Protokoll der Sitzung vom 18.07.2002

(Zuruf des Abg. Dr. Caroli SPD)

Zwischenzeitlich verfolgt zu Recht auch die Europäische Union dieses politische Instrument. Sie setzen erneut nur auf sektorale, auf billige Subvention mit der großen Gefahr, dass Sie sich dabei verkalkulieren. Thema Photovoltaik nichts dagegen. Thema Windkraft, regenerative Energien nichts dagegen, zunächst einmal.

(Unruhe)

Aber Sie verkalkulieren sich insofern, weil Sie billige Propaganda, Schaufenster- und Stromrotoren aufbauen nach dem Motto:

(Abg. Dr. Caroli SPD: Ach! Was machen denn Sie gerade im Moment?)

Wir beruhigen uns einmal selber, wir beruhigen die Öffentlichkeit, wir tun ja etwas für nachwachsende und regenerative Energien. Und der Effekt ist gleich null. Der Effekt bei uns im Binnenbereich nicht an der Küste und nicht auf den Höhenlagen ist gleich null, weil Sie für 100 Megawatt Strom aus Windkraft eben herkömmliche 80 Megawatt als Reserve vorhalten müssen, weil die Windkraft letztlich der unzuverlässigste Lieferant ist. Sie vernachlässigen dabei einen ganz wesentlichen Bereich, auf den wir bei uns im Land zu Recht setzen und der auch an der Wirtschaftlichkeitsschwelle liegt. Das ist der Bereich der Biomasse. Nicht umsonst haben wir in den letzten acht oder zehn Jahren die Anstrengungen natürlich auch unter dem Eindruck von Rio gemacht.

(Unruhe)

Wir haben unter diesem Eindruck auch den Bereich der Biomasse gesehen, insbesondere bei Holz, aber auch bei Biogas und dergleichen mehr im landwirtschaftlichen Bereich, und dort entsprechende sektorale Subventionen, wenn man so will, auch gegeben. Aber damit haben wir einen klaren Effekt erzielt.

Ich glaube, wir sind unserem Ziel in Baden-Württemberg näher gekommen, unseren Anteil, den wir im Jahr 1990 bei 7,6 Tonnen pro Jahr und Einwohner hatten, auf realistisch 6,5 Tonnen pro Jahr und Einwohner also eh schon ein

Niedrigstlevel, wenn man den Bundesdurchschnitt von nach wie vor 11 Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr und Einwohner sieht zu senken. Wir kommen unseren Zielen jedenfalls näher, weil wir sie pragmatisch angehen und nicht ideologisch, Herr Kollege Walter. Und das ist der große Unterschied zwischen uns.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Dr. Caroli.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem Zitat beginnen:

Wir haben heute Hunderte von Erklärungen, Vereinbarungen, Richtlinien und rechtsverbindlichen Verträgen zur Lösung von Umweltproblemen und zur Beseitigung der damit verbundenen Gefahren für die Gesundheit und das Wohlergehen von Mensch und Natur. Jetzt gilt es, den politischen Mut und die innovative Finanzierung zu finden, um diese Abmachungen in die Tat umzusetzen... Wir brauchen konkrete Taten, wir brauchen konkrete Zeitpläne, und wir brauchen von allen Seiten eisernen Willen.

(Abg. Schmiedel SPD: Sehr gutes Zitat!)

Jetzt möchte ich Beifall von allen Seiten hören, weil dies beim Klimaschutz ja die eigentliche Forderung ist, hinter die wir uns stellen möchten. Nun werden Sie sagen: Schöne Worte! Von wem ist dieses Zitat? Es könnte von mir sein.

(Heiterkeit Abg. Pfister FDP/DVP: Bescheiden, bescheiden!)

Ist es aber nicht. Es ist ein Zitat von UNEP-Exekutivdirektor Klaus Töpfer.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kretschmann GRÜNE Zurufe von der SPD: Ah! Abg. Hauk CDU: Guter Mann! Zuruf des Abg. Scheuer- mann CDU)

Dieser hat vor kurzem den Landtag von Baden-Württemberg besucht, und er hat uns bei den Abfalltagen interessante Folien zu GEO 3 aufgelegt, die ganz eindeutig ich erinnere an die Folien zu dem gravierenden Abbau der Eisdecke an den Polen aufgezeigt haben, wie groß die Gefahr ist, in der wir uns befinden.

Meine Damen und Herren, ich möchte ein zweites Zitat bringen, das zeigt, wie wir oder sagen wir besser: die Regierung des Landes Baden-Württemberg die Umweltprobleme angehen. Ich zitiere Herrn Minister Müller, der sich in der „Schwäbischen Zeitung“ vom 15. Juli 2002 zu Umweltinvestitionen geäußert hat:

Wir sind nicht schlechter als andere, aber in guter schlechter Gesellschaft.

Wenn bei dem einen so richtig das Herz und auch der erklärte politische Wille erkennbar ist, dann sind aus dem

zweiten Zitat allenfalls stille Resignation und ein sehr gemächliches Behandeln der Umweltprobleme erkennbar. Genau da, meine Damen und Herren, liegt der entscheidende Punkt: Den Willen, diese Umweltprobleme auch regional anzugehen, erkennen wir bei der Landesregierung nicht.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Kretschmann GRÜNE)

Meine Damen und Herren, seit 150 Jahren sind in der Erdatmosphäre die Konzentrationen der Treibhausgase deutlich angestiegen. Ich brauche die Zahlen jetzt nicht sehr ausführlich zu nennen, aber wir wissen, dass gemäß dem Bericht des IPCC, des zwischenstaatlichen Ausschusses zur Untersuchung von Klimaveränderungen, mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unnatürliche und rasche Erwärmung der Erdatmosphäre um 1,4 bis 5,8 Grad Celsius zu erwarten ist. Wenn wir nichts tun, ist auch damit zu rechnen, dass der Meeresspiegel bis zum Jahr 2010 um 10 bis 90 cm ansteigen wird, mit entsprechenden katastrophalen Auswirkungen weltweit.

Es ist die Frage zu stellen, wie die Auswirkungen auf Baden-Württemberg zu betrachten sind. Meine Damen und Herren, was hierzu bislang von der Landesregierung festgestellt worden ist, ist natürlich noch nicht dazu angetan, eine große dramatische Entwicklung vorherzusehen bzw. mit entsprechenden politischen Forderungen zu kommen, weil es noch viel zu dürftig ist.

Ich darf einmal erwähnen, was bisher festgestellt worden ist: ein Anstieg der Jahresmitteltemperaturen seit Mitte der Achtzigerjahre, eine Zunahme der Starkniederschläge im Winter, die Zunahme von Körnermais, Sonnenblumen und Sojabohnen, dass der Frühling zehn Tage früher kommt und der Herbst neun Tage später, dass sich der Wegzugtermin der Singvögel verspätet und ich füge noch hinzu dass sich das Einsetzen der Mauser bei Auerhahnjungvögeln verfrüht.

(Abg. Drexler SPD: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, mit gesundem Menschenverstand kann man noch andere Dinge feststellen. Zum einen leben wir quasi bereits in Norditalien,

(Zuruf des Abg. Oelmayer GRÜNE)

zum anderen haben Stürme in unkontrollierbarer Folge bereits unsere Wälder verwüstet. Das allein sind doch genügend Indikatoren dafür, dass endlich gehandelt werden muss.

Die Landesregierung hat nun zusammen mit Bayern ein Projekt in Gang gesetzt, das Kooperationsvorhaben „Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft“ (KLIWA). Bislang sind zwei Grundsatzstudien erstellt worden, die aber bislang noch nichts Konkretes erbracht haben. Deswegen dürfen wir gespannt sein, was regionale Klimaszenarien für Baden-Württemberg erbringen. Dazu brauchen wir Simulationsrechnungen, in die dann die bereits vorhandenen Wasserhaushaltsmodelle eingerechnet werden, damit wir überhaupt einmal sehen können, welche Konsequenzen wir ziehen müssen. Im Jahr 2002 befinden

wir uns also in der Situation, dass wir für unser Land noch gar nichts richtig vorhersagen können. Deswegen der Appell, sich endlich aktiv in die Forschung hineinzubegeben. Das Land Bayern musste uns dabei vorausgehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung verurteilt die Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland der jetzigen Bundesregierung , dabei sind diese Maßnahmen das Einzige, was in den vergangenen Jahren bislang zu einem aktiven und effektiven Klimaschutz beigetragen hat.

(Beifall bei der SPD und den Grünen Zuruf von der SPD: Bravo!)

Wie sieht es bei uns aus? Wir sind Schlusslicht bei der Markteinführung und der Anwendung von regenerativen Energien. Bei der Agenda 21 viele Agenda-21-Projekte sind ja klimaschutzrelevant setzen wir ein viel zu geringes Fördervolumen ein. Das vorhin angesprochene neue Förderprogramm „Klimaschutz-Plus“ es ist mit 4 Millionen € ausgestattet kommt zu spät und ist viel zu mickrig. Gleichzeitig mit der Einführung dieses Programms werden die Aktivitäten und Erfolge der Bundesregierung ignoriert und sogar bekämpft.

(Zuruf des Abg. Capezzuto SPD)

Deswegen weise ich noch einmal auf diese wichtigen Programme hin: EEG das steht für ein geniales Programm, das in der Bundesrepublik enorme Effekte gehabt hat. Ferner nenne ich das Markteinführungsprogramm, das KWKGesetz, die Wärmeschutzverordnung, das Energieeinsparungsgesetz, die KfW-Förderung für Wärmedämmung usw. Aber wir in Baden-Württemberg haben nur ein Programm, das noch nicht einmal in Kraft getreten ist, nämlich das Förderprogramm „Klimaschutz-Plus“ mit gerade einmal 4 Millionen € für CO2-Minderungsmaßnahmen.

Meine Damen und Herren, der Ausbau der regenerativen Energien in unserem Land wurde von dieser Landesregierung kläglich vernachlässigt.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Gleichzeitig versucht die Landesregierung, aus dem Landesplanungsgesetz mit dubiosen Änderungen ein Antiwindkraftgesetz zu machen

(Abg. Drexler SPD: Ja!)

und die Privilegierung der Windkraft im Baugesetzbuch zu unterlaufen. Wir sind der Auffassung, dass Sie damit auf jeden Fall scheitern werden. Leidtragender ist dann das Land, das eines der Schlusslichter unter den Flächenländern ist.

(Abg. Blenke CDU: Das Thema hatten wir schon!)

Zu der Bemerkung des Kollegen Hauk zur Atomkraft möchte ich eines noch hinzufügen: Herr Kollege Hauk, wer dem Prinzip der Nachhaltigkeit huldigt, muss den Ausstieg aus der Atomkraft befürworten.

(Beifall bei der SPD und den Grünen)

Die Nutzung der Kernenergie ist nicht nachhaltig. Sie birgt Risiken, die auf Dauer nicht verantwortbar sind. Sie steht im Widerspruch zur Generationengerechtigkeit, weil sie mit ihren Hinterlassenschaften bei der Rohstoffgewinnung im Uranabbau, aber auch bei der Endlagerung des Atommülls künftige Generationen auf Jahrhunderte belastet.

Sie, Herr Kollege Hauk, haben offenbar mehr Furcht vor ein paar Windrädern in diesem Land als vor den Risiken der Kernenergie.

(Beifall bei der SPD und den Grünen Abg. Drex- ler SPD: Jawohl! Richtig!)

Lassen Sie die Finger von diesem alten Hut, und gehen Sie zusammen mit der Industrie und verantwortlichen Umweltpolitikern den Weg in einen Ausstieg aus der Atomenergie und in eine energiepolitische Umkehr. Das wäre eigentlich eine sinnvolle Gemeinsamkeit, die wir im Lande BadenWürttemberg entwickeln könnten. Insbesondere aber wünsche ich mir, dass aktive Klimaschutzpolitik in diesem Lande zur Vorbeugung gegen die Katastrophen, die sich abzeichnen, von uns allen gemeinsam getragen wird. Geben Sie Ihren Widerstand auf,