Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

Als Zweites: Die Arbeitsämter wurden neu organisiert, und heute sind etwa ein Drittel der Arbeitsämter bereits nach dem neuen Organisationskonzept „Arbeitsamt 2000“ zu kundenorientierten Dienstleistern umgebaut worden. Auch das ist ein wichtiger Schritt.

Als Drittes: Die Leitung der Bundesanstalt für Arbeit wurde reformiert. Sie wird jetzt wie ein großes Kapitalunternehmen mit einem verantwortlichen dreiköpfigen Vorstand und einem kontrollierenden Verwaltungsrat geleitet. Auch das ist ein Beitrag zu mehr Effektivität.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig!)

Als vierten Punkt muss man darauf hinweisen, dass jetzt die privaten Vermittler in die Vermittlung und Beratung einbezogen werden. Arbeitslose erhalten jetzt nach dreimonatiger Arbeitslosigkeit auf Wunsch Vermittlungsgutscheine vom Arbeitsamt, mit denen sie bei privaten Vermittlern ihrer Wahl eine Vermittlung bekommen können.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Was Sie lange blockiert haben!)

Meine Damen und Herren, wenn man diese Liste anschaut, muss man schlicht und einfach sagen: Die Bundesregierung hat einen Großteil Arbeit getan. Ein ganzes Paket von Reformen wurde auf den Weg gebracht. Wenn Sie jetzt sagen: „Es war zu wenig“, muss man fragen, in welcher Situation die Bundesregierung ihre Amtsgeschäfte angetreten hat. Es war schlicht und einfach so: Nach 16 Jahren Reformstau in Deutschland, nach 16 Jahren Kohl musste halt mehr getan werden.

(Lebhafter Beifall bei den Grünen und Abgeordne- ten der SPD Widerspruch bei der CDU Abg. Hauk CDU: Keine Märchen! Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Die Platte hat einen Sprung!)

Wir haben jetzt das erste Paket auf den Weg gebracht, Herr Hauk, und die Bundesregierung wird weitermachen. Die Hartz-Kommission ist ein Zeichen dafür,

(Große Unruhe Glocke des Präsidenten)

dass die Bundesregierung die Reformen nicht beendet, sondern dass sie weitermachen wird.

Herr Abg. Dr. Witzel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Theurer?

Bitte schön, Herr Theurer.

Herr Kollege, sind Sie bereit, auch auf die Vorschläge der Hartz-Kommission einzugehen und zu erklären, wo Sie für die Grünen eine Zustimmung signalisieren können, und vielleicht auch zu erklären, warum Sie entsprechende Vorschläge der FDP in der Vergangenheit abgelehnt haben?

Herr Theurer, ich will gerade auf diesen Punkt eingehen. Im ersten Teil wollte ich zeigen, was die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat.

Es gibt aber weiterhin einen Reformbedarf, und dazu komme ich jetzt.

Die Hartz-Kommission hat den Titel „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“. Mit diesen Vorschlägen bzw. mit dem, was davon bisher an die Öffentlichkeit gelangt ist, will ich mich jetzt auseinander setzen. Die Vorschläge der Hartz-Kommission sehen wir als wichtigen Beitrag an, und einiges davon ist ja unstrittig. Das hat auch die heutige Debatte gezeigt.

Ein Punkt ist die schnellere Vermittlung statt Langzeitarbeitslosigkeit. Es besteht ja allgemeiner Konsens: Wenn es uns gelingt, die durchschnittliche Arbeitslosigkeit von 33 Wochen auf 22 zu reduzieren, hat das zur Folge, dass einerseits Menschen in Arbeit kommen und früher einen Verdienst erzielen, und andererseits gibt es Einsparungen, zum Beispiel bei den Sozialleistungen. Diese Einsparungen sind die Rendite einer gelungenen schnellen Vermittlung. Diese Rendite wollen wir sichern. Wir wollen durch schnelle Vermittlung Gelder sparen, die dann anderweitig zur Verfügung stehen. Da besteht, glaube ich, Konsens. Schritte wie Meldepflicht beim Arbeitsamt, wenn die Kündigung ins Haus steht, sind richtig. Die organisatorische Zusammenlegung zu Jobagenturen findet sicherlich auch hier breite Zustimmung. Und es spricht sicherlich auch niemand dagegen, wenn wir mehr Freiräume für die Arbeitsämter vor Ort eröffnen, damit diese flexibler auf das eingehen können, was regional notwendig ist, und auch innovative Maßnahmen erproben können. Herr Theurer, das sind Punkte, die wir in jedem Fall unterstützen.

(Abg. Dr. Birk CDU: Also!)

Jetzt gibt es andere Punkte, die strittig sind, auch hier im Haus. Da möchte ich auf zwei Beispiele eingehen: Das sind die Pauschalierung und die Einführung von Personalserviceagenturen.

Wir Grünen begrüßen den Vorschlag der Pauschalierung des Arbeitslosengeldes, denn wir sehen darin einen Beitrag zur Entbürokratisierung.

(Abg. Dr. Birk CDU: Sehr gut!)

Derzeit verbraucht ein Vermittler, wenn sich jemand arbeitslos meldet, zunächst 40 bis 60 % seiner Arbeitszeit dafür, die komplizierten Leistungsberechnungen zu erstellen. Die Pauschalierung hat daher Vorteile. Die Arbeitslosen können die Unterstützung schneller erhalten, und es kann Zeit für Arbeitsvermittlung und Beratung des Arbeitslosen gewonnen werden. Einen wichtigen Punkt wollen wir dabei klarstellen: Wir sind hier für die Flexibilisierung, aber wir wollen das auf der anderen Seite mit sozialer Sicherheit koppeln. Diese Balance müssen wir herstellen: einerseits Flexibilisierung, aber andererseits gegen Sozialabbau und für soziale Sicherheit.

(Beifall bei den Grünen)

Deshalb distanzieren wir uns auch von dem, was von der FDP immer kommt. Sie fordert Flexibilisierung, meint aber in Wirklichkeit Sozialabbau. Wir verstehen auch nicht, was die CDU sagt. Sie ist gegen die Pauschalierung, weil diese möglicherweise eine Leistungskürzung darstellen würde.

Das kann man schlicht und einfach so regeln, dass man sagt: Das pauschale Arbeitslosengeld muss am letzten Einkommen ansetzen und kann unkompliziert mit aufgerundeten Beiträgen arbeiten. Das wäre eine Regelung, um die Vermittlung schneller zu machen und mehr Verwaltungskapazität in die Vermittlung umzulenken.

Der zweite Punkt sind die Personalserviceagenturen, die hier auch kritisch kommentiert wurden. Wir Grünen sehen die Zeitarbeit, Herr Birk, als Brücke in den Arbeitsmarkt. Das wollen wir nutzen.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Richtig!)

Man darf die Zeitarbeit aber nicht hemmungslos ausweiten und damit erreichen, dass die Firmen letztendlich nur noch auf die Zeitarbeit zurückgreifen und damit reguläre Beschäftigungsverhältnisse abbauen. Vielmehr wollen wir die Personalserviceagenturen nutzen, damit Beschäftigte testweise in die Betriebe gehen können und prüfen können, ob das der richtige Job ist, und die Arbeitgeber prüfen können, ob das der richtige Mitarbeiter für sie ist.

(Abg. Dr. Birk CDU: Zeitarbeitsfirmen gibt es ja! Abg. Schmiedel SPD: Was hat der Birk schon wieder?)

Ja, aber dies soll ausgeweitet werden. Diese Möglichkeit wollen wir eröffnen.

(Abg. Schmiedel SPD: Wir machen das!)

Dazu wird die Hartz-Kommission im Endeffekt auch noch klare Vorstellungen vorlegen. Die Details dieser ganzen Regelung liegen ja noch nicht vor. Wir wollen jetzt in Ruhe abwarten, bis die Hartz-Kommission am 16. August ihre Ergebnisse vorlegt.

(Abg. Dr. Noll FDP/DVP: Die Arbeitslosen verste- hen die Ruhe nicht!)

Dann müssen wir daran arbeiten, das schnell und zügig umzusetzen. Für uns Grüne wird dabei der Maßstab sein, dass wir einerseits Ja zur Flexibilisierung sagen, aber andererseits sagen: Wir brauchen Flexibilisierung mit sozialer Sicherheit. In diesem Sinne werden wir daran mitarbeiten, dass die Umsetzung der Ergebnisse der Hartz-Kommission schnell auf den Weg gebracht wird.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Wirtschaftsminister Dr. Döring.

(Abg. Gall SPD: Insolvenzverwalter aus Schwä- bisch Hall! Gegenruf des Abg. Dr. Noll FDP/ DVP: Das ist Ihr Stil! Unruhe)

Wer war denn das gerade?

(Lachen bei der SPD)

Verehrter Herr Kollege, das ist dermaßen erbärmlich. Sie sollten sich schämen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das ist nicht nur erbärmlich, sondern das ist niederträchtig, was Sie hier machen. Das ist niederträchtig. Wahrscheinlich haben Sie Ihr Leben lang an jedem Ersten Ihr Gehalt sicher überwiesen bekommen und nirgends wirklich gearbeitet. Das wird die Realität bei Ihnen sein. Sie sollten sich wenigstens entschuldigen, aber dazu werden Sie nicht in der Lage sein. Ein solcher Charakter wie Sie ist nicht einmal dazu in der Lage.

(Abg. Fischer SPD: Jetzt hört es aber auf! Das war gerade beleidigend!)

Das war unter aller Kanone.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Während der Kollege Noll einen engagierten Vortrag gehalten hat, war der Beitrag des Kollegen Hausmann allenfalls noch das vergebliche letzte Aufbäumen gegen eine Niederlage, die klar vor Augen ist. Was vor allem bei Ihnen, Herr Hausmann, auffällt und ganz besonders traurig zu vermerken ist: Sie sind nicht in der Lage, anzuerkennen, dass dieses Land Baden-Württemberg die geringste Arbeitslosigkeit hat, die geringste Jugendarbeitslosigkeit hat und das Land ist, das die meisten über 50-jährigen Langzeitarbeitslosen wieder in Arbeit gebracht hat.

(Abg. Ruth Weckenmann SPD: Durch das Pro- gramm des Bundes!)

Das ist das, was der Kollege Noll mit „vorbildlich“ gemeint hat. Das haben Sie noch in Abrede stellen wollen.

(Beifall des Abg. Dr. Noll FDP/DVP)

Sie können nicht einmal mit dem umgehen, was zugunsten der Bevölkerung in diesem Land geschieht. Das zeigt, worum es Ihnen geht. Ihnen geht es letztlich nicht um die Sache, sondern Ihnen geht es darum, krampfhaft irgendwie einen Wahlkampf herbeizuziehen, und zwar mit lauter Argumenten, die vollkommen daneben sind.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)