Ausnahmsweise spreche ich auch einmal ein Lob aus: Die derzeit stattfindenden Profilbildungen in den beruflichen Gymnasien gehen in die richtige Richtung. Da lässt sich für andere Schularten durchaus etwas abschauen.
Auch die Einführung des Faches Naturphänomene in den allgemein bildenden Gymnasien ist ein richtiger Schritt, obwohl, wie wir wissen, eigentlich bereits in wesentlich jüngeren Jahren angesetzt werden sollte, nämlich dann, wenn die grundlegenden Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen erlernt werden. Dies aber würde bedeuten, den geschlechtsspezifischen Ansatz in die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher und in die Ausbildung der Grundschullehrerinnen und -lehrer mit einzubringen, was die Landesregierung jedoch überhaupt nicht plant.
Solange sich aber nichts an der Ausbildungssituation verändert, sollten die Chancen, die ein getrennter Unterricht von Mädchen und Jungen in diesem Bereich bietet, stärker genutzt werden. Dies sollte vor allem vor dem Hintergrund geschehen, dass Absolventinnen von Mädchengymnasien wesentlich bessere Ergebnisse erzielen und häufiger ein MINT-Fach studieren als andere.
Zum Abschluss noch ein Satz zu den Hochschulen. Junge Frauen brauchen weibliche Vorbilder. Deshalb müssen wir darauf hinwirken, dass bei den wenigen Studentinnen eines MINT-Faches bereits im Studium die Weichenstellung für eine wissenschaftliche Karriere erfolgt und mehr Frauen die Promotion oder Habilitation ermöglicht wird. Hierzu das wissen Sie gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen und Ansätzen. Ich nenne als Beispiel nur das Irene-Rosenberg-Programm. Solche Initiativen brauchen die Unterstützung der Politik. Sie brauchen aber vor allem auch die Mittel für ihre Umsetzung.
Aber bei allem, was wir in Schulen und Hochschulen reformieren müssen, um das Berufswahlverhalten junger Frauen in Richtung Technik zu verändern, dürfen wir eines nicht vergessen: Wenn es so ist davon geht auch die Landesregierung aus , dass ein Hauptmotiv dafür, naturwissenschaftliche oder IT-Berufe nicht zu wählen, in der erwarteten Nichtvereinbarkeit von Beruf und Familie liegt, dann sind wir schon wieder bei unserem gestrigen Thema. Ich denke, solche Ängste werden schwinden, je schneller wir ein ausreichendes Angebot an qualifizierter Kinderbetreuung auch für Kinder unter drei Jahren schaffen.
Die Befürchtung, in diesem Bereich keinen Teilzeitarbeitsplatz zu finden auch das nennt die Landesregierung als
mögliche Erklärung , wird abnehmen, je mehr sich herumspricht, wie positiv sich das neue Teilzeitgesetz der Bundesregierung genau auf die Zukunftsbranchen unseres Landes ausrichtet.
(Anhaltender Beifall bei der SPD und Abgeordne- ten der Grünen Abg. Heiderose Berroth FDP/ DVP: Ja, ja! Vor allem für Frauenarbeitsplätze! Die kriegen ja kaum mehr welche!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ganz im Sinne des Kollegen Dr. Puchta und seiner gestrigen Aussage, dass vielleicht dort am meisten mit Worten geklingelt wird, wo die Übereinstimmung möglicherweise sehr groß ist, will ich die Stellungnahme der CDU-Fraktion abgeben.
Liebe Kollegen, zunächst einmal: Die Zielsetzung ist unbestritten. Auf das herausragende Potenzial der Frauen kann aus vielen Gründen nicht verzichtet werden.
Die besonders von Frauen erworbenen Kompetenzen stellen einen wichtigen Modernisierungsfaktor gerade auch im technischen und naturwissenschaftlichen Bereich dar. Wir brauchen für die technologische Entwicklung das Begabungspotenzial der Frauen. Gerade auch der Ingenieurberuf steht ja im globalen Innovationswettbewerb an vorderster Front. Für die Leistungsfähigkeit unseres Landes können wir auf den Ingenieurberuf, der auch von Frauen ausgeübt wird, nicht verzichten.
Zum Zweiten ist auch die Zielsetzung klar, Frauen von wesentlichen Entwicklungen und Schlüsselberufen, die unsere Zukunft wesentlich bestimmen, nicht auszuschließen.
Fakt ist, dass wir in der Bundesrepublik einen massiven Nachholbedarf haben. Nach einer Erhebung der OECD haben von 100 000 erwerbstätigen Frauen im Alter von 25 bis 34 Jahren in Frankreich über 1 000 einen naturwissenschaftlichen Studienabschluss, in Deutschland aber nur 374. Der höhere Anteil von Frauen in naturwissenschaftlichen Fächern an den Hochschulen in Griechenland, Spanien und Italien ist schon erwähnt worden.
Fakt ist aber auch, liebe Kollegen von der SPD, dass das Problem erkannt ist und Maßnahmen eingeleitet sind.
Das sind Maßnahmen, um erstens allgemein das Interesse an Naturwissenschaft und Technik zu erhöhen und zweitens speziell das Interesse bei Frauen zu fördern.
Es besteht ja Einigkeit darüber Sie haben die Landesregierung ja auch gelobt , dass es gute Ansätze sind, in den Klassen 5 und 6 das Fach Naturphänomene einzuführen, in den Technischen Gymnasien Profile einzuführen, die Technik mehr in einem sozialen Zusammenhang sehen, und vermehrt biotechnologische Gymnasien einzurichten, die bei Mädchen einen großen Anklang finden. Wir sind uns im Klaren darüber, dass die Bedeutung des GenderAnsatzes im Unterricht und entsprechend auch in der Lehrerausbildung gewürdigt wird. Dem Wissenschaftsministerium stehen für die Gender-Forschung immerhin jährlich 511 000 zur Verfügung.
Auch der Schritt, Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe verbindlich auf zwei naturwissenschaftliche Fächer festzulegen, ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Was die Hochschulen betrifft, sind auch hier Maßnahmen eingeleitet, um mehr zu werben und um Mädchen zu werben, aber auch, um diese Mädchen zu fördern. Es ist immerhin mutig, dass in Baden-Württemberg zuerst das Modell der leistungsorientierten Mittelverteilung eingeführt worden ist, bei der Ergebnisse der Frauenförderung an den einzelnen Hochschulen den Hochschulen finanziell honoriert werden. Das sind finanzielle Anreize und wirkungsvolle ordnungspolitische Maßnahmen. Dem Ministerium stehen von 2001 bis 2003 auch für Frauenförderung immerhin 3,8 Millionen zur Verfügung.
Fakt ist, dass Maßnahmen eingeleitet wurden. Fakt ist aber auch, dass die statistischen Erhebungen zeigen, dass der Anteil der jungen Frauen in technisch orientierten Berufen in all den Jahren dennoch nur unwesentlich zugenommen hat. Die individuellen Berufspräferenzen junger Frauen ändern sich nur langsam und folgen teilweise noch immer dem klassischen Rollenbild. Die Berufswahl beginnt mit der Kindheit. Der Einfluss von Familie und Freunden und die soziale Integration auch in die eigene Geschlechtergruppe sind mit entscheidende Faktoren für den späteren beruflichen Weg.
Der Erfolg vieler Maßnahmen wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Er wird aber auch sehr davon abhängen, dass die Gesellschaft von dem traditionellen Rollenverständnis, wonach Technik eine Sache der Männer sei, abkommt. Dazu bedarf es eines Entwicklungsprozesses und vor allem einer Kontinuität und eines langfristigen Ansatzes der eingeleiteten Maßnahmen. Wir warnen vor kurzfristigem Aktionismus und vor Veranstaltungen, die nur Eventcharakter haben. Die Politik muss bei dieser Bewusstseinsveränderung einen entscheidenden Beitrag leisten.
Ich denke, in der Stellungnahme des Ministeriums ist auf 19 Seiten eine Fülle von eingeleiteten Maßnahmen aufgezeigt worden, die in die richtige Richtung gehen. Naturwissenschaftliches und technisches Interesse in den Bildungseinrichtungen zu wecken ist wichtig und ein erster Schritt. Das wird aber nicht genügen.
Fakt ist auch, dass Frauen ihre Berufsentscheidung noch immer im Wesentlichen danach treffen sie tun das sehr rational , wie sie den Wunsch nach Familie mit dem Beruf vereinbaren können. Dort, wo diese Vereinbarkeit besonders gut möglich ist, zum Beispiel beim Lehrerberuf,
Nach Auffassung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung in ihrem Bericht Verbesserung der Chancen von Frauen in Ausbildung und Beruf gilt gerade auch der Ingenieurberuf als problematisch bei der Verbindung von Beruf und Familie. Rahmenentscheidungen zu treffen, um diese Vereinbarkeit zu fördern, trägt sicher wesentlich dazu bei, auch in den technischen Zukunftsfeldern mehr Frauen zu gewinnen.
Wenn es keinen Streit gibt, dann ist es halt auch nicht so interessant. Aber freuen wir uns darüber, dass wir uns doch in vielem einig sind.
Die gestrige Debatte war ein Beitrag zur Schaffung verbesserter Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
(Beifall bei der CDU Abg. Regina Schmidt-Küh- ner SPD: Wir brauchen auch die Ganztagsschulen und die Ganztagsbetreuung!)
Sie fordert flexible Arbeitskräfte, sie muss sich aber auch flexibel auf die gesellschaftlichen Notwendigkeiten einstellen.
Meine Damen und Herren, in diesem Sinne brauchen wir ein Gesamtpaket gesellschaftlicher Veränderungen, das die Politik zwar anstoßen und fördern kann, worüber aber hier nicht in Paketlösungen entschieden werden kann. Das ist der Unterschied zur SPD, dass wir nicht von oben verordnen, sondern dem Spiel der Kräfte freien Lauf lassen und die Maßnahmen anstoßen und fördern.
Meine Damen und Herren, die Zielsetzung ist unbestritten. Das Problem ist erkannt. Maßnahmen sind auf verschiedenen Ebenen angestoßen und eingeleitet, und dieser Weg muss fortgesetzt werden. Sie können sicher sein, dass die CDU diesen Weg konstruktiv und engagiert begleiten wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt durchaus Begabungspotenziale bei Frauen für naturwissenschaftliche und ingenieurwissen
schaftliche Tätigkeiten. Aber wir wissen auch alle, dass Defizite in der Umsetzung bestehen. Auch im Landtag haben wir dies bereits vielfältig diskutiert, unter anderem zu einem Antrag der FDP/DVP-Fraktion vom März 1998, den ich damals mit initiiert hatte. Es ist einfach eine Erkenntnis: Wenn man sich Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft und Politik anschaut und mit ihnen redet, stellt man fest, dass diese Frauen signifikant häufig irgendwann einmal eine Mädchenklasse besucht haben.