern, ohne dass das Land Geld dazugeben muss. Diese Möglichkeit wollen wir nutzen. Es ist unsere Politik, dass wir für Familien eintreten.

(Abg. Hauk CDU: Das ist die alte Leier, Dirigis- mus pur! Das ist Planwirtschaft!)

Wir wollen lebenswerte Städte. Wir wollen, dass Familien zu bezahlbaren Mieten in Ballungszentren wohnen können. Deshalb unterstützen wir diesen Antrag.

(Beifall bei den Grünen und der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Gaßmann.

(Abg. Gaßmann SPD geht vom Rednerpult noch einmal zu seinem Abgeordnetenplatz zurück. – Zu- rufe)

Ich habe noch einen Brief mitgenommen, um eine Frage zu beantworten.

Herr Mack hat ja polemisiert,

(Widerspruch bei der CDU – Zuruf von der CDU: Das war sachlich!)

dass die zehnjährige Kündigungssperrfrist ein furchtbarer Eingriff in das Eigentum sei. Ähnliche Äußerungen habe ich von der rechten Seite gerade auch noch gehört. Herr Mack, hören Sie einmal zu, damit Sie das begreifen.

Die zehnjährige Kündigungssperrfrist ist unter der KohlRegierung Anfang der Neunzigerjahre eingeführt worden mit der Mehrheit von CDU/CSU und FDP, weil damals die Umwandlungsspekulation so grassiert hat, dass die Kündigungssperrfrist das einzige Mittel war, die Umwandlungsspekulation in einen bestimmten Rahmen hineinzubekommen.

(Beifall bei der SPD)

Und jetzt geht es wieder so los wie damals. Jetzt behaupten Sie, das sei Dirigismus. Ich sage es noch einmal: Diese dirigistische Maßnahme ist unter einer Regierung Kohl entstanden.

Zweitens sagen Sie, die Mehrheitsbeschlüsse des Gemeinderats seien für Sie das Ausschlaggebende. Schon vor einem Jahr hat der Gemeinderat von Mannheim deutlich erklärt, dass er eben nicht will, dass das Zweckentfremdungsverbot aufgehoben wird. Trotzdem haben Sie es vor einem Jahr aufgehoben. Inzwischen haben Sie gemerkt, dass das ein großer Fehler ist. Sie haben auch gemerkt,

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

dass bald OB-Wahlen sind und dass Sie deswegen diese mieterfreundliche Vorschrift dort wieder einführen müssen.

Lassen Sie mich drittens noch sagen: Sie haben für den Wohnungsversorgungsgrad eine Zahl von 90 % angeführt. In allen Unterlagen ist aber von 93 % die Rede. Stuttgart unterschreitet diesen Wert deutlich.

(Abg. Hofer FDP/DVP: Nein!)

Nach allen Zahlen! Das lässt sich nachrechnen.