Protokoll der Sitzung vom 19.06.2002

(Zuruf des Abg. Alfred Haas CDU)

Hören Sie auf!

Erst vor diesem Hintergrund einer Information des Parlaments ich sage das ganz ausdrücklich über die Ergebnisse der Sonderprüfung ist aus Sicht der SPD eine abschließende Bewertung möglich.

So, Herr Haas, jetzt dürfen Sie Ihre Frage stellen.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abg. Haußmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Haas?

Herr Haas, bitte.

Frau Kollegin Haußmann, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich davon, dass die Sozialausschusssitzung am 4. Juli ausfallen soll, heute schriftlich erfahren habe?

Ganz ruhig, Herr Haas.

Ich habe weder Einfluss genommen noch Rückfrage gehalten.

Ich konnte mir schon immer vorstellen, wie schlecht die Zusammenarbeit in der CDU-Fraktion ist. Mich wundert nicht, dass Sie das selber so sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD Abg. Dr. La- sotta CDU: So eine Giftnudel! Was soll denn das, Frau Haußmann? Abg. Alfred Haas CDU: Noch ist der Sozialausschuss ein Instrument des Land- tags und nicht einzelner Fraktionen! Weitere Zu- rufe von der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Noll.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

(Anhaltende Unruhe Glocke der Präsidentin)

Das Wort hat Herr Abg. Dr. Noll.

Der Behandlung dieses Themas dient dieses emotionale Hochschaukeln meiner Meinung nach überhaupt nicht. Ich möchte beim Thema anknüpfen, welche Aufgabe das Parlament hat und welche Konsequenzen Debatten haben. Vorhin hat Kollege Kretschmann sehr deutlich dazu gesprochen. Ich sage eines vorweg, Frau Kollegin Lösch: Wir haben nicht die Aufgabe der Judikative; wir haben nicht Staatsanwalt und Richter, aber auch nicht Verteidiger zu spielen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Das ist keine Frage. Es wäre verheerend, wenn sich hier Fronten bildeten: Hier sind die einen, die anklagen; dort sind die anderen, die verteidigen. Das kann nicht Sinn dieser Debatte sein.

Lassen Sie mich auch noch einmal ganz klar sagen, Frau Kollegin Lösch: Wenn Behauptungen im Raum stehen, dann hat jeder, über den etwas behauptet wird, das Recht, sich zu rechtfertigen und die Behauptungen aufzuklären. Ich finde es schon unangenehm, im Detail aufzuführen, was noch nicht bewiesen ist: die Weinflaschen und alles Drum und Dran. Möglicherweise halten Sie es für bewiesen; im Verfahren ist es jedenfalls noch nicht bewiesen. Ich finde es unangenehm, das einfach in die Debatte zu werfen, obwohl der Betroffene noch gar keine Gelegenheit hatte, es zu widerlegen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU Zurufe von der CDU)

Noch einmal: Ich will mich hier nicht als Verteidiger aufspielen. Die Verteidigung erfolgt vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft ist dabei, zu prüfen.

Die Frage ist, welche Rolle das Sozialministerium zu spielen hat. Es ist ganz klar gesagt worden übrigens nicht nur bei der LVA, sondern auch bei anderen Bereichen, zum Beispiel den Krankenkassen : Es hat nicht die Dienstaufsicht, sondern die Rechtsaufsicht. Man kann nun darüber streiten, wo die Dienstaufsicht anfängt und wo die Rechtsaufsicht aufhört und ab welchem Punkt es allein um Dienstaufsicht geht. Frau Kollegin Lösch, ich würde mir wünschen, dass man nicht nur solche publicityträchtigen Fälle auf die Tagesordnung setzt,

(Widerspruch bei der SPD)

in denen es um einen spektakulären, hoch dotierten Posten geht, sondern auch Fälle, in denen es um Krankenkassenangestellte geht. Hierzu liegen schon zwei Urteile eines Gerichts zu Fällen vor, in denen Menschen gemobbt worden sind und in denen Menschen beruflich und gesundheitlich ruiniert worden sind. Diesen Fällen bin ich nämlich sehr viel mehr hinterher. Auch da muss ich mich damit zufrieden geben und ich gebe mich damit zufrieden , dass das Sozialministerium sagt: Wir greifen nicht in ein laufendes Verfahren ein. Meiner Meinung nach ist es das richtige Vorgehen, die Sache erst einmal gerichtlich abklären zu lassen und dann die Konsequenzen zu ziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der CDU)

Jetzt kommt der nächste Punkt: Welche politischen Konsequenzen haben wir zu ziehen? Ich sage Ihnen: Ich bin ein großer Verfechter der Selbstverwaltung in allen Bereichen, auch bei den Kammern oder im Sozialversicherungswesen. Wenn da etwas schief läuft, schmerzt mich das auch. Ich möchte deswegen aber nicht wie Sie die Selbstverwaltung entmachten, indem ich sie in Staatsaufsicht nehme, sondern ich möchte sie ein Stück weit reformieren, verbessern, damit solche Fehler nicht mehr passieren. Wir müssen uns schon einmal prinzipiell überlegen, wie es damit aussieht.

Kollege Haas hat dankenswerterweise darauf hingewiesen, dass es Vertreter gibt, die in Sozialwahlen gewählt werden. Wir müssen Folgendes überlegen: Wer kennt denn überhaupt die Menschen, die da gewählt werden? Wer kennt überhaupt die Funktion der Sozialwahlen? Das ist meiner Meinung nach eines der großen Probleme, bei dem wir uns alle einmal überlegen sollten das wäre des Schweißes der Edlen wert , wer in diese Gremien gewählt wird, wie dies transparent gemacht wird und was wir alle selbst dazu beitragen können. Bei Sozialwahlen ist die Beteiligung sehr gering. Kein Mensch weiß, was das ist. Da müssen wir Aufklärungsarbeit leisten.

(Zuruf von der SPD)

Dies nützt natürlich etwas.

Jetzt kommt die nächste Frage: Ist die Stellung der Selbstverwaltung mit denen, die dort hineingewählt worden sind, im Vergleich zur professionellen Geschäftsführung überhaupt gleichwertig? Wenn dort Leute sitzen Namen sind schon genannt worden , die an vielen Stellen Funktionen ausüben, stellt sich die Frage: Können diese dem Ge

schäftsführer Paroli bieten, der einen ganzen Stab hinter sich hat? Dies alles sind Dinge, die jetzt wirklich auf den Prüfstand müssen, aber nicht nach dem Motto „Selbstverwaltung schwächen und abschaffen“, sondern im Gegenteil nach dem Motto „Selbstverwaltung stärken“. Wir alle können daran mitarbeiten, dass wir solche Dinge in Zukunft ausschließen.

Ich nenne noch einen zweiten politischen Gesichtspunkt; dann will ich schon zum Ende kommen: Das ist das Thema der Verflechtung mit dem Moorheilbad Bad Buchau. Dies sollte uns allen als Gesundheitspolitikern ein bisschen zu denken geben. Es geht um eine ganz prinzipielle Frage. Auch dort steht der Vorwurf im Raum das ist auch noch nicht bewiesen , dass dort nicht nach medizinischen Kriterien, nicht nach den Bedürfnissen der Patienten, die dort eingewiesen worden sind, und auch nicht nach den Wünschen der Patienten Wünsche sollen bei einer Rehabilitation auch abgefragt werden entschieden worden sei, sondern dass dort nach sachfremden Kriterien abgewogen worden sei.

Was sagt uns das? Es ist vom Übel, wenn Kostenträger und Leistungserbringer in einer Hand sind. Dies spricht doch sehr stark für das, was wir immer zum gesamten Gesundheitswesen sagen, nämlich dass wir das strikt trennen müssen. Kostenträger sagen zwar: „Wir sind Anwälte des Patienten“, aber sie schauen zuerst einmal auf die Kosten, auf die Belegung ihrer Betten. Wenn wir also im Interesse der Versicherten handeln wollen, müssen wir darauf achten, dass die Verzahnung nicht zu eng wird, und eher in die umgekehrte Richtung marschieren. Ich habe ein Problem, wenn man überall dort, wo Private medizinische Dienstleistungen erbringen, sagt: Das ist furchtbar, das ist der Untergang einer guten Versorgungsqualität. Genau das Gegenteil zeigt sich an einem solchen Fall.

Abschließendes Fazit: Hüten wir uns davor, Vorverurteilungen auszusprechen. Auch ein Herr Schneider hat das Recht, gehört zu werden und sich zu rechtfertigen. Wenn man sich überlegt, dass die beiden alternierenden Vorstände den Prüfbericht zwei Jahre lang gekannt und trotzdem immer gesagt haben: „Nach Prüfung der Personalabteilung in unserem Haus stehen wir dazu; diese Vorwürfe sind nicht berechtigt“, dann habe ich ein Problem damit, wenn man allein auf öffentlichen Druck plötzlich einen Schwenk macht und sagt: Nein, jetzt war alles falsch. Ich frage mich, ob in dem Dreierverhältnis, das an der Spitze geherrscht hat, wirklich alles nur sachlich begründet war oder ob nicht, wie der Kollege Haas gesagt hat, vielleicht doch an der einen oder anderen Stelle mit einer kleinen Retourkutsche auf das Agieren in der Fusionsdiskussion reagiert werden sollte.

Noch einmal zurück zu den Folgerungen, die wir politisch ziehen sollten: Stärkung der Selbstverwaltung, Interesse an Aufklärung, wenn Selbstverwaltung irgendwo nicht oder fehlerhaft funktioniert. Ich glaube, dazu können wir alle das Sozialministerium aufrufen. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Sozialministerium nicht bereit wäre, uns die Fakten in der nächsten Sitzung des Sozialausschusses auf den Tisch zu legen. Dann können wir uns weiter darüber unterhalten.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Repnik.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, den wir heute beraten, ist fast ein Jahr alt, aber überaus aktuell. Die Ihnen vorliegende Stellungnahme des Sozialministeriums vom August letzten Jahres konnte naturgemäß nur den aktuellen Stand aus dem letzten Jahr angeben. Ich habe bereits zu jenem Zeitpunkt im Landtag gesagt: Aus meiner Sicht waren die Eigenermittlungen der früheren Landesversicherungsanstalt Württemberg zu den gegen die Geschäftsführung erhobenen Vorwürfen nicht ausreichend. Deshalb habe ich weitere aufsichtsrechtliche Maßnahmen angekündigt. Insbesondere kamen wir nach der Auswertung einer gutachterlichen Stellungnahme, dem so genannten Sieber-Gutachten, zu dem Ergebnis: Viele Fragen bedürfen einer näheren Überprüfung vor Ort. Aus diesem Grund habe ich das Prüfungsamt für die Sozialversicherung damit beauftragt, eine Sonderprüfung durchzuführen. Das Prüfungsamt nimmt seine Aufgaben unabhängig und weisungsfrei wahr. Diese Prüfung hat im August 2001 begonnen und ist seit kurzem abgeschlossen.

Der umfangreiche Prüfbericht liegt mir seit wenigen Tagen vor. Ich werde dafür Sorge tragen, Frau Lösch, Frau Haußmann und auch Kollegen von der CDU, dass er nach datenschutzrechtlicher Abklärung so bald wie möglich den Mitgliedern des Sozialausschusses zugeleitet werden kann, damit wir am 4. Juli über etwas sprechen können, was auf dem Tisch liegt.

Die Dauer der Prüfung ist wiederholt in der Öffentlichkeit und in der Presse kritisiert worden nach dem Motto „Die verschleppen irgendwas.“ Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren: Bei einem solchen umfangreichen Verfahren, meine ich, geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

(Beifall des Abg. Hillebrand CDU Abg. Hille- brand CDU: Sehr gut!)

Danke schön.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD Abg. Sti- ckelberger SPD: Der ist mit ganz wenig zufrie- den!)

Mir war daran gelegen, die Vorwürfe umfassend aufzuklären. Ja, aber einer hat zugehört, wie ich merke, und zwar auch bei diesem Wetter.

(Heiterkeit Abg. Ursula Haußmann SPD: Das war eher ein Reflex!)

Mir war daran gelegen, dass die Vorwürfe umfassend aufgeklärt werden. Denn zukünftig soll für alle Beteiligten die Klarheit herrschen, ob die Vorwürfe begründet sind oder nicht. Führen Sie sich einmal vor Augen, dass zu diesem Zweck allein in Bad Buchau über 150 000 Belege geprüft werden mussten. Es gab immer auch nachgeschobene Beschuldigungen. Dann musste man, als man bereits gedacht hatte, man sei fertig, noch einmal prüfen. Daran sehen Sie: Das Prüfungsamt hat hier mit der gebotenen Sorgfalt gearbeitet. Das hat leider einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Vorfeld ist in manchen Medien viel über die Ergebnisse der Prüfung und über Konsequenzen für die Beteiligten spekuliert worden. Ich habe mich daran bewusst nie beteiligt, sondern ich halte mich jetzt an Fakten.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Sehr gut! Das ist immer richtig!)

Fakt ist: Es gibt Bereiche, in denen das Prüfungsamt festgestellt hat: Durch das Verhalten der Beteiligten wurde gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Dazu gehört zum Beispiel auch die in dem Antrag angesprochene Verschaffung von Vorteilen durch die Annahme von Geschenken, durch verbilligte Freizeitaufenthalte in einer Rehabilitationsklinik sowie beim Erwerb von Einrichtungsgegenständen für private Zwecke zu deutlich verminderten Preisen. Das hat das Prüfungsamt festgestellt.