Es ist aber auch Aufgabe staatlicher Integrationspolitik, zu einer gleichberechtigten Teilnahme und Teilhabe am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben auf der Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes hinzuführen.
Die Integrationspolitik des Staates muss nicht nur die generellen Rahmenbedingungen hierfür schaffen, sondern insbesondere auch die konkreten Voraussetzungen dafür, dass die bei uns lebenden Migranten und Migrantinnen die Befähigung erlangen können und tatsächlich auch erlangen, in den Prozess der Integration einzutreten. Das ist in erster Linie die Befähigung zum Eintritt in den wechselseitigen Dialog, und das heißt Kenntnis unserer deutschen Sprache.
Die besondere Bedeutung, die der Schule in diesem Zusammenhang zukommt, Herr Wintruff, ist uns allen klar und offenkundig. Zu betonen ist aber auch, dass es ein Irrtum wäre, zu meinen, dass sich die Integrationsaufgabe der Schule hinsichtlich ihres Umfangs sowie auch hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades dadurch reduziert hätte, dass die Zahl der neu zu uns kommenden Aussiedler gegenüber dem Anfang der Neunzigerjahre stark zurückgegangen ist und dass wir es bei den Kindern von Ausländern vor allem mit Kindern der dritten Generation zu tun haben, also Kindern, deren Eltern bereits hier bei uns geboren und aufgewachsen sind.
Ich möchte dieses besondere Problem hier einmal hervorheben. Gerade bei diesen Kindern haben sich nämlich die Voraussetzungen für eine Integration weithin eher ver
schlechtert als verbessert. Es gibt dafür, wie wir alle wissen, eine Vielzahl von Gründen, angefangen bei der Tatsache, dass viele dieser Kinder großenteils bei den selbst nicht oder kaum deutsch sprechenden Großeltern aufgewachsen sind, bis hin zu Erscheinungen der bewussten und gewollten Abschottung gegenüber Einflüssen einer Kultur, die von ihnen nicht nur weithin als fremd, sondern auch als negativ und bedrohlich empfunden wird.
Meine Damen und Herren, wir debattieren auf der Grundlage der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU sowie der Stellungnahme zum Antrag der Grünen. In der Sache gehört ferner dazu die Stellungnahme zum Abgeordnetenantrag vonseiten der SPD Bestandsaufnahme Integrationsmaßnahmen, die uns ja ebenfalls bereits vorliegt.
Die dort in vielen Details gegebenen Antworten und Auflistungen machen deutlich, welche Vielzahl von Maßnahmen zur Förderung der Bildungschancen ausländischer Schülerinnen und Schüler und zu ihrer schulischen Integration in Baden-Württemberg ergriffen worden sind.
Frau Queitsch, wenn ich vorhin dazwischen gesprochen habe, dann deshalb: Ich habe nicht gesagt, wir hätten das, sondern habe gesagt: Wir machen das. Das war eigentlich im Grunde eine Bestätigung Ihrer Vorstellungen, zu denen ich jetzt gleich auch noch komme.
Ja, ist schon recht. Es kann hier nicht darum gehen, dies alles jetzt noch einmal vorzutragen. Es führt aber natürlich auch nicht weiter, lediglich zu fordern, es müsse noch mehr getan werden.
Erstens: Die Aufgabe der intensiven sprachlichen und pädagogischen Betreuung von ausländischen Schülerinnen und Schülern sowie der Kinder von Ausländern ist nach Umfang und Inhalt nicht geringer geworden. Darauf habe nicht nur ich hingewiesen, sondern dieselbe Feststellung wird ausdrücklich auch im Bericht des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport zum Staatshaushaltsplan 2002/03 getroffen.
Zweitens: Die von mir skizzierte Situation der Kinder der dritten Generation bedeutet konkret: Diese Kinder haben nicht nur erhebliche Sprachdefizite übrigens zumeist nicht nur hinsichtlich der deutschen, sondern auch hinsichtlich der Herkunftssprache , sondern diese Kinder haben in großem Umfang auch erhebliche Sozialisationsdefizite. Durch Maßnahmen, die erst im Schulalter einsetzen da stimme ich Ihnen ja zu, Frau Queitsch , kann dieses Problem nicht bzw. allenfalls teilweise bewältigt werden. Schule kommt hier in der Regel zu spät.
Das heißt, wir müssen einen Teil unserer Anstrengungen auf den vorschulischen Bereich konzentrieren. Kollege Wacker hat ja schon darauf hingewiesen. Hierzu gehört ei
ne entsprechende Qualifizierung der Erzieher und Erzieherinnen das steht auch in unserem gemeinsamen Antrag , gehört aber etwa auch, dass verstärkt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit interkulturellem Hintergrund geworben und eingesetzt werden müssen.
In diesem Zusammenhang weise ich im Übrigen auch darauf hin, dass die Bewältigung des Problems der Sprachund Sozialisationsdefizite dieser Kinder auch einen verstärkten und gezielten Ansatz bei den Eltern voraussetzt.
Wir brauchen deren Unterstützung, und dazu gehört es auch das ist richtig , dass man sie in der deutschen Sprache unterrichtet.
Drittens: Dem Primarbereich, also der Grundschule, kommt ebenfalls herausragende Bedeutung für die Bewältigung der Integrationsaufgabe zu wie schon bisher. Auch hier wäre es zu einfach, lediglich eine Verstärkung bestehender Maßnahmen wie Vorbereitungsklassen, Förderkurse usw. zu fordern.
Ich hatte kürzlich die Gelegenheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Grundschule mit einem Ausländeranteil von über 90 % Kinder aus insgesamt 25 Nationen zu besuchen. Es handelt sich um die Jungbusch-Grundschule in Mannheim und wohl um die erste Ganztagsgrundschule in Baden-Württemberg.
Ich kann hier nicht im Einzelnen aufzählen, was mir an dieser Schule alles gefallen hat, was mich beeindruckt hat und was nicht. Aber dazu gehört zum einen die klare Aussage des Schulleiters, dass man mit der aufgrund des Ganztagsbetriebs derzeit erfolgenden zusätzlichen Stundenzuweisung grundsätzlich hinkomme in Klammern gesprochen: wenn auch bei Krankheitsfällen nicht ganz ohne Probleme. Dazu gehört zum anderen die Tatsache, dass es dieser Schule gelingt, für nahezu alle Kinder mit den sprachlichen und sozialen Defiziten, von denen ich gesprochen habe, mit zum Teil gravierenden Entwicklungsstörungen die Aussprache einer Grundschulempfehlung, also den Anschluss an eine weiterführende Schule, zu erreichen, davon in 30 % aller Fälle für den Übergang auf die Realschule und zu einem geringen Anteil für den Übergang auf das Gymnasium.
Ich bin also davon überzeugt, dass wir auch und gerade im Bereich der Grundschule das Angebot und so habe ich Ihre Rede auch verstanden, Frau Rastätter an Ganztagsschulen deutlich ausbauen und ausweiten müssen.
Viertens und letztens: Im Bereich der weiterführenden Schulen scheint es mir richtig, im Zusammenhang mit der Aufgabe der schulischen Integration ausländischer Kinder auch über integrative Schulkonzepte neu und ideologiefrei nachzudenken. Den Beleg dafür liefert wiederum Mannheim, genauer Mannheim-Herzogenried mit einer der in
Baden-Württemberg verbliebenen früheren Integrierten Gesamtschulen, heute Schulen besonderer Art.
Meine Damen und Herren, vieles Einzelne werden wir im Schulausschuss näher zu beraten haben; dort wird man in die Details gehen müssen. Eines jedoch ist ohne Wenn und Aber klar: Wir werden uns der Aufgabe der schulischen Integration ausländischer Kinder weiterhin und verstärkt annehmen müssen und ich füge hinzu: nicht nur im Interesse dieser Kinder, sondern auch im Interesse unserer ganzen Gesellschaft.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unsere Schulen leisten einen hohen Beitrag zur Integration,
ja, ich gehe so weit zu sagen: Es gibt vermutlich keine andere öffentliche Institution, in der es so viel Erfahrung mit Integration gibt, in der es so viel Erfahrung mit Internationalität gibt und in der auch in den vergangenen Jahren so viele wirksame Impulse für die Integration von Kindern und Jugendlichen gesetzt wurden. Für Baden-Württemberg füge ich hinzu: Die Jugendarbeitslosigkeit, und zwar in Bezug auf Jugendliche bis zum Alter von 25 Jahren, ist in Deutschland und in Europa nirgends so niedrig
(Beifall bei der CDU und des Abg. Kleinmann FDP/DVP Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE Abg. Margot Queitsch SPD: Mit JUMP und ähnlichen Programmen hat das zu tun!)
das hat mit guten Chancen in Bildung und Ausbildung zu tun für Jugendliche, die hier im Land geboren sind, und für Jugendliche, die aus anderen Ländern kommen.
(Abg. Zeller SPD: Und mit dem JUMP-Programm! Abg. Kleinmann FDP/DVP: Und hat zu tun mit der guten Wirtschaftspolitik! Abg. Schmiedel SPD: Und was macht die Landesregierung?)
Ich nenne Ihnen ein Beispiel, weil Sie von Taten gesprochen haben und weil Sie den Eindruck erwecken: Jetzt gehts erst richtig los mit Integration, bislang ist nichts gelaufen außer politischer oder pädagogischer Lyrik.
Ich nenne Ihnen ein sehr konkretes Beispiel, wo Bildungschancen und Lebenschancen ganz eng miteinander verknüpft sind. 1990 betrug der Anteil der ausländischen Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag bei den jungen Männern 5,3 %, bei den jungen Frauen 7,1 %. Im Jahr 2000 betrug dieser Anteil der jungen Männer ohne Ausbildungsvertrag 2,6 %, der jungen Frauen 2,7 %. Wir sind uns alle einig: 2,6 % und 2,7 % sind noch genau 2,6 % und 2,7 % zu viel. Aber es zeigt sich doch, dass in diesen zehn Jahren etwas geschehen ist, eine Verbesserung, mehr als eine Halbierung bzw. Drittelung der Problemlagen. Das ist doch nicht vom Himmel gefallen, das hat sich doch nicht selbstverständlich ereignet,