Protokoll der Sitzung vom 15.05.2002

Zum Schluss noch ein Wort zur Breiten- und Eliteförderung: Selbstverständlich ist klar, dass einer Eliteförderung eine umfassende Breitenförderung vorausgehen muss. Nur eine gezielte, intensive, individuelle Förderung aller Kinder, eine Förderung, die Kindern Erfolgserlebnisse und Spaß am Sport vermittelt, wird in Baden-Württemberg auch künftig eine Leistungselite hervorbringen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Glück.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte zunächst auf die Rede von Frau Rudolf eingehen da kommt sie gerade. Frau Rudolf, Sport muss Spaß machen. Sie haben beklagt, dass er vorhin lächerlich gemacht worden sei. Das kann ich nicht nachvollziehen. Gerade weil Sport Spaß macht, durfte da auch ein bisschen Stimmung aufkommen. Ich glaube, das gehört dazu. Dann machen wir das umso lieber.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU Zuruf des Abg. Boris Palmer GRÜNE)

Frau Rastätter, auch Ihnen gegenüber darf ich eine Vorbemerkung machen.

(Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Sie haben mein vorausgehendes Referat treffend zusammengefasst Gratulation : Der Mensch hat sich von einem Bewegungstier zu einem Sitztier entwickelt. Sie haben aber selbst gesagt, Sie seien ein Bewegungstier geblieben. So würde ich Sie aus Höflichkeit nie bezeichnen. Aber da Sie es sind, nehme ich Sie gern auf eine meiner nächsten Bergtouren mit.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP Zuruf des Abg. Drexler SPD)

Honi soit qui mal y pense.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bewegungsmangel und ein unbeschränktes Kalorienangebot führen zu Adipositas, zum Ansatz von Fett mit all den negativen Fol

gen für den Körper: Überlastungsschäden, Muskelarmut, Diabetes, Kreuzschmerzen, Unwohlsein, Herzschwäche, Koordinationsstörungen und vieles andere mehr. Während der Schulzeit haben wir zum letzten Mal die Chance, die Bevölkerung regelmäßig zum Sport hinzuführen. Hierbei geht es gar nicht so sehr einige haben schon darauf hingewiesen um die Sportstunde als solche. Vielmehr geht es darum, die Menschen zu Bewegung hinzuführen, ihnen Spaß mit sportlichen Übungen zu bereiten überschrieben mit den Worten: Sport macht Freude. Dazu brauchen wir genügend und gut ausgebildete Sportlehrerinnen und Sportlehrer. Wir müssen alle Ressourcen nützen, die wir haben. Ganz besonders interessant erscheinen mir die Kooperationsmodelle zwischen Schulen bzw. Schulverbänden auf der einen Seite und Sportverbänden bzw. Vereinen auf der anderen Seite, den Olympiastützpunkten, den Landesleistungszentren und ähnlichen Einrichtungen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Genauso wichtig vielleicht noch wichtiger ist mir jedoch die Frage: Welche Ideen hat man, die Schüler auch außerhalb der Sportstunde an Bewegung heranzuführen? Trotz unbegrenzter Redezeit, Herr Präsident, werde ich mich in Selbstbeschränkung üben und nur auf wenige Punkte der Beantwortung der Großen Anfrage eingehen.

Frau Ministerin, zunächst einmal Ihnen ganz herzlichen Dank für Ihre umfangreiche Antwort auf unsere Anfrage. Ich freue mich für Sie, dass das auch noch zu einer Pressemeldung 67/2002 geführt hat, in der die Antwort noch einmal gut zusammengefasst wird.

(Beifall des Abg. Wieser CDU)

Das ist, glaube ich, sehr sinnvoll. Das werden noch mehr Menschen lesen als die Antwort als solche.

Interessant erscheint mir in diesem Papier der Ansatz zur Motivation, um auch Schüler, die keine Lust zum Sport haben, durch Einführung von Trendsportarten Klettern, Surfen, Inlineskaten an den Sport heranzuführen. Dies erfordert von den Lehrern eine enorme Flexibilität. Denn in der Regel haben sie dies in der Ausbildung nicht gelernt. Ich möchte mich auch bei den Lehrern bedanken, die sich in diesen Trendsportarten weiterbilden.

Frau Ministerin, Sie schreiben in der Antwort, die Kletterkonzeption sei in der Endausarbeitung. Mich würde interessieren: Wann ist das so weit, wann wird das Konzept den Schulen vorgestellt? Ich persönlich halte Klettern für eine ganz tolle und vor allem auch ganz besonders umweltfreundliche Sportart.

Frau Ministerin, wir haben staunend und auch dankbar zur Kenntnis genommen, dass Sport nicht überproportional häufig ausfällt, auch wenn uns immer wieder etwas anderes berichtet worden ist. Vielleicht können Sie noch einen Satz dazu sagen. Aber Ihre Aussage ist im Papier im Grunde genommen schön mit Zahlen begründet.

Nun zur dritten Sportstunde. Dieses Thema wurde schon angeschnitten. Sie ist fast überall in den allgemein bilden

den Schulen eingeführt. Lediglich ein Jahrgang muss einen, wie Sie es nennen, Solidarbeitrag bringen und ist auf die zweite Stunde heruntergekürzt. Wir bedauern das sehr. Natürlich tut sich jetzt die Opposition leichter, zu sagen: Wir fordern mehr Lehrer, damit man das machen kann. Aber vielleicht besteht doch eine Chance, überall auf eine dritte Sportstunde zu erhöhen.

Ein sehr interessantes Modell ist für mich auch der so genannte Stundenpool. Damit kann man flexibler und individueller auf die Leistung und Neigung der Schüler eingehen. Sie schreiben von einem vierjährigen Modellversuch an 25 Schulen. 1996/97 hat dieser Versuch begonnen. Das heißt, er müsste jetzt zu Ende sein. Es wurden die Vorteile dieses Stundenpools beschrieben. Mich würde interessieren, wie es weitergeht und wie es umgesetzt wird. Was wird da künftig laufen?

Ein wichtiges Thema das wird sehr konträr diskutiert, unter anderem auch vom Deutschen Sportlehrerverband sind die Fachlehrer. Diese haben nach meiner Überzeugung, meine Damen und Herren, wesentliche Vorteile, und zwar zunächst einmal für den Staat. Mit dem fange ich an. Sie geben mehr Stunden und werden schlechter bezahlt. Sie haben aber auch Vorteile für die Schule; denn diese Fachlehrer bringen in der Regel Fächerkombinationen mit, die nicht dem typischen universitären Fachdenken entsprechen, die aber manchmal vielleicht an die gesellschaftliche Entwicklung viel besser angepasst sind, beispielsweise die Fächer EDV oder Technik oder ähnliche. Die Besoldung der Fachlehrer mit A 9 ist nicht sonderlich hoch. Ich möchte Sie bitten, Frau Ministerin, zu prüfen, ob die lange Wartezeit, bis einer nach A 10 oder A 11 befördert werden kann, etwas abgekürzt werden könnte. Ich denke, dass diese Leute hervorragende Arbeit leisten.

Nun kurz noch zum Leistungssport. Wir haben die Partnerschulen der Olympiastützpunkte. Das sind teilweise Einzelschulen, teilweise aber auch Schulverbände. Ganz wichtig ist, dass in Baden-Württemberg sämtliche Schultypen daran beteiligt sind. Ich denke, dass das einmalig ist. Ich freue mich natürlich auch, dass in Karlsruhe ein solcher Schulverband zur Förderung des Fußballs existiert.

Diese Partnerschulen der Olympiastützpunkte verbinden optimales Training zur Förderung der jungen Athleten mit den Belangen der Schule, und zwar in einer Form, wie das an einer Normalschule kaum möglich ist. Ich denke, dass es ein ganz wichtiger Schritt ist, nicht nur den Sport zu sehen, sondern auch die Fürsorge für den jungen Athleten, ihn in einer vernünftigen schulischen Ausbildung zu halten. Es gibt ja für die allermeisten auch eine Zeit nach dem Sport. Dann ist das ganz besonders wichtig.

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Nützen wir also die Chance, unseren Schulkindern die Freude am Sport, die Freude an der Bewegung beizubringen, und zwar für deren persönliche Gesundheit und, wenn man es in der Summe betrachtet, natürlich auch für die Gesundheit unseres Volkes insgesamt und, da das Jahr 2012 vor der Tür steht, natürlich auch in

Vorbereitung auf die Olympischen Spiele im Jahr 2012, wo ja in Karlsruhe die Ruderwettkämpfe stattfinden sollen, wenn Stuttgart den Zuschlag für die Ausrichtung erhält.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erhält Frau Ministerin Dr. Schavan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Studien und eigene Erfahrungen im Hinblick auf Bewegung und Sport bei Kindern sind zitiert worden, also muss ich das nicht wiederholen. Vieles von dem, was in den Studien steht oder auch hier an persönlichen Erfahrungen wiedergegeben wurde, hat sich sehr deutlich an den Erfahrungen festmachen lassen, die wir mit Sport und bewegungserzieherischem Profil an Grundschulen jetzt vorliegen haben. Einige von Ihnen haben darüber gesprochen. Fünf Grundschulen sind Pilotschulen gewesen. Für diese Pilotschulen gilt, dass Bewegungserziehung wirklich zum Profil der Schule mit 200 Minuten Sport pro Woche gehört plus zusätzlichen Angeboten, etwa bei der Gestaltung von Pausen, und auch mit der damit verbundenen Ausstattung der Schule und der Kooperation zwischen Schule und Verein. Wer am Ende des Bildungskongresses in Ulm die Schulsportgala erlebt hat, hat genau diese Schule erlebt, von der Frau Rudolf gesprochen hat und die in ihrem bzw. in meinem Wahlkreis liegt.

(Zuruf von der CDU)

Ja, eine von uns beiden ist gewählt worden. Das stimmt.

(Abg. Carla Bregenzer SPD: Beide sind gewählt worden!)

Die Ergebnisse an diesen fünf Schulen gehen weit über Gesundheitsfragen hinaus. Wir wissen aus diesen Erfahrungen, dass es in vielerlei Hinsicht positive Ergebnisse gibt: Abbau von Aggressionen, größere Ausgeglichenheit der Kinder, ein anderes Lernklima in der Schule. Diese Erfahrungen haben uns dann in einer zweiten Runde dazu gebracht, alle Grundschulen mit der Frage anzuschreiben: Wer hat Interesse, das zu übernehmen? Es haben sich annähernd 500 Grundschulen gemeldet, und diese 500 Grundschulen so ist es jetzt im Haus beschlossen, und das wird den Schulen in den nächsten Tagen mitgeteilt werden im Laufe dieses Schuljahrs in dieses Profil aufgenommen. 500!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der FDP/ DVP)

Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt, der die Grundschule als Ganzes betrifft und an diesen Schulen insgesamt zu einem anderen Rhythmus führen wird. Ich glaube, es stimmt, dass der vernünftige Rhythmus zwischen fachspezifischen Lerneinheiten und einer anderen Gestaltung von freier Zeit und Pausen gerade in diesem Alter und im Hinblick auf Bewegungserziehung wichtig ist. Das heißt, die fünf Grundschulen haben für diese 500 Grundschulen eine wichtige Pilotfunktion übernommen. Ich bin davon überzeugt, dass das in wenigen Jahren zum Profil jeder Grund

schule gehören wird. Es geht in Etappen, weil natürlich auch das stimmt, was einige von Ihnen gesagt haben: Dazu bedarf es in jedem Kollegium derjenigen, die auch eine besondere Kompetenz haben. Deshalb gibt es jetzt eine Fortbildungsoffensive für die Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen. Deshalb gibt es verstärkt den Aufbau der Kooperation mit Vereinen. Das heißt, es werden Voraussetzungen geschaffen, damit dies generell in das künftige Profil einer Grundschule Eingang finden kann.

Dieser Akzent ist nach meiner festen Überzeugung einer der wichtigsten Akzente im vielfältigen Konzept „Schulsport und Schulsportinitiative und -offensive“. Frau Rudolf, ich streite jetzt mit Ihnen nicht darüber, wer da angefangen hat. Wir wissen ziemlich genau, wie das gelaufen ist. In Frankfurt gab es ein Aktionsbündnis. Bis heute gibt es ganz viele Bundesländer, die über dieses Aktionsbündnis nie hinausgekommen sind. Die fordern jetzt bei uns die Unterlagen, die Handreichungen und die Auswertungen der Untersuchungen an den fünf Grundschulen an, um dann irgendwann zu überlegen, ob sie auch etwas tun.

(Zuruf des Abg. Zeller SPD)

Was den lieben Herrn von Richthofen angeht, so streite ich mit Ihnen nicht über seine Auffassung. Ich kenne seine Äußerungen zur Situation des Schulsports in Deutschland und zur Situation des Schulsports und zur Sportentwicklung an den Schulen in Baden-Württemberg. Ich kenne sie sehr genau und im Detail. Deshalb weiß ich auch, dass zum Beispiel in der Kultusministerkonferenz, in der ich immer wieder angeregt habe, eine Gesamtstatistik vorzulegen, nicht Baden-Württemberg und auch nicht Bayern es ablehnen, eine solche Statistik vorzulegen. Das sind andere Länder. Deshalb gilt: Wo die, die bei uns in der Opposition sind, in der Regierung sind, gibt es weniger Schulsport, weniger Initiativen und weniger Umsetzung dessen, was beschlossen ist. Das ist so.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

In den weiterführenden Schulen nimmt die Bedeutung der Sportprofile zu. Wir haben damit an den Gymnasien begonnen und sie auch an anderen Schularten, an den Realschulen und an den Hauptschulen sowieso, eingeführt. Auch hier haben Sie, denke ich, Recht: Im Hinblick auf Ressourcen muss es da im Laufe der Jahre Gerechtigkeit geben, sodass auch quer durch die Schulamtsbezirke Profile da sind. Ich erinnere an die Partnerschulen. Herr von Richthofen war gerade in Stuttgart und hat einen Schulverbund als Eliteschulen des Sports, als einen Partner des Olympiastützpunkts ausgezeichnet. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten noch weitere Eliteschulen bzw. Schulverbünde bekommen, sodass wir flächendeckend auch im Hinblick auf Talentförderung und Nachwuchssicherung leistungsstarke Standorte haben werden, an denen mit vielen Partnern gemeinsam ein Netzwerk begründet wird, um diejenigen zu fördern, die besondere Begabungen haben, und zwar in ihrer sportlichen Entwicklung, aber auch in ihrer persönlichen und schulischen Entwicklung, um hier Brücken zu schlagen.

(Beifall des Abg. Wieser CDU)

(Ministerin Dr. Annette Schavan)

Auch da muss man sagen: Von der Gesamtzahl der Eliteschulen in Deutschland ist ganz eindeutig ein hoher Prozentsatz bei uns angesiedelt. Dieses Element ist ein gutes Beispiel dafür, dass viele Partner zusammenarbeiten. Die ganze Schulsportinitiative ist mittlerweile eine Initiative des Landes mit insgesamt 16 Partnern. Ich glaube, da entstehen wirklich Netzwerke, die weit über die Diskussion über die drei Sportstunden hinausgehen.

Es ist richtig, dass für die Bewerbung um Olympia 2012 und die Paralympics 2012 die Nachwuchsförderung, die Talentsicherung und der Schulsport wichtig sind. Das ist aber nun exakt das Kapitel der Olympiabewerbung, mit dem Baden-Württemberg ausgesprochen gut dasteht, weil in dieser Hinsicht nicht erst jetzt neue Akzente gesetzt sind, sondern wir schon vor Jahren angefangen haben.

(Zurufe)

Etwa im Vergleich zu Nordrhein-Westfalen. So ist es. Genau in diesem Bereich liegen diese Länder Jahre hinter der Entwicklung bei uns, und sie werden genau an diesem Punkt erhebliche Schwierigkeiten haben.