Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

Was spricht denn dagegen, zu sagen: „Wir entlasten die Bundesanstalt und die Menschen, die dort arbeiten, von der notwendigen Verwaltungsarbeit

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Habe ich ausdrücklich gelobt!)

und geben ihnen möglichst viel Zeit, um tatsächlich die Vermittlungsarbeit zu betreiben und den Menschen Perspektiven zu vermitteln“?

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Haben wir doch gelobt! Beide! Sie können nicht nur nicht lesen, sondern auch nicht zuhören!)

Was haben Sie denn dagegen? Das ist doch eine gute Maßnahme, die die Hartz-Kommission da vorschlägt.

(Widerspruch bei der CDU)

Nein, Sie haben „Wahlkampfspektakel“ gesagt. Erzählen Sie doch nichts. Das ist eine gute Maßnahme. Man wundert sich manchmal wirklich, wie Sie in der Lage sind, im Wahlkampf Dinge zu verdrehen.

Zumutbarkeitsregelung: Wir haben heute im Arbeitsförderungsgesetz jetzt heißt es ja Sozialgesetzbuch keine differenzierte Zumutbarkeitsregelung. Was spricht denn dagegen, zu sagen: „Einem jungen Menschen, der frisch von der Ausbildung kommt, der familiär ungebunden ist, ist etwas anderes zuzumuten als dem Familienvater oder der Familienmutter mit 35 oder 40 Jahren, denen weniger zuzumuten ist“?

(Beifall bei der SPD Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Birk CDU und Dr. Noll FDP/DVP Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Dagegen haben wir doch gar nichts! Zuruf des Abg. Wieser CDU Weite- re Zurufe)

Prima! Sie applaudieren. Das ist eine gute Sache. Also! Auch Herr Wieser stimmt zu. Prima!

(Unruhe Zuruf des Abg. Wieser CDU Minister Dr. Döring: Das ist doch ein Popanz, was Sie da aufbauen! Weitere Zurufe Glocke des Präsi- denten)

Entschuldigung, Herr Wieser und Herr Noll, Sie verstehen unter Zumutbarkeit etwas völlig anderes. Wenn jemand gut gesättigt und mit Abgeordnetendiäten versorgt hier sitzt und selbst von Zumutbarkeit redet in einer Dimension, die wir nicht meinen , dann, sagen wir, ist das eine andere Politik. Wir meinen nicht die Zumutbarkeit, nach der mit den Menschen alles gemacht werden kann und sie ökonomischen Interessen grundsätzlich untergeordnet werden.

(Unruhe)

Wir meinen, die Menschen müssen eine Perspektive bekommen und auch in eine Verantwortung genommen werden, die ihnen zugemutet werden kann, und nicht mehr.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Mit genau solchen Pa- rolen machen Sie Hartz kaputt! Minister Dr. Dö- ring: Herr Hausmann, es reicht! Weitere Zurufe)

Herr Noll, ich war vor kurzem auf einer Veranstaltung. Auf dieser Veranstaltung hat der Bezirksleiter der IG Metall gesprochen und dabei ein schönes Bild verwendet. Dieses Bild trage ich Ihnen jetzt vor:

(Minister Dr. Döring: Nein, setzen ist besser!)

Es gibt auf der Welt eine Schlangenart, die Boa constrictor,

(Abg. Drexler SPD: Das ist doch eine Waschma- schine!)

die in der Lage ist, ein ganzes Schwein zu fressen. Am Stück!

(Unruhe Abg. Dr. Birk CDU: Ihnen möchte ich als Boa constrictor auch nicht begegnen! Heiter- keit)

Ihr Problem besteht darin, dass sie anschließend in einen agonieähnlichen Zustand verfällt. Jetzt sage ich Ihnen, Herr Birk und liebe FDPler und CDUler hier im Raum: Wenn wir Ihnen am 22. September die Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik überlassen würden, dann gute Nacht um sechs! Dann haben wir die Agoniezustände, dann erleben wir die Boa constrictor live miteinander, und das müssen wir verhindern.

(Beifall bei der SPD Minister Dr. Döring: Das entscheiden zum Glück nicht Sie! Weitere Zuru- fe)

Noch haben wir ich komme zum Ende in Deutschland den Zustand,

(Zurufe von der SPD: Jetzt sind sie ruhig!)

dass durch Grußworte mehr Zeit kaputtgeht als durch Streiktage.

(Minister Dr. Döring: Setzen Sie sich mal schnell wieder!)

Ich hoffe, das bleibt so. Dafür müssen und werden wir etwas tun. Wir werden keine Probleme verschieben, wie Sie es 16 Jahre lang gemacht haben, sondern wir werden die Probleme anpacken, wir werden Lösungen finden, und zwar mit den Menschen und nicht gegen die Menschen.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Witzel.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Die Hartz-Kommission wird am 16. August ihre Ergebnisse vorlegen. Die Tatsache, dass die FDP/DVP schon jetzt beantragt, über dieses Papier, das am 16. August vorgelegt wird, zu debattieren, zeigt, dass es der FDP/ DVP mehr um Wahlkampf geht als um die Sache.

(Beifall bei den Grünen)

Ich meine, das sollten wir festhalten. Das, was Sie, Herr Noll, hier geboten haben, zeigt ja auch, dass ich mit dieser Vermutung richtig liege. Aber es ist schlicht und einfach nicht so, Herr Noll, dass die Bundesregierung untätig gewesen wäre, wie Sie es ihr vorwerfen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: In die falsche Rich- tung!)

Die Bundesregierung hat ein Paket von Reformen auf den Weg gebracht. Damit es hier einmal gesagt ist, darf ich es auch noch einmal sagen, obwohl wir es schon in x Debatten dargestellt haben.

Die Bundesregierung hat eine Steuerreform auf den Weg gebracht, und zwar mit einer deutlichen Senkung der Ein

kommensteuer. Das gibt Anreize für Investitionen und damit für Arbeitsplätze. Die Arbeitnehmer haben jetzt wieder mehr Geld in der Tasche.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Jetzt brummt unsere Wirtschaft!)

Das ist doch gerade das, was Sie als Beitrag gegen die Schwarzarbeit fordern. Und es ist auch nicht so, wie Herr Birk sagt, dass da der Mittelstand ausgegrenzt worden wäre. Ein Drittel der Steuerreform kommt dem Mittelstand zugute, der größte Teil den Arbeitnehmern. Das heißt, hier wird etwas für den Mittelstand getan.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Punkt 2 aus diesem Maßnahmenpaket der Bundesregierung: Die Bundesregierung hat das JUMP-Programm auf den Weg gebracht, das Hunderttausende von Jugendlichen wieder in Arbeit gebracht hat ein weiterer wichtiger Punkt.

(Abg. Dr. Birk CDU: Herr Witzel, die Jugendar- beitslosigkeit ist aber wieder gestiegen!)

Aber es ist viel getan worden. Ich meine, Herr Birk, wir müssen eines klar sehen: Die Bundesregierung ist nicht allmächtig, und Sie haben zumindest als Nebensatz in Ihrem Beitrag dargestellt, dass es auch so etwas wie eine Weltkonjunktur gibt. Wenn die abflaut, hat das auch Auswirkungen auf Deutschland. Das müssen wir auch wissen. Die Bundesregierung kann nicht alles tun.

Ich darf mit der Liste, was erreicht wurde, fortfahren. Die Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit wurden erweitert. Damit werden die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass Arbeit auf mehr Schultern verteilt wird. Das ist gerade in einer Zeit, in der die Arbeit knapp ist, ein sehr wichtiges Instrument, um Arbeitsplätze zu schaffen.

(Beifall bei den Grünen)

Ich darf auch etwas erwähnen, was insbesondere meine Partei vorangebracht hat, nämlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die entsprechenden Förderprogramme in diesem Bereich. Das hat die Rahmenbedingungen so verbessert, dass in diesem Bereich die Zahl der Arbeitsplätze auf jetzt über 120 000 angestiegen ist. Das ist ein wichtiger Beitrag, um konkret Arbeit zu schaffen und Menschen in Arbeit und Brot zu bringen.

Wenn wir über diese eher allgemeineren Bedingungen hinausschauen und fragen, was speziell im Bereich der Arbeitsmarktpolitik erreicht wurde, so stellen wir fest, dass die Bundesregierung auch da einiges vorweisen kann.

Zuerst ist das Job-AQTIV-Gesetz zu nennen, das den Grundsatz des Förderns und Forderns umsetzt und daher eine arbeitsmarktnähere Vermittlung schafft, Herr Noll. Damit gehen Sie ja auch einig. Das ist eine sehr wichtige Sache.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig! Ich habe nur die strittigen Punkte erwähnt!)