Sie brauchen nicht zu rufen: Wow! Wir werden wahrscheinlich, wenn wir PISA diskutieren, ohne auf Fraktionen und Parteien zu schauen, und nur die Probleme betrachten, auch darauf kommen, dass wir manches vermasselt haben, weil wir gemeint haben, es wäre sinnvoll, mehr in die psychologische Richtung zu gehen, weniger auf Schönschreiben zu achten, weniger auf die Grundfertigkeiten wie Rechnen, Schreiben und Lesen zu achten. Da waren alle, Herr Zeller, dabei. Ich sage nicht: Fraktionen oder Parteien, sondern wir werden feststellen, dass wir in manchen Dingen zu weit gesprungen sind, und das möchte ich gerade beim Religionsunterricht vermeiden.
Ich möchte den bekenntnisorientierten Religionsunterricht als das Regelfach schlechthin, und wer da austritt auch Neutralität des Staates; der Staat muss es gewähren, wenn man aus Bekenntnisgründen austritt , der geht dann in das Ersatzfach Ethik, das gleichwertig angeboten werden soll.
Herr Kollege Kleinmann, wenn Sie die Tatsache, dass jemand sein Kind nicht in den Religionsunterricht schickt, in die Nähe eines Verbrechens rücken,...
... also in die Nähe eines pädagogischen Verbrechens rücken, wollen Sie dann die konfessionslosen Eltern dazu zwingen, ihre Kinder in den Religionsunterricht zu schicken?
Herr Kretschmann, Sie lieben die Sophistik, das weiß ich. Ich schätze Ihre Sophistik auch sehr. Aber es ist trotzdem völlig falsch, was Sie jetzt hier dargelegt haben. Ich habe gesagt, ich hielte es für völlig falsch, unseren Kindern, den Schülerinnen und Schülern das Fundament der christlichen Religion, dargeboten im bekenntnisorientierten Religionsunterricht, zu entziehen. Ich halte nichts davon, wenn eine solche Diskussion aufkommt: Wir leben in einer säkularisierten Welt, also müssen wir dem auch im Religionsunterricht entsprechen, indem wir ein bisschen Islam machen, ein bisschen Christentum, aufgeteilt in evangelisch und katholisch, und dann noch ein bisschen Buddhismus, und am Schluss kennen die Schüler von allen Ethikvorstellungen irgendwelche Ansätze zumindest ein bisschen , sie können vielleicht auch die eine mit der anderen Vorstellung vergleichen, aber sie haben kein Fundament. Teleologisch gesehen, Herr Bayer, war Artikel 7 des Grundgesetzes Schutz des Religionsunterrichts tatsächlich so angelegt, nämlich als Schutz, damit diese Wertevermittlung so stattfindet, und zwar im christlich geprägten Abendland primär christlich und erst sekundär anders.
Da spricht zum einen der langjährige Assistent von Klaus Scholder am Lehrstuhl für Kirchenordnung, der Kirchenrecht und auch Staatskirchenrecht gelehrt hat, mein lieber Herr Zeller, und da spricht zum Zweiten ein Vater, der Angst hat, dass einem seiner Kinder durch irgendwelche dummen pädagogischen Maßnahmen die christliche Grundlage im Fach Religion entzogen werden könnte,
(Beifall bei der FDP/DVP und der CDU Abg. Teßmer SPD: Dann hätten Sie aber vorher als Va- ter versagt, Herr Kollege! Unruhe)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Grünen hat im Wesentlichen zwei Zielsetzungen: Der Ausbau des Ethikunterrichts soll bis zum Jahr 2006 abgeschlossen sein. Zugleich soll aber auch das Verhältnis der Fächer Religionslehre und Ethik zueinander neu bestimmt werden.
Unbestritten ist, dass das Kultusministerium bereits jetzt gesetzlich verpflichtet ist, den Ethikunterricht stufenweise in den einzelnen Schularten und Schulklassen einzuführen. Dem sind Schulpolitik und Schulverwaltung in den vergangenen Jahren nachgekommen. Es sei nochmals klargestellt: An den Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien einschließlich der beruflichen Gymnasien ist Ethik ab Klasse 8 ein fest etabliertes Schulfach.
Damit wurde angesichts der knappen Ressourcen auch der Schwerpunkt richtig gelegt. Mit Beginn des Erwachsenwerdens des jungen Menschen, wenn die Suche nach dem eigenständigen, vom Elternhaus losgelösten Leben beginnt, hält die Schule für Schülerinnen und Schüler ein Bildungsangebot bereit, in dem grundlegende Fragen der menschlichen Existenz besprochen werden und in dem, auch losgelöst von dem Druck, lehrplanmäßigen Stoff zu vermitteln, ein Gespräch über immer wiederkehrende existenzielle Grundfragen des menschlichen Lebens möglich ist.
Wenn nun vorgeschlagen wird, dieses Bildungsangebot auch auf die vorangehenden Klassen und auf alle beruflichen Schulen auszudehnen, so hat dies sicherlich auch eine pädagogische Begründung. Dies ist unbestritten. Aber auch eine gute pädagogische Begründung enthebt uns nicht der Pflicht zu rechnen. Wenn wir hier rechnen, so kommen wir zu dem Schluss: zurzeit nicht finanzierbar. Die Antragsteller sind in diesem Haus die Einzigen, die nicht zu diesem Schluss kommen. Ansonsten haben das alle Fraktionen ebenfalls deutlich erklärt. Das Land wendet bisher für den Ethikunterricht ca. 400 Deputate auf. Wenn wir dem Gesetzentwurf der Grünen folgen würden, so müssten bis zum Jahr 2006 weitere 1 070 Deputate dafür geschaffen werden. Wir haben diese Deputate derzeit nicht zur Verfügung. Wir können auch vom Landtag nicht erwarten, dass er in dieser Größenordnung zusätzliche Deputate für den Ausbau des Ethikunterrichts zur Verfügung stellt.
Dieses Haus hat bei den Haushaltsberatungen einen Schwerpunkt in der Bildungspolitik gesetzt und zur Versorgung der Schulen die zusätzlichen Ressourcen bereitgestellt. Ich bin allen, die an diesen Entscheidungen beteiligt
waren, sehr dankbar. Wir müssen aber anerkennen, dass die Grenzen des finanziell Machbaren damit erreicht sind. Wir können angesichts der anderen Aufgaben dieses Landes nicht erwarten, dass der Landtag jetzt noch einmal 1 070 Stellen für den Ausbau des Ethikunterrichts bereitstellt.
Der Gesetzentwurf strebt aber auch eine Neubestimmung des Verhältnisses von Religionslehre zu Ethik an. Hier sind einige deutliche Worte notwendig. Von Ihrer Seite, Frau Rastätter, wurde zwar beteuert, man wolle keine Säkularisierungsdebatte. Aber diese Rhetorik einerseits und der vorliegende Entwurfstext andererseits sprechen zwei verschiedene Sprachen. Hier sind sehr grundsätzliche Fragen angesprochen, die die Religiosität des Menschen und die staatliche Ordnung betreffen. Viele von uns werden den Satz unterschreiben können, dass die Religiosität des Menschen dem Einzelnen ein Sinn stiftendes Angebot und eine seelische Bereicherung verleihen kann.
Wir alle aber wissen, dass eine falsch verstandene, missbrauchte Religiosität zu einem gefährlichen Sprengsatz werden kann, indem die Religiosität zur Befestigung weltlicher Macht herangezogen wird oder, noch schlimmer, indem religiöse Eiferer aufgrund ihrer vermeintlichen Religiosität meinen, sich selbst zum Weltenrichter aufschwingen und über Leben und Tod entscheiden zu dürfen. Wir wissen dies aus den Geschichtsbüchern, wir erfahren es aber auch, wenn wir von den Büchern aufblicken und die Ereignisse der Gegenwart oder der allerjüngsten Vergangenheit verfolgen.
Wir alle wissen, dass die Verfassungen, vor allem der europäischen und der nordamerikanischen Staaten, hieraus die Konsequenz gezogen haben. Die religiöse Neutralität des Staates ist uns allen heute eine Selbstverständlichkeit. Sie dient der Aufrechterhaltung des Friedens.
In der deutschen verfassungsrechtlichen Entwicklung kam es dabei aber im Gegensatz zu anderen Ländern nicht zu einer völligen Trennung von Kirche und Staat, sondern zu einer Partnerschaft, soweit dies nach dem Neutralitätsgebot möglich ist. In Deutschland negiert der Staat also nicht einfach die Religiosität seiner Bürger, sondern er hilft ihnen, ihre Religiosität auszuüben, selbstverständlich unter Wahrung der staatlichen Neutralität.
In diesem Kontext ist Artikel 7 des Grundgesetzes zu verstehen. Der Staat weist hierin den Religionsgemeinschaften an den öffentlichen Schulen ein Feld der Erziehung zu. Religionsunterricht ist nach dem Willen des Grundgesetzes ein glaubensmäßig gebundener Bekenntnisunterricht. Da der Staat dies selbst nicht leisten kann, nimmt er die Religionsgemeinschaften in die Pflicht. Die Schule kann damit zwei Ziele erreichen: Sie kann über den Religionsunterricht den jungen Menschen in seiner Religiosität stärken, sie kann zugleich aber auch das friedliche und vom Geist der Toleranz geprägte Zusammenleben der verschiedenen Religionen einüben. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben damit in diesem sehr sensiblen Bereich die Justierschrauben klug eingestellt. Ich kann nur an alle gesellschaftlichen Kräfte appellieren, es dabei zu belassen. Des
Sie wissen, dass das Kultusministerium die Arbeit der Ethiklehrerinnen und Ethiklehrer sehr schätzt. Wir treffen bei diesen Lehrkräften aber auf Verständnis, wenn wir sagen, dass der Ethikunterricht nach seinem Selbstverständnis nicht das leisten kann, was nach dem Willen des Grundgesetzes dem Religionsunterricht zukommt. Religionslehre ist Bekenntnisfach. Ethik bleibt der staatlichen Neutralitätspflicht in religiösen Fragen unterworfen.
Es ist wichtig, dass die Kirchen die jungen Menschen über den Religionsunterricht erreichen. Nur für die Fälle, in denen dies nicht gelingt, ist das Fach Ethik vorgesehen. Dieses Fach ist daher gerade kein alternatives Wahlpflichtfach, sondern ein Auffangfach für Schülerinnen und Schüler, die am Religionsunterricht nicht teilnehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Grundsatzurteil vom 17. Juli 1998 klar und eindeutig bestätigt, dass die entsprechende schulgesetzliche Regelung Baden-Württembergs dem Grundgesetz entspricht. Das Bundesverfassungsgericht hat eine gegen dieses Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der Gesetzgeber in Baden-Württemberg hat damit eine gute und von den höchsten deutschen Gerichten bestätigte Lösung gefunden. An dieser Lösung wollen wir festhalten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland ist nach ihrer Verfassung ein säkularer Rechtsstaat. Das heißt, sie ist gerade kein laizistischer Staat, der versucht, die Religion aus dem öffentlichen Raum hinauszudrängen und sie zur reinen Privatsache zu erklären, sondern sie ist ein säkularer Staat, der der Religion im öffentlichen Raum und in wichtigen Institutionen dieses Rechtsstaats ihren Stellenwert zuweist.
Der besondere Charakter des Religionsunterrichts ergibt sich aus diesem Artikel, nämlich daraus, dass die Inhalte dieses Unterrichts nicht vom Staat, sondern von den Religionsgemeinschaften bestimmt werden, und er ergibt sich nicht aus der Abgrenzung zu irgendwelchen anderen Fächern. Das ist schon eine ganz unsinnige Konstruktion. Und selbstverständlich musste Ihnen erst das Bundesverwaltungsgericht vorschreiben, dass Ethikunterricht und Religionsunterricht gleichwertig zu behandeln sind. Sie haben das von sich aus nicht getan.