Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

(Zuruf von der SPD: Nein, das ist widerlegt wor- den!)

Es ist einfach so. Ich habe eine eigene Stichprobe, die allmählich in Sicherheit übergeht, und das sollte man, glaube ich, nicht bezweifeln. Das heißt aber nicht, dass wir wieder Mädchenschulen einführen wollten; das wäre mit Sicherheit ein falscher Schluss. Man muss aber analysieren, woraus diese Entwicklung resultiert.

Immer mehr Lehrkräfte erkennen auch, dass es da etwas zu tun gibt, und handeln immer häufiger entsprechend. Wie es sich auswirkt, dass es auch im gymnasialen Bereich immer mehr Lehrerinnen gibt, ist mir im Moment noch nicht klar. Das wird man aber verfolgen müssen.

Wichtig wäre aber auch, dass die Berufsberatung noch viel mehr darauf hinarbeitet, bei der Beratung von Mädchen nicht einfach deren Wünsche abzufragen, sondern auch einmal darauf hinzuweisen, dass es gerade in naturwissenschaftlich orientierten Fächern auch andere interessante Berufe und vor allem Berufe mit besseren Verdienstmöglichkeiten gibt. Aber es passiert einiges. Am letzten Samstag beispielsweise war im Haus der Wirtschaft ein Mädchentechniktag.

Frau Haller-Haid, zu Ihnen nur eines: Dass das Teilzeitgesetz förderlich für die Beschäftigung von Frauen wäre, ist eine gewaltige Irrmeinung.

(Abg. Schmiedel SPD: Das ist Fakt!)

Das Teilzeitgesetz führt im Gegenteil dazu, dass Frauen in einem bestimmten Alter gerade nicht eingestellt werden, weil man befürchtet, dass sie von diesem Gesetz Gebrauch machen.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hauk CDU Zuruf der Abg. Renate Rastätter GRÜNE)

Genauso gibt es einige hinderliche Vorschriften, zum Beispiel bei der Ausbildung von Bauingenieuren. Sie müssen zu Recht ein relativ langes Praktikum auf der Baustelle absolvieren. Angehende Bauingenieurinnen finden aber in der Regel kaum einen Praktikumsplatz, weil für eine Praktikantin auf der Baustelle eigene Umkleide- und Toilettenräume installiert werden müssen. Ich meine, eine junge Frau, die an dem Beruf interessiert ist, schafft es auch, zu organisieren, dass sie sich woanders umkleidet, ohne dass der Arbeitgeber extra teure Installationen vornimmt.

(Zuruf des Abg. Schmiedel SPD)

Ihr ist lieber, dass sie ihren Beruf ausüben kann, als dass sie irgendwie gesetzlich oder per Verordnung geschützt wird. Sie wird vielmehr davor „geschützt“, einen derartigen Beruf zu ergreifen, und das halte ich nicht für sinnvoll.

(Beifall bei der FDP/DVP Abg. Schmiedel SPD: Dafür ist doch der Wirtschaftsminister zuständig! Warum macht er nichts?)

Was wir dringend brauchen und was in einem solchen Fall das Hilfreichste überhaupt ist, sind positive Vorbilder. Da geht es darum, dass Frauen zum Beispiel auch in den Medien erfreulicherweise erlebt man es auch in Fernsehspielen und Ähnlichem immer häufiger in qualifizierten Berufen dargestellt werden. Es kann nur die Aufforderung ergehen, dass dies noch viel häufiger passiert und dass wir zum Beispiel auch unsere Schulbücher wieder einmal entsprechend durchforsten, damit die Ingenieurin und die Naturwissenschaftlerin auch im Schulbuch vorkommt.

Der naturwissenschaftliche Unterricht muss sich insgesamt ändern. Ich glaube, dass es auch für unseren Problemkreis positiv sein wird, wenn sich der naturwissenschaftliche Unterricht hin zu mehr praktischer Anwendbarkeit entwickelt, weil er dann auch für Mädchen interessanter ist und weil dann in der Tat die Weichen richtig gestellt werden. Die Kollegin Stolz hat das richtig erwähnt.

Auch halte ich es für förderlich, dass der naturwissenschaftliche Unterricht inzwischen schon in der Klasse 5 oder 6 beginnt, weil zu diesem Zeitpunkt die Aufteilung in Mädchen- und Jungenverhalten eben noch nicht so stark ist wie später in der Pubertät.

Noch braucht es allerdings Mut bei Frauen, sich in männlich dominierten Feldern zu bewähren. Dazu möchte ich sagen: Gerade in diesem Haus hatten wir heute Morgen wieder den Fall: Kollege Mack hat eine durchaus interessante, qualifizierte Frage gestellt.

(Abg. Fischer SPD: Ha, ha, ha!)

Er hat der sehr gut ausgebildeten Frau des Justizministers zugetraut, das Amt des Justizministers ebenfalls ausüben zu können. Der Justizminister hat eine sehr qualifizierte Antwort gegeben. Das war alles okay. Bloß die komische Lache mancher Kolleginnen und Kollegen hat gezeigt, dass da noch einiges entwicklungsfähig ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP Abg. Fischer SPD: Das war doch keine Frage, die ernst- haft gemeint war! So ein Blödsinn! Weitere Zu- rufe)

Ich möchte Sie deshalb alle darum bitten: Gehen Sie, wenn Sie Frauen gerade in solchen Berufen treffen, nicht gönnerhaft mit denen um, sondern nehmen Sie sie ernst, und erkennen Sie ihre sachliche Arbeit an. Wir brauchen jede Menge Mentorinnen, und wir brauchen auch Mentoren, weil es in diesen Berufen zunächst noch zu wenig Frauen gibt. Deshalb müssen wir auch Männer motivieren, Frauen entsprechend unter ihre Fittiche zu nehmen, genauso wie sie es auch mit entsprechend begabten jungen Männern tun.

Wir arbeiten auch daran, im November einen Frauenplenartag zu machen. Auch das wird wieder ein Stück in die Richtung gehen, ein gutes Vorbild zu geben.

(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Kühner SPD)

Wir müssen einfach lernen, dass insgesamt positivere Ergebnisse herauskommen, wenn egal, zu welcher Frage Wissen, Kenntnisse und Erfahrungen beider Geschlechter in die Beratungen und die Entscheidungsfindungen einbezogen werden.

(Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hauk CDU Abg. Pfister FDP/DVP: Sehr gut!)

Das Wort erhält Frau Abg. Bauer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Frauen und Technik“ Sie alle kennen wahrscheinlich jede Menge unqualifizierter Sprüche zu diesem Thema und haben vielleicht auch schon selber welche geklopft. Keinem Mädchen bleiben sie erspart, und das ist bis heute so. In allen möglichen Spielarten und nicht nur in den Spielzimmern wird den Mädchen beigebracht, dass sie mit der Welt der Technik nicht viel am Hut haben sollen. Bis heute wird auch gern darüber philosophiert, ob wir unterschiedlich entwickelte Gehirnhälften haben, oder es wird der Vergleich zur Tierwelt bemüht, um zu erklären, dass die Verschiedenheit der Geschlechter so schon ganz in Ordnung sei und auch aufrechterhalten werden müsse.

(Zuruf des Abg. Röhm CDU)

Das geht ja auch immer mit unterschiedlichen Macht- und Einkommensverhältnissen einher.

Das ganze Thema hat bis vor wenigen Jahren nur ein paar Feministinnen und die Grünen interessiert. Inzwischen ist aber festzustellen und das freut mich sehr , dass sich die Tonlage insgesamt deutlich verändert hat. Jetzt suchen Arbeitgeber, Wissenschaftsminister, Hochschulrektoren aller Parteien und Ingenieurverbände nach Wegen, wie sie in den Bereichen Technik und Naturwissenschaften das brachliegende Begabungspotenzial von Frauen besser ausnutzen können. Anlass für die Sorge bei diesem Thema ist aber weniger die Sorge um die Chancengleichheit als vielmehr der befürchtete zukünftige Mangel an technisch-naturwissenschaftlichen Fachleuten und Ingenieuren.

(Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)

So nennt der Verein Deutscher Ingenieure die Zahl, dass über Jahre hinaus etwa 20 000 Ingenieure und 20 000 Informatiker fehlen werden. Es ist festzustellen, dass der Anteil der Frauen zwar leicht steigt, dass dieser Anstieg aber nur von einem sehr geringen Niveau ausgeht. Dramatisch ist aber der gleichzeitig sinkende Anteil von Männern, und das erklärt insgesamt den drohenden Mangel.

Nach wie vor bleibt das Interesse von Frauen an einem Informatik-, Maschinenbau- oder Elektrotechnikstudium dramatisch gering. Während Frauen selbst hier im Parlament mit einem Anteil von 20 % noch weit davon entfernt sind, im gleichgewichtigen Verhältnis zu Männern vertreten zu sein, ist in einem Hörsaal des Studiengangs Maschinenbau oder Elektrotechnik ein Frauenanteil von 3 bis 9 % gang und gäbe.

Der Einbruch in die Männerdomäne will offensichtlich nicht so recht gelingen, und das trotz vielfältiger Modellversuche und vielfältiger Einzelmaßnahmen und Initiati

ven, die auch hier in Baden-Württemberg ergriffen werden: in Schulen, bei Projekttagen und Kongressen, durch Dokumentationen und Gutachten zum Thema. Das ist alles schön und gut und meistens auch richtig. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Aktivitäten des Landesfrauenrats, das Netzwerk „Frauen.Innovation.Technik“ oder das Sommerstudium für Frauen „Informatica Feminale“, das jetzt zum zweiten Mal ausgerichtet wird und dieses Jahr an der Universität Freiburg stattfindet. Zu nennen sind auch die Forschungsarbeiten der Akademie für Technikfolgenabschätzung, die zu diesem Thema kürzlich Strategien gegen den Nachwuchsmangel veröffentlicht hat.

Auch die Bundesregierung unternimmt Vielfältiges und steckt auch ordentlich Geld in Programme zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Naturwissenschaft und Lehre. Dennoch bleibt insgesamt festzuhalten: Zwischen den Anstrengungen, die nach wie vor vereinzelt und nicht systematisch betrieben werden, und dem Resultat klafft nach wie vor eine große Lücke.

Sicher ist ein großer Teil der Erklärungen darin zu suchen, dass die Entscheidung von Mädchen, welche Präferenz für eine spätere Berufswahl sie haben ob sie also eher zum sprachlich-kommunikativen Bereich oder zum technischnaturwissenschaftlichen Bereich tendieren , sehr früh entsteht, sodass man genau genommen bereits sehr früh, nämlich im Kindergarten- und Grundschulalter, mit Maßnahmen beginnen müsste.

Ich finde, angesichts der Komplexität dieser Aufgabe ist es eigentlich besonders spannend, nach Strategien zu suchen, die nicht nur am vermeintlichen Defizit der primären Techniksozialisation von Mädchen ansetzen.

Zwei Beispiele möchte ich nennen. Zum einen: Es ist interessant, danach zu suchen, in welchen naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen neue Zuschnitte gewagt werden, denen es gelingt, Frauen stärker anzusprechen. Es ist inzwischen bekannt, dass es den Studiengängen, die explizit stärker praxisorientiert sind, die stärker die kreativen, kommunikativen und interdisziplinären Anteile eines Studiums ausweisen, gelingt, durchaus auch relevant mehr Frauen zu gewinnen.

Die Fachwelt weiß es schon lange, und auch international scheint es sich schon durchgesetzt zu haben: Der Ingenieur und die Ingenieurin der Zukunft brauchen viel stärker, als es bislang der Fall ist, so genannte Soft Skills, Fähigkeiten zur Kommunikation, Fähigkeiten zum lösungsorientierten Arbeiten, Fähigkeiten zum Arbeiten im Team. Das sind genau die traditionell eher weiblichen Fähigkeiten, die den Ingenieur und die Ingenieurin in der Zukunft qualifizieren, und deshalb sollte man Strategien suchen, die an den Fähigkeiten und Stärken von Frauen ansetzen.

Ein Beleg für die Erfolgsstrategie sind zum einen die ausgewiesen höheren Anteile von Frauen in ingenieurwissenschaftlichen Ausbildungsgängen von Berufsakademien, die auf eine sehr starke Praxisorientierung setzen.

Einen weiteren Beleg habe ich kürzlich bei einem Besuch der Fachhochschule Albstadt-Sigmaringen gefunden. Dort gibt es sowohl die traditionellen Ingenieurstudiengänge mit

einem sehr geringen Frauenanteil als auch Neuzuschnitte wie zum Beispiel Facility Management, Pharmatechnik oder Ernährungs- und Hygienetechnik, die darauf setzen, Interdisziplinarität, Internationalität und Kreativität zu betonen, und tatsächlich gelingt es, einen signifikant höheren Frauenanteil zu erreichen.

Ein zweites Beispiel: Ich meine, es lohnt sich, den Blick noch einmal umzukehren und nicht nur nach den Begabungspotenzialen zu fragen, sondern gerade in dieser Sparte auch nach den Benachteiligungspotenzialen zu fragen. Denn eines muss aufschrecken: Es gibt mehrere Studien, zum Beispiel bei der Bundesanstalt für Arbeit, aber auch bei der Akademie für Technikfolgenabschätzung, die herausgefunden haben, dass Frauen, die einen technischnaturwissenschaftlichen Studiengang absolviert haben, einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko ausgesetzt sind. Also die Strategie, in diese Männerdomänen einzubrechen, lohnt sich für Frauen nicht unbedingt, sondern sie sind zu einem signifikant höheren Anteil dem Risiko der Arbeitslosigkeit ausgesetzt. Für das Bauingenieurwesen bedeutet das zum Beispiel, dass weibliche Absolventen dieses Studiums zu 8 % arbeitslos sind, während es bei Männern nur 3 % sind.

Die Akademie für Technikfolgenabschätzung hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass von den ausgebildeten Ingenieurinnen nur die Hälfte anschließend im erlernten Beruf arbeitet. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass man, um den Anteil an Ingenieurinnen zu erhöhen, zunächst darauf setzen muss, die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zu verbessern, damit Frauen tatsächlich in diesem Bereich erwerbstätig werden können.

Damit sind wir wieder beim Thema des gestrigen Plenartags: Was können wir eigentlich dazu beitragen, damit Frauen de facto Kinder und Karriere unter einen Hut bekommen können? Da steht die Politik in der Pflicht. Da stehen aber auch die Unternehmen in der Pflicht, angemessene Arbeitszeitmodelle zu entwickeln.

Unbestritten ist, dass es eine gemeinsame Aufgabe und eine gemeinsame Anstrengung von Unternehmen, Hochschulen, Eltern und der Politik sein muss, die Begabungspotenziale von Frauen auszuschöpfen und die Benachteiligungspotenziale abzubauen. Dann klappt es auch mit der Chancengleichheit, mit der Modernisierung der technisch-naturwissenschaftlichen Berufe und der Sicherung von Nachwuchskräften.

Vielen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erhält Frau Ministerin Dr. Schavan.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In den Reden, die vorangegangen sind, ist deutlich geworden, dass es erstens quer durch alle Fraktionen einen großen Konsens in den Zielvorstellungen gibt. Es gibt zweitens einen großen Konsens im Hinblick auf die Feststellung, dass wir sehr bewusst Schritte in Erziehung, Schule, Hochschule und beruflicher Bildung tun müssen, um Begabungsre

(Ministerin Dr. Annette Schavan)