Frau Kollegin Rastätter, ist Ihnen bekannt, dass gerade gegen das Ganztagsschulangebot und die Ganztagsbetreuung zum einen von Vereinen und zum anderen von Kirchen das Argument gebracht wird, dass die Kinder dann keine Zeit mehr hätten, ihre Veranstaltungen zu besuchen, und dass es deshalb umgekehrt ein Argument dafür ist, diese in die Ganztagsbetreuung mit einzubeziehen, um so diesem Argument den Wind aus den Segeln zu nehmen?
Herr Kleinmann, dazu muss ich sagen, dass Sie die schulische Realität offensichtlich nicht kennen. In der Regel gehen die Schülerinnen und Schüler, die beispielsweise im Verein Sport treiben, dort nicht vor fünf Uhr nachmittags hin,
Ich weiß nicht, wer Ihnen dieses Argument genannt hat; jedenfalls nicht die Sportverbände im Land. Selbstverständlich wollen wir auch die Musikschulen und die Jugendkunstschulen in den Nachmittagsbereich mit einbeziehen. Das ist sogar eine sehr gute Sache. Aber das heißt deshalb noch lange nicht, dass die pädagogische Qualitätssicherung für das Angebot nicht von der Schule übernommen werden müsste.
Ich komme jetzt zu den vier Punkten, die für uns Grüne beim Ausbau von offenen Ganztagsschulen und gebundenen Ganztagsschulen wichtig sind.
Erstens: Offene Ganztagsschulen müssen verbindliche Module anbieten, auf die sich Eltern auch verlassen können,
sodass Eltern auch in einer offenen Ganztagsschule zum Beispiel sagen können: Wir brauchen drei Nachmittage. Es ist eine Illusion, deshalb zu glauben, dass so etwas nur durch Ehrenamtliche abgedeckt werden könnte.
Zweitens wollen wir, dass auch gebundene Ganztagsschulen in Baden-Württemberg ausgebaut werden. Wir brauchen da nicht bei null anzufangen. Herr Seimetz, Sie sind jetzt pensioniert und haben etwas mehr Zeit: Ich bitte Sie, einmal die gebundene Ganztagshauptschule in Ulm zu besuchen.
Diese gebundene Ganztagsschule für alle Kinder gibt es bereits seit 1969. In der Zwischenzeit haben der Elternbeirat der Schule und das Kollegium immer wieder überprüft, ob sie die Schule in eine offene Ganztagsschule umwandeln wollen, also in eine freiwillige Ganztagsschule, aber jedes Mal sind sie zu der Erkenntnis gekommen auch die Eltern , dass das hervorragende pädagogische Konzept nicht aufrechterhalten werden könnte, wenn nur ein Teil der Schüler daran teilnehmen würde. Denn dort gibt es eine Rhythmisierung des gesamten Schultags mit Phasen der Spannung und Entspannung. Dort kann man nachmittags für alle Schüler Vertiefungen anbieten.
Ich muss hier einen Punkt hervorheben: Wir müssen die Ganztagsschule auch unter dem Aspekt der Qualitätsentwicklung des Unterrichts sehen. Da können wir natürlich in einer Ganztagsschule mehr erreichen.
Ich komme zum dritten Punkt: Wir brauchen bei gebundenen Ganztagsschulen eine wissenschaftliche Begleitung. Die Ganztagsgrundschule in Mannheim, die JungbuschSchule, hat jetzt gerade erklärt, sie brauche eine wissenschaftliche Begleitung, weil es aufgrund ihrer spezifischen Problemlagen notwendig ist, das pädagogische Konzept ständig weiterzuentwickeln.
Der vierte Punkt ist wohl der, der uns vor die größten Herausforderungen stellt: Wir Grünen sind der Meinung, dass der Besuch von Ganztagsschulen kostenfrei sein muss, abgesehen vielleicht von den Angeboten der Musikschulen, die jetzt schon etwas kosten. Aber wir müssen dafür sorgen, dass nicht unterschieden wird zwischen den Eltern, die bezahlen können, und den Eltern, die nicht bezahlen können. Deshalb muss das Anliegen sein: Der Besuch von Ganztagsschulen muss grundsätzlich kostenfrei sein.
Weil wir in allen Ländern vor der Herausforderung stehen, Ganztagsschulen auszubauen, ist es gut, dass der Bund 4 Milliarden bereitstellt. Ich finde es kleinkariert, wenn daran herumgemäkelt wird und wenn ein solches Angebot
wobei die Leute die Realitäten nicht zur Kenntnis nehmen wollen und stattdessen lieber hier im Eck herumtoben.
Die Realitäten sind ganz eindeutig, und sie sprechen für sich und für uns. In Baden-Württemberg gibt es einen sehr unverkrampften Umgang mit dem Thema Ganztagsschulen.
Das zeigt sich daran, dass wir das einzige Bundesland sind, das in den letzten drei Jahren weitere Ganztagsschulen eingerichtet hat. Das einzige! Wo sind denn Ihre Vorbilder und Helden geblieben?
Das ist im Übrigen auch von Stefan Appel, dem Vorsitzenden des Ganztagsschulverbands, festgestellt worden. Kürzlich bei einer Veranstaltung in Böblingen hat er das ausdrücklich und lobend erwähnt. Das zeigt, dass wir hier bedarfsgerecht vorgehen und uns auch nicht verrückt machen lassen, wenn Sie meinen, uns ein Versäumnis vorhalten zu müssen, das Sie durch die Realitäten nicht belegen können.
Wir haben derzeit 347 öffentliche Ganztagsschulen im Land. Damit liegen wir das ist nicht unsere Feststellung, sondern die der Kultusministerkonferenz nach Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg auf dem vierten Platz, wenn Sie den prozentualen Anteil am Bildungswesen insgesamt nehmen.
In Nordrhein-Westfalen kommt aber dazu, dass dort seit zehn Jahren keine einzige neue Ganztagsschule mehr eröffnet wurde.
Die Zahl, die Nordrhein-Westfalen heute vorzuweisen hat, hängt damit zusammen, dass sich in die nordrhein-westfälische Zahl von etwa 600 Ganztagsschulen 210 Gesamtschulen hineinrechnen lassen. Was diese nun an besonderen Erfolgen erzielt haben, durften Sie ja der PISA-Untersuchung gerade erst entnehmen.
Herr Kollege Rau, können Sie mir bestätigen, dass in der Drucksache 13/831 steht, dass es lediglich 122 allgemein bildende Ganztagsschulen in BadenWürttemberg gibt?